Neuwagen-Kauf: Agenturmodell statt Händler-Rabatte Das Ende aller Rabatte?
Immer mehr Hersteller führen ein Agenturmodell ein. Damit bestimmen sie die Verkaufspreise, das Feilschen beim Händler und die Rabatte beim Neuwagenkauf wird es nicht mehr geben.
Tesla hat die Autobranche revolutioniert. Doch nicht der Durchbruch bei der Elektro-Mobilität war die entscheidende Revolution, auch nicht der Bau eines Autos um die Software herum. Die tiefgreifendste Neuerung der Amerikanischen Marke war der Direktvertrieb: Tesla hat bewiesen, dass man Autos auch ohne unabhängige Händler verkaufen kann. Damit legte Elon Musk die Axt an das seit über 100 Jahren etablierte Vertragshändlermodell. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
So viel verdienen Hersteller am Auto im Video:
Agenturmodell gegen Rabattschlachten beim Neuwagen-Kauf
Die Autokonzerne haben sich den Tesla-Vertrieb genau angeschaut und richten nun ihre Händlernetze neu aus. Ihnen missfallen die Rabattschlachten zwischen den Autohäusern schon lange. Das Feilschen soll das sogenannte Agenturmodell beenden. Die Händler sind in dem neuen System nur noch Vermittler, die Preisgestaltung geht auf die Automarken über. Neuwagen kosten überall die gleiche Summe – egal ob im Online-Shop des Herstellers oder bei jedem Händler in Deutschland.
Vertragspartner für die Kundschaft ist direkt der Autoproduzent, nicht mehr der Händler. Dieser bekommt für seine Bemühungen als Verkaufsagent eine vorher vereinbarte Provision von der jeweiligen Marke – ganz im Gegensatz zum bisherigen Vertragshändlermodell, in dem das Autohaus den Neuwagen beim Hersteller erwirbt und dann auf eigene Rechnung weiterverkauft – der Gewinn bleibt hier beim Händler, die Listenpreise der Marken waren bisher nur unverbindliche Preisempfehlungen. Im Agenturmodell arbeitet der Händler dagegen als Dienstleister für eine Provision. Dafür bietet er Beratung und Probefahrten an. Auch die Fahrzeug-Auslieferung und der Service werden von den Kfz-Betrieben als Agenten weiterhin übernommen.
Diese Marken führen das Modell ein
VW verkauft bereits seit 2020 seine ID.-Familie in einem solchen Agenturmodell. Die anderen Konzernmarken sollen mit ihren Elektroautos folgen. Der Stellantis-Konzern mit Marken wie Opel und Peugeot verhandelt aktuell mit seinen Händlern über die Einführung eines solchen Systems. Ford konnte seine Autohäuser bereits davon überzeugen. Mercedes hat sein Verkaufsnetz in Österreich schon auf das Agenturmodell umgestellt, Deutschland soll in diesem Jahr nachziehen. Und BMW plant eine Einführung ab 2026.
Nachteile für Markenhändler
Viele Händler sehen den neuen Vertrieb allerdings kritisch. Er verändert nicht nur dramatisch ihr Geschäftsmodell, sondern rüttelt auch an ihrem Selbstverständnis: Sie werden zu reinen Vermittlern degradiert. Zudem fürchten viele Betriebe eine zu niedrige Agentenprovision und fühlen sich in den Verhandlungen gegenüber den mächtigen Autofirmen im Nachteil. Besonders scharfe Kritiker:innen sehen das Agenturmodell nur als Übergang in einen reinen Online-Direktvertrieb der Hersteller – dann komplett ohne stationäre Händler.
Vorteile für Markenhändler
Doch das neue System bietet auch Vorteile für die Autohäuser. Die Händler müssen ihre Neuwagen nun nicht mehr kaufen, also durch die Bank vorfinanzieren. Für die Bestandsware tragen sie keine wirtschaftliche Verantwortung mehr. Das Risiko, den Markt falsch einzuschätzen, liegt nun beim Hersteller. Auch die ruinösen Rabattschlachten zwischen den Autohäusern ein und derselben Marke fallen weg. Für die Betriebe ist ihre Gewinnmarge nun langfristig kalkulierbar. Zudem trägt jetzt der Hersteller das Restwert-Risiko bei finanzierten oder geleasten Fahrzeugen. Gerade bei den neuen E-Autos ist das oft schwer einzuschätzen. Und bei VW bekommt der von der Kundschaft am Anfang des Verkaufsprozesses genannte Händler auch dann eine Provision, wenn der Neuwagen am Ende direkt über den Online-Shop des Herstellers gekauft wird. Solche Vereinbarungen nehmen den Händlern sogar die Angst vor dem digitalen Vertrieb.
Keine Rabatte beim Autokauf mehr?
Für die Kundschaft heißt das jedoch, dass die im Autohaus ausgehandelten Nachlässe bei mehr und mehr Marken der Vergangenheit angehören. Händler des gleichen Fabrikats lassen sich beim Rabatt-Poker nicht mehr gegeneinander ausspielen. Und das gerade in Zeiten, in denen die Autopreise durch die Decke gehen. Ein schwacher Trost: Künftig weiß die Kundschafft, dass sein Neuwagen überall in Deutschland gleich viel kostet.
Das Feilschen im Autohaus hat ein Ende. Doch das heißt nicht, dass es keine Nachlässe mehr geben wird. Nur bestimmen künftig die Hersteller, wann sie ihre Autos rabattieren wollen. Und das kann schneller kommen, als ihnen lieb ist. Noch arbeiten sie ihre vollen Auftragsbücher ab. Aber schon seit Mitte letzten Jahres registrieren die Händler einbrechende Bestellungen. Mal sehen, wann die ersten Sondermodelle, Spar-Aktionen oder Angebotswochen der Marken starten.