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Die Geschichte des Dieselmotors Von der Erfindung bis zum Dieselskandal

Johannes Riegsinger Autor
Inhalt
  1. Der Mechaniker Rudolf Diesel 
  2. Die Vor- und Nachteile des Dieselmotors
  3. 1970er: Der Dieselmotor während der Ölkrise
  4. Vom Diesel zum Turbodiesel
  5. 1980er: Die goldene Zeit des Selbstzünders
  6. 1990er: Neue Entwicklungen mit Hochdruck
  7. 2000er: Der Einzug des Partikelfilters
  8. 2015: Dieselskandal beendet die Erfolgsgeschichte

Die Geschichte des Dieselmotors beginnt Ende des 19. Jahrhunderts mit den Patenten Rudolf Diesels. Wir geben eine Zusammenfassung der turbulenten Historie des Selbstzünders.

 

Der Mechaniker Rudolf Diesel 

Ende des 19. Jahrhunderts ist das Klima in Europa für polytechnische Erfindungen ganz ausgezeichnet. Heerscharen von deutschen, englischen und französischen Ingenieursleuten fiebern einer rasanten Zukunft entgegen, in der die Materie zum Diener des Menschen werden soll. Sie treiben sich gegenseitig voran, stecken sich an, inspirieren sich. Vordergründig mag es um einen Boom von Physik, Chemie, Mechanik, Thermodynamik gehen, insgeheim liegt die Messlatte aber deutlich höher: Es geht um Wunder wirkende Maschinen, um Deus ex Machina. Heute würde Rudolf Diesel wohl KI-Algorithmen programmieren wollen – 1872 beschließt der damals 14-jährige Student an der Augsburger Königlichen Kreis-Gewerbeschule aber, dass ihn eine Karriere als "Mechaniker" reizt. Die aufstrebenden Ingenieurwissenschaften sind sein Traum, besonders die Vorlesungen des Physikers Carl von Linde faszinieren den jungen Diesel.

Eine Frage treibt Rudolf Diesel um: Wie kann man die den Dingen innewohnende Energie freisetzen und nutzen? Wie sieht die ideale Wärmekraftmaschine aus? Mit seinen 1892 und 1893 eingereichten Patenten schlägt er eine Maschine vor, die mit möglichst hohem Wirkungsgrad in Flüssigkeiten oder Gasen gespeicherte Energie für mechanische Arbeit zur Verfügung stellen kann. Auf dem Weg von der Theorie zur Praxis hat der Erfinder allerdings etliche Rückschläge zu verkraften. Zu Beginn sind seine Maschinen durch eine notwendige Drucklufteinblasung so groß und sperrig, dass sie sich lediglich als Stationäraggregate eignen. Erst als man mit einer Vorkammereinspritzung von Diesels ursprünglichen Theorien abrückt, wird ein erster Dieselmotor in der Praxis überhaupt möglich und später so viel kleiner, dass er sich zuerst für Schiffe und Lastkraftwagen eignet und dann den Weg ins Automobil finden kann. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon

So setzt sich der Spritpreis zusammen (Video):

 
 

Die Vor- und Nachteile des Dieselmotors

Der hohe Wirkungsgrad des Diesels ist eine süße Versuchung für alle Autobauer – die geringe Leistung und ein kerniger Arbeitscharakter sind aber sein großer Nachteil. Und es sind natürlich die ewig sparsamen Menschen aus Schwaben, die nicht anders können als dem höchst effizienten Dieselmotor eine Chance zu geben: 1936 installiert Mercedes-Benz einen 45 PS starken 2,6-Liter-Vierzylinder im Typ W138 – das für den Motor gewählte interne Kürzel "OM" wie "Oel-Maschine" tragen die Dieselmotoren der Marke bis heute. Nur Peugeot nimmt den Dieselmotor ähnlich ernst, die ersten Jahre des Selbstzünders im Automobil werden größtenteils von diesen beiden Marken geprägt. Während man den Dieselantrieb woanders als biedere Technik mit reinem Nutzwert-Charakter sieht, suchen Mercedes und Peugeot immer wieder das Innovationspotenzial des hohen Wirkungsgrads – und stecken damit langsam, aber sicher auch die Wettbewerber an. Langstrecken-Rekorde purzeln auf einmal mit kaltblütigem Diesel-Temperament, es entstehen pfiffige Effizienz-Wunder wie der kleine Peugeot 204 Diesel.

 

1970er: Der Dieselmotor während der Ölkrise

Dann geht plötzlich die Autowelt unter: In den 1970ern haben Autofans zwar kein Verbrenner-Aus zu befürchten, aber die Ölkrise räumt die Autobahnen leer, lässt das Höher-Schneller-Weiter der damaligen Spritfresser innerhalb weniger Monate zum Anachronismus werden. Es kommt wie immer: Druck von außen setzt Kreativität frei. Die Effizienz des Dieselmotors lässt ihn auf einen Schlag als zwingend logische Alternative erscheinen, Ingenieur:innen und Vertriebsexpert:innen, die den Selbstzünder bis dahin als krudes Kuriosum betrachtet haben, entdecken plötzlich sein Potenzial. Den Beginn machen zum Diesel umgebaute Ottomotoren, langsam aber sicher sickern Dieselmotoren in die Modellpaletten der Hersteller, die sich gleichzeitig auch noch mit immer kleineren Autos füllen. Ein späterer Millionenseller namens VW Golf Diesel ist also eher nicht das Ergebnis klug zu Ende gedachter Technologieoffenheit, sondern vielmehr ein pragmatisches Kind von Absatz- und Ölkrise.

 

Vom Diesel zum Turbodiesel

Die Glanzlichter am aufsteigenden Stern des Dieselmotors setzen aber nach wie vor Peugeot und Mercedes-Benz: Unter der Regie des Porsche-Enkels, Ingenieurs und späteren Volkswagen-Chefs Ferdinand Piëch entwickelt man bei Mercedes den OM 617, einen weich laufenden und kraftvoll antretenden Fünfzylinder-Dieselmotor, der es bis in die S-Klasse W116 schafft, im eigentlich für den Wankelmotor gedachten Experimentalfahrzeug C 111 Rekorde sammelt und mit Turbolader-Update künftige Turbodiesel-Großtaten ahnen lässt. Da Mercedes den Turbodiesel aber zuerst in den USA anbietet, geht die Trophäe für den ersten in Europa angebotenen Turbodiesel-Pkw an den 95 PS starken Peugeot 604 D Turbo.

All das lässt aber immer noch die sportliche Beinarbeit und den seidigen Lauf eines Benzinmotors vermissen – kein Wunder, dass sich der Mercedes-Rivale BMW nur schleppend ans heiße Eisen Diesel herantraut. Zu Beginn der 1980er-Jahre ist diese Zurückhaltung allerdings vorbei, BMW fasst sich ein Herz – und justiert mit dem 2,5-Liter-Reihensechszylinder-Turbodiesel vom Typ M21 die Koordinaten des Diesel-Universums vollkommen neu. Plötzlich ist völlig augenscheinlich klar, dass Dieselmotoren nicht nur Wirkungsgrad können, sondern auch Wirkung zeigen: Laufkultur, Leistung, Spritzigkeit. Da dieselbe Maschine als Saugmotor zu den eher zögerlichen Exemplaren seiner Sorte gehört, darf im direkten Vergleich nun endgültig als zementiert gelten, dass ein Diesel erst mit Turbolader ganz in seiner Mitte ist. Der Startschuss zum großen Experimentieren mit dem Diesel-Pkw ist gefallen, bei den Ingenieur:innen gehört das einstige Nutzwert-Aggregat auf einmal zur größten Herausforderung.

 

1980er: Die goldene Zeit des Selbstzünders

Im VW Golf GTD von 1983 gibt die Kompaktklasse kernig dieselnd Gas, der Fiat Croma 1.9 TD i.d. rückt die wiederbelebte Direkteinspritzung zurück in den Fokus der Entwickelnden – und die Marke Fiat gehört mit ihm auf einmal zu den Top-Adressen des Diesel-Know-hows. 1988 versucht sich Volkswagen an früher Avantgarde und schubst einen Zweizylinder-Diesel im VW Polo per G-Lader in Richtung Hocheffizienz – der aufwendig gestrickte "Öko-Polo" bleibt aber im Versuchsstadium. Den Titel des sparsamsten Großserienfahrzeugs holt sich dagegen ab 1989 für einige Jahre ganz pragmatisch der nur 640 Kilogramm leichte Citroën AX Diesel. Manchmal ist einfacher eben auch klüger. Aber eben auch nur manchmal. Mit dem Audi 100 von 1989 legt die bis dahin eher konservativen Werten verschriebene Marke aus Ingolstadt gewaltig vor: Aerodynamik-Weltmeister, quattro-Allradantrieb – und zum ersten Mal ein Typkürzel am Heckdeckel, das von da an Industrie-Geschichte schreiben soll: TDI.

Während in Deutschland und Europa nun endgültig die Diesel-Welle rollt, hat die Wärmekraftmaschine des Erfinders Rudolf Diesel aber auch in den USA eine "kleine" Nebenerwerbs-Karriere gefunden: Im Hummer H1, diesem auch zivil verkauften Militär-Ungetüm, fuhrwerken bis zu 6,6 Liter große V8-Turbodiesel mit bis zu 300 PS, und Fords "Powerstroke"-Maschine schafft es im F-350-Pick-up gar auf üppige 7,3 Liter Hubraum. Zum Ende des Jahrzehnts legen europäische Automobilhersteller aber wieder neue Ideen vor, die in der Diesel-Geschichte ganz neue Kapitel schreiben.

 

1990er: Neue Entwicklungen mit Hochdruck

Wieder einmal geht es ums altbekannte Schlüsselthema des Dieselmotors: die Art, wie Kraftstoff und Luft unter möglichst hohem Druck in die Brennräume befördert werden können. Nachdem mit dem Turbolader genügend Sauerstoff verfügbar ist, muss nun die Kraftstoff-Versorgung nachziehen: 1997 stellen Fiat im Alfa Romeo 156 JTD und Mercedes im C 220 CDI das vollkommen neue Common-Rail-System vor, bei dem eine Pumpe getrennt vom eigentlichen Einspritzvorgang den Kraftstoff in einem Rohrleitungssystem unter Druck setzt und so eine präzise, kennfeldgesteuerte Einspritzung ermöglicht. 1998 gibt Volkswagen im Passat B5 dann eine eigene Antwort auf dieselbe Herausforderung: Mit der "Pumpe-Düse"-Einspritzung bekommt hier jeder Zylinder seine eigene, elektronisch geregelte Einheit zur Hochdruckerzeugung.

Rund um den ungemein beliebten Dieselmotor bricht nun eine regelrechte Goldgräberstimmung aus. Mit dem Dreiliter-Lupo reanimiert Volkswagen 1999 die reichlich verkopfte Idee des Öko-Polo, hat inzwischen aber genug Geld in der Kriegskasse, um sich dieses Ingenieurs-intellektuelle Abenteuer auch leisten zu können. 2003 adelt das Mercedes C 30 CDI AMG Sport-Coupé den Dieselantrieb, ein Jahr später gehört der 800-Kubikzentimeter-Winzling im Smart CDI zu den kleinsten und sparsamsten Dieselmotoren. Selbst im noblen Cabrio-Segment macht sich der Diesel breit.

 

2000er: Der Einzug des Partikelfilters

Erst als Peugeot 2000 im 607 den ersten Partikelfilter in Serie bringt und so auf das nur aufwendig zu kontrollierende Abgas des Dieselmotors aufmerksam macht, ist die Szene sauer. Es dauert aber nicht lange, bis Partikelfilter überall zum guten Ton gehören, die Diesel-Geschichte wird immer vielfältiger: 2008 rollt mit dem Audi Q7 und seinem V12-TDI die Ära der luxuriösen Groß-Diesel an, im selben Jahr meldet sich aber auch Subaru im Forester mit dem ersten Diesel-Boxer zu Wort – eine Überraschung aus dem notorisch Diesel-scheuen Japan. Während die TDI-Rennwagen von Audi über ein Jahrzehnt den Langstreckensport bestimmen, legt VW 2014 mit dem XL1 die Kleinserie eines Einliter-Autos vor – der Traum vom ultraeffizienten Diesel-Wunder scheint immer noch zu leben.

 

2015: Dieselskandal beendet die Erfolgsgeschichte

Dann bricht im Herbst 2015 alles zusammen. Alle Indizien weisen darauf hin, dass viele Automobilhersteller die Abgaswerte ihrer Diesel-Pkw mit illegalen Mitteln geschönt und manipuliert haben – vornweg der Volkswagen-Konzern. Millionenstrafen müssen gezahlt werden, Gerichtsverfahren sind bis heute anhängig. Am Schlimmsten ist aber, dass das Vertrauen der Kundschaft in die Hersteller und in den modernen Dieselmotor nachhaltig beschädigt wird. Der "Dieselskandal" ist für die Geschichte des Diesels eine Zäsur. Dass er hocheffizient und sauber den Übergang in eine elektromobile Zukunft hätte gestalten können, fällt aus. Einfach so. Bereits in den Schubladen liegende Über-Motoren wie zum Beispiel der 2016 im Audi SQ7 vorgestellte Power-Diesel mit elektrischem Verdichter oder der BMW M550d von 2017 mit vier Turboladern sind die letzten glamourösen Vertreter vieler Diesel-verrückter Jahrzehnte.

110 Jahre zuvor, im Herbst 1913, geht ein überarbeiteter, zweifelnder Rudolf Diesel unter ungeklärten Umständen über Bord einer Fähre zwischen Antwerpen und Harwich, Selbstmord kann nicht ausgeschlossen werden. Dass die von ihm entdeckte und hocheffiziente Maschine über so viele Jahre hinweg Industriegeschichte schreiben sollte, war für ihn vermutlich in keinem noch so kühnen Traum zu erahnen.

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