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Alle Tests zum Hongqi E-HS9

Neuer Hongqi E-HS9 (2024): Testfahrt im Mercedes-Gegner

Premium ist bloß der Anfang

Guntram Fiala Produkttest-Redakteur
Inhalt
  1. Neuer Hongqi E-HS9 (2024): Ein Rolls aus China?
  2. Der Teufel steckt im Detail
  3. Der Hongqi E-HS9 (2024) spielt die Komfort-Karte
  4. Testfahrt: Raumkapsel-Atmosphäre fürs komfortable Gleiten
  5. Ladeerfahrung: Nicht schnell genug für die Langstrecke
  6. Technische Daten des neuen Hongqi E-HS9 (2024)
  7. Fazit

Wenn es um Elektromobilität geht, möchten sich die chinesischen Hersteller nicht in die Billignische abschieben lassen. Im Gegenteil. Der neue Hongqi E-HS9 (2024) demonstriert bei der ersten Testfahrt, wie sich Luxus aus dem Reich der Mitte anfühlt.

 

Neuer Hongqi E-HS9 (2024): Ein Rolls aus China?

Am europäisch dominierten Premiumsegment beißen sich Newcomer gern die Zähne aus. Viele mehr oder minder ernsthafte Versuche, sich in dieser renditeträchtigen Nische zu etablieren, sind gescheitert. Wer erinnert sich noch an Infiniti oder gar Xedos? Allein Lexus und Tesla haben Mercedes & Co ein paar Beulen in die Verkaufsstatistik fahren können. Und dazu brachten sie handfeste technische Neuerungen mit. Innovative Hybride, im ersten Fall, begehrenswerte E-Autos in letzterem. Nun also Hongqi. Schon die Sprachbarriere erscheint für die Marke, ausgesprochen Hong-Chi, eher hoch. Aber Hongqi ist nicht irgendein chinesisches Auto-Start-up. Die Marke baut seit 1958 Autos und zählt zum Staatskonzern FAW, der auch durch Partnerschaften mit VW und Toyota zum globalen Player aufgestiegen ist. Hongqi krönt das Markenportfolio mit ausladenden Staatslimousinen und zunehmend elektrischen SUV, mit dem neuen Hongqi E-HS9 (2024) als Bannerträger für die Expansion in den Westen.

Nach dem ersten Abtasten in Norwegen und den Benelux-Staaten rollt der neue Hongqi E-HS9 (2024) nun auch nach Deutschland. Ein Projekt, gegen das die geplante chinesische Mondlandung fast schon anmutet wie Kinderkram. Stratosphärisch sind auch die Referenzen: Unter Rolls-Royce tut es das Marketing nicht. Von der britischen Marke wurde eigens der Chefdesigner abgeworben, der dem E-HS9 einen formatfüllenden Chromgrill angedeihen ließ. Allerdings kostet der chinesische Rolls nur 79.995 Euro (Stand: April 2024) und kommt ohne lange Aufpreisliste aus. Auch verglichen mit den Mercedes EQS SUV und Tesla Model X ist der Fullsize-SUV aus dem wilden Osten fast schon volkstümlich eingepreist. Deshalb macht die Möglichkeit zur ersten Testfahrt gleich doppelt neugierig!
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Leslie & Cars auf der Auto China (2024) im Video:

 
 

Der Teufel steckt im Detail

So oder so: Wer immer in den neuen Hongqi E-HS9 (2024) einsteigt, steigt damit sozial und ganz real auf. Nur gekrönte Häupter und Zylinderträger werden die Rolls-untypisch niedrige Dachhöhe bemängeln. Die von uns gefahrene Version Premium markiert nur den Einstieg, überspannt die sieben Plätze – die Exclusive-Versionen haben sechs Sitze – dennoch serienmäßig mit fein verarbeitetem Alcantara und Kunstleder. Das fühlt sich gut an und riecht definitiv nicht wie zerbrechliche Chinaware. Der Armaturenträger gefällt mit niedriger Bauhöhe und verbreitet trotz der vielen Pixel seiner insgesamt vier Bildschirme, drei davon mit taktiler Oberfläche, keine Büroatmosphäre. Die Serienausstattung ist weitgehend komplett. Allerdings fehlen selbst auf der Optionsliste Sachen, die in dieser Klasse eigentlich als gesetzt gelten, wie etwa die kabellose Einbindung von Smartphones oder ein Head-up-Display.

Im Detail missfallen bei der ersten Testfahrt auch Premium-inkompatible Nachlässigkeiten. Seien es die undefiniert wirkenden Rollrädchen im Lenkrad, der in Hartplastik gehaltene untere Teil der Türtafel, die Verkleidung der B-Säule, oder die kratzempfindlichen Innereien der verdeckten Außengriffe – manche Materialien verfehlen den europäischen Gold-Standard. Zumindest den der Luxusklasse. Nullfugen-Fetischisten rümpfen auch beim Betasten der 5,21 m langen Blechburg die Nase. Trotzdem: Für die automobile Produktion Chinas markiert der E-HS9 einen neuen, bemerkenswerten Höhepunkt.

 

Der Hongqi E-HS9 (2024) spielt die Komfort-Karte

Die drei Mittelpassagier:innen lümmeln auf einer verschiebbaren und mit verstellbaren Lehnen versehenen, zu 1/3-2/3 geteilten Bank und können nur über die etwas flache Sitzfläche klagen. Entschädigt werden sie von der lichtdurchfluteten Atmosphäre (Panorama-Glasdach), zahlreichen Stromanschlüssen an Bord, darunter auch eine 220-V-Steckdose (aber kein USB-C) und dem Kardantunnel-losen Raumgefühl. Schwieriger gestaltet sich der Zugang zum dritten Rang. Auch wegen des eingeschränkten Fußraums eignen sich diese Plätze eher für Kinder. In der siebensitzigen Konstellation schrumpft zudem der Kofferraum, der ansonsten sehr lang ist, auf 255 l. Da ist es tröstlich, dass sich die elektrisch auf- und umklappbaren Rückenlehnen auch als Entladerutsche für abgelegenes Gepäck missbrauchen lassen. Zudem bietet Hongqi gegen Aufpreis einen 75 l fassenden Frunk an. Schon vor der ersten Testfahrt wird klar: Der neue Hongqi E-HS9 (2024) spielt gekonnt die Komfort-Karte.

Die Konkurrenten:

 

Testfahrt: Raumkapsel-Atmosphäre fürs komfortable Gleiten

Beim Anfahren bestätigt sich dieser Eindruck. Trotz seiner großen 21-Zöller und auch ohne die Luftfederung, die den Exclusive-Varianten vorbehalten bleibt, rollt der neue Hongqi E-HS9 (2024) angenehm ab. Die niedrige Geräuschkulisse stellt schnell eine Raumkapsel-Atmosphäre her, ohne dass der Stromer in Kurven übertrieben wanken würde. Die sehr schwach ausgeprägte, nicht regelbare Bremsrekuperation verstärkt die Impression zu gleiten. Wozu auch die tadellose Bremsdosierung  beiträgt. Zum Kurvenkratzen ist der E-HS9 nicht gemacht. Dennoch gibt es an seinem Handling nicht viel zu bekritteln: Allein die stark unterstützte Lenkung filtert mitsamt unliebsamen Stößen auch die Rückmeldung, die es braucht, um die Haftgrenze zu ertasten.

Leistung gibt es zur Genüge. Die beiden permanenterregten E-Maschinen reichen nahezu lautlos bis zu 405 kW (551 PS) an alle Viere weiter. So braucht es weder Batterievorwärmung noch Launch-Mode, um beim Ampelstart flott aus den Puschen zu kommen. Auch auf der linken Spur legt der E-HS9 zu wie ein ICE, der vor dem nächsten Bahnstreik noch schnell ins heimische Depot will. Die Windgeräusche sind auch bei 170 km/h gut gefiltert, man kann sich unterhalten, ohne die Stimme zu erheben. Doch, Obacht: Der Expresszuschlag fällt ausgesprochen üppig aus. Schwingt sich der 2,7-Tonner über die Richtgeschwindigkeit, schmilzt die Reichweite, offiziell mit 465 km im Zyklus WLTP angegeben, wie Butter im Hochofen. Selbst bei zivilem Tempo bleibt der Elektronendurst beträchtlich. Mit den 99 kWh (brutto) seiner Lithium-Ionen-Batterie kämen seine westlichen Konkurrenten jedenfalls deutlich weiter.

 

Ladeerfahrung: Nicht schnell genug für die Langstrecke

Wenn das Fernreisetalent das Produkt aus Komfort, Verbrauch, Batteriekapazität und Schnelllade-Tauglichkeit ist, hat der neue Hongqi E-HS9 (2024) zwei Handicap-Variablen in der Gleichung. Mit seiner großen Stirnfläche und einem Luftwiderstandsbeiwert von 0,35 durchschneidet er die Luft so geschmeidig wie ein Londoner Doppeldeckerbus. Daher steigt sein Verbrauch bei hoher Geschwindigkeit überproportional an. Bei unserer ersten Testfahrt lag der angezeigte Momentanverbrauch fast nie unter 30 kWh auf 100 km. Flotte Autobahnetappen werden so zur schweißtreibenden Rechnerei: Halten wir das Tempo bis zur Ladesäule oder müssen wir doch die Klimaanlage ausschalten und im Lkw-Windschatten segeln?

Wenn es bis zur Ladestation reicht, kommt die nächste Enttäuschung. Die Gleichstromaufnahme geht nicht über eine Leistung von 140 kW hinaus, an Wechselstrom-Wallboxen saugt der Chinese mit maximal 11 kW, während die Konkurrenz nahe an den doppelten Werten liegt. Im Stand ist der E-HS9 damit schlicht nicht schnell genug für Langstrecken. Ein klarer Widerspruch zu seiner komfortbetonten Orientierung, die zu langen Reisen geradezu einlädt. Ob die Version Exclusive Long Range, die mit einem 120 kWh großen Akku aufwartet, das merklich besser kann, bleibt abzuwarten.

 

Technische Daten des neuen Hongqi E-HS9 (2024)

 Hongqi E-HS9 Premium
Technische Daten
Motoren2 permanenterregte Synchronmaschinen
AntriebKonstantübersetzung; Allrad
Systemleistung405 kW/551 PS
Systemdrehmoment750 Nm
Kapazität/Spannung90 kWh (netto)/400 V
Karosserie
Außenmaße (L/B/H)5209/2010*/1731 mm
Leergewicht/Zuladung2735/470 kg
Kofferraumvolumen255-1814 l
Fahrleistungen
Beschleunigung (0-100 km/h)4,9 s
Höchstgeschwindigkeit200 km/h
Verbrauch auf 100 kmk. A.
Reichweite465 km
Kaufinformationen
Grundpreis79.995 €
MarktstartSommer 2024
Alle Daten Werksangaben; *Breite mit Außenspiegel

 
Guntram Fiala Guntram Fiala
Unser Fazit

Es erscheint höchst unwahrscheinlich, dass der neue Hongqi E-HS9 für fast 80.000 Euro den europäischen Markt für elektrische Luxus-SUV aufrollt. Dafür ist die hiesige Kundschaft wohl zu markenbewusst und konservativ, der Newcomer auch nicht Langstrecken-tauglich genug. Aber der E-HS9 ist ja auch bloß ein Vorgeschmack auf das, was bald aus China kommen wird: nicht nur preislich, sondern auch technisch konkurrenzfähige E-Autos aller Couleur, Gewichts- und Größenklassen. Und, ja, eben auch in der Luxusklasse, die die deutschen Hersteller nicht mehr exklusiv gepachtet haben.

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