Mini, Maybach, Rolls-Royce & Smart: Quartett der Gegensätze
- Rolls-Royce Phantom Coupé, Mini One, Smart Fortwo und Maybach 62S: Klein und ganz groß
- Neue Wege mit Mini One und Rolls-Royce
- Die Liaison mit Chrysler funktionierte in Stuttgart nicht
- Der Smart Fortwo reduziert aufs Nötigste
- 2002 wurde die Marke Maybach wiederbelebt
- Die Neuauflagen profitieren vom Status alter Modelle
- Technische Daten von Rolls-Royce Phantom Coupé, Mini One, Smart Fortwo und Maybach 62S
- Fazit
Es ist ja nicht so, dass man im Portfolio der Marken BMW oder Mercedes keine Fahrzeuge der Premiumklasse gefunden hätte. Trotzdem war rund um die Jahrtausendwende eine gewisse Aufbruchstimmung spürbar – und zwar in beide Richtungen: Auch das Kleinwagen-Segment war offenbar plötzlich interessant. Es begann eine Epoche der Vielfalt, der Superlative und der Gegensätze. Den Autobossen war klar geworden, dass ihre Unternehmen in teils atemberaubender Geschwindigkeit wachsen müssen, wenn sie im 21. Jahrhundert, in einer globalisierten Welt, noch eine Rolle spielen wollen.
Es ist eine neue Welt, in der in China die ersten Eigenkreationen zusammengeschraubt werden, in der Toyota zur Auto- und Ertragssupermacht aufsteigt und von der es heißt, die kritische Größe beim jährlichen Fahrzeugausstoß wachse auf mindestens 1,5 Mio. Einheiten. Wer weniger baut, wird untergehen. Das Denken und Handeln in den Chefetagen kreist um Begriffe wie "Modell-Diversifizierung" und den Ausbau der Produktpalette. Immer neue Derivate bekannter Baureihen werden auf den Markt geworfen. Ob Luxus-Liner oder City-Flitzer – jede kleine Nische wird besetzt.
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Rolls-Royce Phantom Coupé, Mini One, Smart Fortwo und Maybach 62S: Klein und ganz groß
Dann schlagen die Deutschen zu: Im Jahr 2000 kommt die Rolls-Royce-Automobilsparte – auf dem Umweg über Volkswagen – zu BMW. Die Markenrechte folgen drei Jahre später. Die schon 1994 von den Münchnern übernommene Rover-Group (Rover, MG, Mini, Land Rover) wird zur Millenniums-Wende zerlegt. MG-Rover bekommen britische Investoren quasi geschenkt, Land Rover geht mitsamt dem fertig entwickelten neuen Range Rover an Ford. Vorstandsboss Bernd Pischetsrieder muss seinen Posten räumen. Nur Mini bleibt in bayerischer Hand. Logik des Deals: Die vom unrentablen Rover-Ballast befreite BMW Group bedient künftig alle: Die Superreichen sollen Rolls-Royce fahren und die trendigen Kleinwagenfreunde in Scharen zum Mini überlaufen. Alles, was dazwischen liegt, ist ein Fall für BMW.
Tatsächlich sorgt das britisch-bayerische Einsteiger-Modell zunächst für Irritationen – zumindest unter den alteingesessenen Fans der Marke Mini. Ja, er mag mit seinen großen Augen entfernt an den von Alec Issigonis entwickelten Kleinstwagen erinnern. Doch er ist größer, schneller, schwerer. Die einst so geliebte Wendigkeit geht ihm ebenso ab wie der simple, aber pfiffige Aufbau. Die Kipphebel für Fensterheber & Co sowie die sonderbar geformten Tasten für die Sitzheizung wirken unpraktisch und irgendwie überzeichnet. Was man im Ur-Mini lächelnd akzeptierte, vielleicht sogar liebte, mutiert plötzlich zur unübersichtlichen Comic-Landschaft.
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Neue Wege mit Mini One und Rolls-Royce
Gut, der Neue bietet auch deutlich mehr Funktionen als sein Ur-Ahn. Und damit kommen wir zum Kern der Sache: Der Mini ist kein schlechtes Auto. BMW hat ihm die besten Gene mit auf den Weg gegeben. Die Sitze sind bequem, das Fahrwerk ist sportlich. Und so findet der Mini – als One, Cooper oder Cooper S – schnell Freunde. Man muss sich nur vom Gedanken lösen, einen Mini im herkömmlichen Sinn zu fahren. Der kleine Brite fährt maximal als Ideengeber mit. Und so kann BMW die Modellreihe weiter ausbauen: In der ersten Generation um ein Cabrio und diverse Sondermodelle, danach folgen Coupé, Roadster, Clubman, Countryman, Paceman …
Am anderen Ende der Fahnenstange weht ebenfalls die britische Flagge: Seit dem 28. Juli 1998 liegen die Markenrechte der altehrwürdigen Fahrzeugschmiede Rolls-Royce bei BMW. 2003 wird, nach vierjähriger Entwicklung, das erste Modell präsentiert: der Phantom. Man spricht von der siebten Generation – der Phantom I war 1925 als Nachfolger des Modells Silver Ghost vorgestellt worden. Auch wenn der neue, in Goodwood gefertigte Wagen nichts mit seinen Vorgängern zu tun hat, steht er doch ganz in der Tradition des Hauses – des Hauses Rolls-Royce, wohlgemerkt. Und das bedeutet: Luxus im Überfluss. Auch hier sorgt BMW dafür, dass im Hintergrund zuverlässige und moderne Technik unauffällig ihren Dienst verrichtet. Der Phantom wird als Limousine mit normalem oder verlängertem Radstand sowie als Drophead Coupé, sprich: Cabriolet, und Phantom Coupé angeboten. Die Wiederbelebung der kriselnden Marke scheint in der Tat geglückt.
Die Liaison mit Chrysler funktionierte in Stuttgart nicht
Zur gleichen Zeit ist ein zweites deutsches Renommierunternehmen auf dem Weg zum Vollsortimenter: Daimler. Seit Mitte 1998 mit dem besonders im SUV-Markt aktiven US-Hersteller Chrysler verschmolzen, verfolgen die Schwaben ehrgeizige Ziele. Dem Selbstverständnis des Erfinders des Automobils folgend, ist die Weltspitze ein angemessener Platz. Für das nötige Absatzvolumen soll in Übersee die Chrysler-Gruppe sorgen mit hemdsärmeligen Jedermann-Autos der Marke Dodge (Eigenwerbung: "Pack’ das Leben bei den Hörnern!"), vierschrötigen Geländewagen der Allrad-Legende Jeep und amerikanisch-wuchtig auftretenden Modellen von Chrysler. Die "Welt-AG" will aber noch viel mehr.
Schon im Jahr 1997 nämlich hatte der Konzern auf der IAA in Frankfurt ein winziges, nur zweieinhalb Meter kurzes Gefährt gezeigt, mit dem man sich zur Not auch quer in engste Parklücken zwängen kann. Der vom Schweizer Uhren-Guru Nicolas G. Hayek (Swatch) mitinitiierte Smart Fortwo bietet Platz für zwei, die sich mögen und trocken von A nach B kommen wollen. An sich keine schlechte Idee in chronisch verstopften Innenstädten. Smart-Kaufende entscheiden sich ganz bewusst für zwei Sitzplätze. Es gibt auch keine Notlösung, wenn doch einmal ein weiterer Fahrgast mitgenommen werden möchte. In mächtigen, gläsernen Verkaufstürmen sollen sich die Groß- und Kleinstädte:innen mit dem automobilen Zwerg anfreunden.

Der Smart Fortwo reduziert aufs Nötigste
Immer wieder wird demonstriert, dass der kleine Kofferraum für den normalen Einkauf völlig ausreicht. Immerhin: Der Platz für die beiden Mitreisenden ist absolut ausreichend, die Bedienbarkeit – abgesehen von den anfänglich etwas zu verspielten Schaltern – durchaus brauchbar. Der kurze Radstand und die unpräzise Lenkung lassen den Smart auf Landstraßen konfus auf den Spurrillen tänzeln. Er ist auch in dieser Disziplin ganz klar ein Auto für die Stadt – selbst wenn seine 84 PS (62 kW) bei 770 kg Leergewicht durchaus eine gewisse Sportlichkeit erahnen lassen.
Letztendlich fällt es schwer, sich mit dem Winzling – ob als Cabrio (ab 2000) oder "Coupé" – anzufreunden. Daimler zahlt am Ende drauf und weicht die Modellpalette auf: Ein Roadster sowie ein Roadster-Coupé entstehen 2002, die die möglichen Fahrleistungen angemessener umsetzen. Der Crossblade ist eher als Eyecatcher zu sehen denn als wirkliche Alternative zu was auch immer. 2004 kommt die Smart-Idee vollends in Trudeln: Der Forfour mit vier Türen und ebenso vielen Sitzplätzen führt die ursprüngliche Idee eines kompakten Stadtautos ad absurdum.
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2002 wurde die Marke Maybach wiederbelebt
Für den Gegenwert der nächsten Daimler-Erfindung könnte man wiederum die ganze City problemlos mit einer Smart-Armada zuparken: Weil Erzrivale BMW mit der Luxus-Ikone Rolls-Royce prunkt und der wegen seiner acht Pkw-Marken ohnehin brandgefährliche Konkurrent Volkswagen die Edelschmiede Bentley auf Vordermann bringen will, muss "der Daimler" gegenhalten. Er versuchts: Im Jahr 2002 wird die Marke Maybach wiederbelebt. Der Familienname des aus einfachen Verhältnissen stammenden Konstrukteurs August Wilhelm Maybach (1846 bis 1929) steht in Gestalt der Modelle 57 und 62 wieder für Luxus aus dem Hause Daimler. Chrysler, Smart, Maybach – der wichtigste Name fehlt noch. Es ist der Name desjenigen, der die Rechnungen bezahlt: Mercedes. Die Gewinne der profitablen Premiummarke fließen in die City- und Nobelprojekte und stützen Chrysler. Als Konzernboss Jürgen Schrempp Ende 2005 seinen Hut nehmen muss, liegt der Börsenwert von Daimler-Chrysler um fast 50 Mrd. Euro niedriger als zu Beginn der deutsch-amerikanischen Liaison, die im Jahr 2007 ihr offizielles Ende findet.
Das Duell Rolls-Royce gegen Maybach geht zugunsten der Briten aus, die seit über 100 Jahren quasi ohne Unterbrechung hochklassige Modelle für die Herrscherhäuser und Vermögenden der Welt bauen. Rolls-Royce ist ein globales Statussymbol, Maybach hingegen lebt von der Strahlkraft des Sterns und lockt die Kundschaft mit der Gewissheit, in einem vorzüglichen Automobil mit den besten Mercedes-Genen chauffiert zu werden.

Die Neuauflagen profitieren vom Status alter Modelle
Die Marke hatte allerdings selbst in ihrer Blüte vor dem Krieg keine vergleichbare globale Bekanntheit wie Rolls-Royce. Im ersten vollen Produktionsjahr 2004 werden 792 Phantom verkauft. Das Modell-Duo aus dem 5,73 m langen Maybach 57 und dem 6,16 m langen Maybach 62 kommt auf 500 Exemplare. 2008 verlassen bereits 1212 Phantom (Limousine, Coupé, Cabrio) die Werkshallen in Goodwood. Die Preisliste startet bei 390.320 Euro. Die Maybach-Manufaktur liefert zeitgleich 300 Fahrzeuge aus, deren Technik in weiten Teilen von der vorigen Mercedes S-Klasse stammt.
Das sieht bei den neuen Winzlingen Mini und Smart ähnlich aus: Der 5.387.862 Mal gebaute Ur-Mini hat einen Kult-Status, von dem die Wiederauflage des Jahres 2001 trotz aller anfänglichen Kritik profitiert. Mercedes kann mit der auf 2,69 m gewachsenen Zweitauflage (2006) und einem Leistungsspektrum von 45 (33 kW) bis 98 PS (72 kW) die Verkaufszahlen des Smart zwar steigern, muss sich aber nach einem Partner für die nächste Generation umsehen – am Ende wird es Renault werden (ab 2014). Rolls-Royce zieht auch unter dem BMW-Dach in der automobilen Stratosphäre weiterhin seine Bahn. Die Zukunft des Namen Maybach liegt hingegen darin, die besonders luxuriösen Mercedes-Modelle zu zieren. Diese stehen ja weltweit in bestem Ruf …
Technische Daten von Rolls-Royce Phantom Coupé, Mini One, Smart Fortwo und Maybach 62S
Classic Cars 07/2023 | Rolls-Royce Phantom Coupé | Mini One |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 12/4 | 4/4 |
Hubraum | 6749 cm³ | 1397 cm³ |
Leistung | 338 kW/460 PS | 70 kW/95 PS |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 720 Nm bei 3500/min | 145 Nm bei 3000/min |
Getriebe/Antrieb | 6-Stufen-Automatik/Hinterrad | 6-Gang-Getriebe/Vorderrad |
L/B/H | 5610/1990/1630 mm | 3700/1685/1405 mm |
Leergewicht | 2620 kg | 1135 kg |
Bauzeit | 2003–2017 | 2006–2014 |
Stückzahl | k.A. | 220.171 |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 5,8 s | 10,9 s |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h | 185 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 23,2 l | 7,8 l |
Grundpreis (Jahr) | 375.492 Euro (2006) | 16.200 Euro (2009) |
Classic Cars 07/2023 | Maybach 62S | Smart ForTwo |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 12/3; Biturbo | 3/4; Turbo |
Hubraum | 5980 cm³ | 999 cm³ |
Leistung | 450 kW/612 PS | 62 kW/84 PS |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 1000 Nm bei 2000–4000/min | 120 Nm bei 3250/min |
Getriebe/Antrieb | 5-Stufen-Automatik/Hinterrad | 5-Gang sequenziell/Hinterrad |
L/B/H | 6165/1980/1573 mm | 2695/1560/1540 mm |
Leergewicht | 2855 kg | 770 kg |
Bauzeit | 2006–2013 | 2006–2014 |
Stückzahl | 236 | 829.190 |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 5,2 s | 10,9 s |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h | 145 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 24,6 l | 7,2 l |
Grundpreis (Jahr) | 504.832 Euro (2006) | 12.550 Euro (2009) |
Wo kamen sie her, wo sind sie hin? BMW und Mercedes gingen in den 90er/00er-Jahren völlig unterschiedliche Wege, um sich zukunftssicher aufzustellen. Im Rückblick hatten die Bajuwaren das bessere Händchen: Mini und Rolls-Royce waren immer da, hatten ihr Image und ihre Fans. In Stuttgart war man vielleicht zu betriebsblind: Der Name Maybach ist Kennern geläufig, allerdings gab es seit 1941 kein Auto mehr mit diesem Namen. Die Fahrzeuge der Maybach-Manufaktur galten als „aufgeblasene S-Klassen“, nach zehn Jahren war Schluss. Der Smart wurde mit großem Tam-Tam und Glastürmen eingeführt, musste sich aber erst einmal beweisen. Und das war teuer.