Autos als Design-Kuckuckseier: Top-10
Der 406 ist eigentlich ein Fiat
Audi quattro Quartz
Unter dem Namen "Audi Quartz" präsentierte die Marke mit den vier Ringen zusammen mit der Carozzeria Pininfarina anno 1981 ein schnittiges Coupé auf Basis des ein Jahr zuvor vorgestellten Audi quattro. Der keilförmige Zweitürer sollte ansprechend vermitteln, wie Kunststoffe künftig als Karosseriebestandteil genutzt werden können. Eine Serienproduktion war indes nie geplant, was in Anbetracht des Audi-untypischen Designs nicht weiter verwundert.
Foto: Audi
Alfa Romeo GTV
Gut zehn Jahre später holte Pininfarina die Audi-Studie für einen Auftrag von Alfa Romeo wieder aus den Katakomben. Der 1994 eingeführte GTV besaß nicht nur verblüffend ähnliche Rundscheinwerfer über einer horizontalen Sicke vorne, sondern auch das knackige Stummelheck und die durch eine Kante in zwei Abschnitte unterteilte Flanke. Nur mit dem Unterschied, dass letztere Kante in Richtung Kofferraum verlief und den Alfa damit noch keilförmiger wirken ließ. Auch die große, über die Kotflügel reichende Motorhaube übernahm der GTV. Sie bestand – Sie können es sich denken – aus Kunststoff...
Foto: Alfa Romeo
Opel CD
Kaum zu glauben, aber dieses Konzeptauto entstand 1969 im Opel Designstudio in Rüsselsheim. Dabei erinnert die rote Flunder mit der Glaskanzel eher an ein Hot-Wheels-Modell als an den Technikspender Opel Diplomat V8. Eigentlich sollte der CD lediglich zum Träumen anregen und den IAA-Messestand von Opel mit Leben füllen. Wegen der äußerst positiven Resonanz schickte man dann aber tatsächlich einen Auftrag zum Karosseriebetrieb Frua, der die Serienreife unter dem Namen "Strada" vorbereiten sollte. Aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit schlief das Projekt ein, bis sich ein gewisser Erich Bitter bei Opel meldete und das Projekt zu neuem Leben erweckte.
Foto: Thomas von Salomon
Bitter CD
Opel erlaubte Bitter, den CD in Eigenregie und mit Opel-Technik zu bauen. Das Ergebnis war der Bitter CD, der bei Baur in Stuttgart vom Band lief. In beeindruckender Manier kombinierte der GT das italo-amerikanische Styling mit edler Ausstattung und dem 230 PS (169 kW) starken Diplomat-V8. Allerdings hätte sich Erich Bitter kaum einen schlechteren Zeitpunkt für die Premiere aussuchen können: Auf der IAA 1973 herrschten in der gesamten Industrie Existenzängste wegen der Ölkrise. Dennoch entstanden bis 1979 immerhin 395 Fahrzeuge, bis der CD vom Bitter SC abgelöst wurde.
Foto: Thomas von Salomon
Italdesign Jaguar Kensington
1990 schlug Italdesign unter der Leitung von Giorgio Giugiaro Jaguar einen völlig neuen Look für den beinahe schon antik wirkenden Jaguar XJ vor. Die Studie fußte auf der Technik des XJ12 und beamte die Luxuslimousine mit fließenden Formen in die Gegenwart. Obowhl die Brit:innen nur zwei Jahre später mit dem Supersportwagen XJ220 eine neue Formensprache einführten, entschieden sie sich gegen eine Neueinkleidung des XJ und bauten das klassische Design noch bis 2009 weiter.
Foto: Italdesign
Daewoo Leganza
Die koreanische Marke Daewoo rief scheinbar genau zur richtigen Zeit bei Italdesign an, denn für ihre Limousine wurde das Kensington-Design einfach auf die Mittelklasse eingedampft und mit einer unscheinbaren Frontpartie versehen. Dass statt eines Zwölfzylinders nur vier Töpfe für Vortrieb sorgten und auch der Komfort nicht wegweisend ausfiel, störte die Kundschaft nicht. Als preiswerte Alternative zum VW Passat machte der Daewoo zumindest optisch keinen schlechten Eindruck.
Foto: Daewoo
Ogle SX250
Nicht schlimm, wenn Sie noch nie etwas von Ogle gehört haben oder vom Daimler SP 250, auf dessen Basis das Coupé stand. Das holen wir jetzt einfach kurz nach: Stylist David Ogle entwarf auf Basis britischer Modelle exklusive Designerstücke, die sich allerdings nicht sonderlich gut verkauften. Auf Wunsch eines Kunden zimmerte er eine Coupé-Karosserie auf den Roadster SP 250 und taufte seine Schöpfung Ogle SX250. Als diese 1962 auf einer Messe präsentiert wurde, war Ogle bereits bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Seine Hinterlassenschaft beeindruckte die Branche so sehr, dass ein regelrechter Wettkampf darum entbrannte, wer sich die Rechte zur Serienfertigung sichern dürfe.
Foto: Ogle
Reliant Scimitar
Reliant – Experte für dreirädrige Fahrzeuge – konnte Jaguar überbieten und formte aus dem SX250 1964 den Reliant Scimitar. Statt des Daimler-V8 werkelte nun ein Reihensechszylinder unter der Haube, während die Karosserie weitgehend unverändert blieb. Nicht zuletzt das elegante Styling wurde stets gelobt und verhalf dem Scimitar zu einer respektablen Stückzahl von etwa 1000 Autos bis 1970. Für den Nachfolger namens Reliant Scimitar GTE zeichnete übrigens wieder David Ogles ehemalige Firma Ogle Design verantwortlich. Das Modell sollte als Vorreiter der Shooting Brake-Form in die Geschichtsbücher eingehen.
Foto: Imago
VW Fox SUV
Die geheime Studie eines VW Fox SUV kam erst 2022 ans Tageslicht – und mit ihr eine verblüffende Design-Parallele, die einfach kein Zufall sein kann. Auf Basis des Kleinstwagens Fox kreierte die Designabteilung von VW ein lifestyliges SUV mit betonten Radhäusern, einem geradlinigen Aufbau und gefälliem Heck samt aufrecht stehender Leuchten. Designchef bei Volkswagen war zu dieser Zeit Peter Schreyer, der 2006 zu Kia wechselte und dort eine völlig neue Formensprache erdenken sollte.
Foto: Luiz Veiga
Kia Soul
Schreyers erstes Serienauto bei den Koreaner:innen: Der Kia Soul trug erstmals die sogennante "Tiger Nose", doch nicht nur das. Die Silhouette erinnert aus jedem Winkel an das VW Fox SUV, allerdings mit weniger raubeinigen SUV-Elementen und dafür mehr urbanem Chic. Die Praxistauglichkeit dürfte im Vergleich zum VW eher gelitten haben. Dafür gab es dann immerhin den Skoda Yeti, der letztendlich aus dem Fox SUV-Entwurf auf Seiten des VW-Konzerns entstand.
Foto: Kia
Jaguar Project XX
Einige können sich sicherlich schon denken, was aus diesem Entwurf geworden ist. Doch erstmal die Vorgeschichte: Seit der Ablösung des E-Type durch den deutlich größeren wie komfortableren XJ-S klaffte im Sportwagensortiment von Jaguar eine Lücke. Bereits in den 70er-Jahren arbeitete man unermüdlich daran, diese mit einem F-Type, quasi einem echten Nachfolger des E-Type, zu schließen. Einer dieser Versuche nannte sich Jaguar Project XX und kam vom späteren Chefdesigner Ian Callum Anfang der 90er. Den Verantwortlichen bei Jaguar war der Vorschlag jedoch zu weit entfernt vom Markendesign, weshalb man ablehnte.
Foto: Jaguar/Drivingandlife
Aston Martin DB7
Bei Aston Martin wiederum passte der Entwurf perfekt, um eine neue Ära einzuleiten. Genau wie Jaguar gehörte die Firma aus Gaydon damals zum Ford-Konzern, sodass sich das Konzept problemlos übertragen ließ. Gestalterisch reichte es schon beinahe, den Markengrill und die etwas geradlinigere Flanke anzubringen. Der Aston Martin DB7 basierte dann auch auf der Bodengruppe des Jaguar XJ-S, was Kosten sparte und ihn mit 6000 gebauten Exemplaren zum bislang erfolgreichsten Aston machte. Ian Callum wiederum musste noch bis 2013 warten, bis er endlich den lang ersehnten F-Type zeichnen durfte.
Foto: Aston Martin
NSU K 70
Zu den bekannteren und tragischsten Kuckuckseiern der Geschichte gehört zweifelsfrei der K 70. Die Mittelklasse sollte 1969 unterhalb des NSU Ro 80 debütieren und sowohl als Stufen-, Fließheck und Kombi produziert werden. Sogar eine Version mit Wankelmotor wie beim Ro 80 sollte folgen. Kurz vor der angesetzten Premiere allerdings übernahm die VW-Tochter Audi die Marke aus Neckarsulm und cancelte den K70. Er sollte nie als NSU auf den Markt kommen, tatsächlich verschwand mit dem Ende des Ro 80 1977 die gesamte Marke.
Foto: Audi
VW K 70
Mit geringen Änderungen schlug stattdessen VW zu und vermarktete den Viertürer unter eigenem Namen. Das Problem: Das fortschrittliche Konzept mit wassergekühltem Frontmotor passte nicht zur klassischen Klientel mit ihren angestaubten Heckmotor-Volkswagen. Der K 70 geriet ins Hintertreffen, während weitere Karosserieformen aus modellpolitischen Gründen verworfen wurden. Als dann 1973 der Passat als echter VW und direkter Konkurrent startete, waren die Tage des K 70 endgültig gezählt.
Foto: Wim Woeber
Coupé Fiat Concept
Nein, wir haben uns nicht vertan: Das Foto zeigt tatsächlich einen frühen Design-Entwurf für das Coupé Fiat, welches ab 1994 als eine Art Mini-Ferrari zum bis heute stärksten und schnellsten Fiat avancierte. In Turin beauftragte man parallel Pininfarina und das hauseigene Centro Stile mit einem Coupé-Vorschlag. Den Zuschlag bekam erst die geschwungene Silhouette von Pininfarina. Doch dann wechselte die Konzernspitze und mit ihr die Meinung: Plötzlich wollte man mit Chefdesigner Chris Bangles Zeichnung polarisieren – und brachte das Coupé wie wir es heute kennen in Serie. Die Gestaltung des Innenraums sowie die Fertigung lag dennoch in der Hand von Pininfarina.
Foto: Fiat/Nick Ian
Peugeot 406 Coupé
Kurioserweise entstand ab 1997 auch parallel das Peugeot 406 Coupé beim italienischen Karossier. Man hatte den ursprünglichen Fiat-Entwurf einfach weiterentwickelt und mit Stammkunde Peugeot einen dankbaren Abnehmer gefunden. Die stilsichere Formensprache passte sich perfekt in das Design der französischen Marke ein und verlieh der gesamten Baureihe Glanz. Und mit 107.633 Exemplaren überflügelte der zweitürige 406 auch den 72.698 Mal gebauten Fiat.
Foto: AUTO ZEITUNG
Mercedes C111
Möglicherweise ist der Mercedes C111 das berühmteste Auto, das nie in Produktion ging. Der Flügeltürer glänzte 1969 mit Wankelmotor und Keilform als Vorbote der Zukunft. Er tauchte jahrelang immer wieder auf Messen und Hochgeschwindigkeitstests auf, ohne je einen der vielen angebotenen Blankochecks der möglichen Kundschaft anzunehmen. Bis heute zeigt sich das Mercedes-Museum mit der orangenen Flunder eifrig auf jeder Rallye und Veranstaltung, sodass der Glanz des C111 ungebrochen bleibt.
Foto: Mercedes
Isdera Imperator 108i
Nur wenige Kilometer von den Mercedes-Werkshallen entfernt versuchte sich Isdera daran, die legendäre Studie in ein Kleinserienmodell zu verwandeln. Blieb das Erstlingswerk CW 311 noch ein Einzelstück, gelang der Firma des ehemaligen Porsche-Entwicklers Eberhard Schulz mit dem Isdera Imperator 108i 1983 der Durchbruch – und das sogar optional mit Mercedes-Stern. Bis 2001 entstanden 30 Exemplare des kuriosen Supersportwagens, der bis heute Autofans verwirrt: "Ist das jetzt ein Mercedes oder nicht?" Tatsächlich setzt der Imperator unter seiner atemberaubenden Hülle auf Mercedes-Technik mit 235 bis 409 PS (173 bis 301 kW).
Foto: AUTO ZEITUNG
Pininfarina BMC 1800
Was auf den ersten Blick aussieht wie ein hässliches Entlein mit eigenartig hochaufragendem Greenhouse und spitzer Front, entpuppt sich auf den zweiten als wegweisendes Konzept. Der Pininfarina BMC 1800 stammt nämlich aus dem Jahre 1967 und nimmt damit die vielen stromlinienförmigen Limousinen der 70er wie den Citroën CX oder Rover SD1 um etwa zehn Jahre vorweg. Der BMC 1800 gehörte mit quer eingebautem Frontmotor zu den fortschrittlichsten Autos seiner Klasse, verdiente sich wegen seines gewöhnungsbedürftigen Stylings aber schnell den Spitznamen "Landcrab" (deutsch: Landkrabbe). Leider war die BMC-Chefetage nicht mutig genug, den Pininfarina-Entwurf in Serie zu bauen.
Foto: Pininfarina
Lancia Gamma
Die Studie reifte stattdessen ein paar Jahre in den Pininfarina-Schubladen, bis sie bei Lancia Verwendung fand. Die Grundkonzeption blieb beim 1976 präsentierten Gamma Berlina die Gleiche, erhielt aber deutliche Verschönerungen. Während sich der vordere Überhang dank einer klassischen Frontmaske verkleinerte, wuchs die Karosserie hinten in die Länge. Die betont breite C-Säule siedelte sich nun etwas weiter hinten an der D-Säule an. Allerdings war die Fließheckform mittlerweile so weit verbreitet, dass sich kaum noch jemand nach dem Lancia umdrehte. Nur gut 15.000 Exemplare liefen bis 1984 vom Band.
Foto: Lancia
Nicht immer gehen Automodelle bei der Marke in Serie, bei der sie auch konzipiert wurden – manchmal landen Entwürfe über Umwege sogar bei einem gänzlich anderen Konzern. Unsere Top-10 listet auf, wann Autos zu Design-Kuckuckseiern wurden und wie es dazu kam!
Für unsere Top-10 der Autos als Design-Kuckuckseier müssen wir etwas weiter ausholen. Denn während die Eier des Kuckucks gegen den Willen anderer Vogelarten im eigenen Nest landen, handelt es sich bei Autoherstellern und den meist zugekauften Designs um bewusste Entscheidungen. Ein Kuckuck auf Bestellung sozusagen. Den Vogel schießen unsere hier gezeigten Automodelle ab, weil sie nicht bei der Marke realisiert wurden, für die sie eigentlich gedacht waren. Das kann viele Gründe haben: Besonders im letzten Jahrhundert arbeiteten Autohersteller eng und häufig mit Designfirmen wie Pininfarina oder Italdesign zusammen, welche die Marken mit Entwürfen belieferten. Passte der Chefetage der Vorschlag nicht, wurde er manchmal einfach mit ein paar Jahren Verzögerung der nächsten Marke unterbreitet. Mal traut sich eine Marke auch nicht, mutige Designs zu bauen, die dann ebenso mutige Kleinbetriebe auf die Räder stellen. Und manchmal führen (personal-)politische Entscheidungen dazu, dass selbst Markenhändler nicht mehr genau wissen, was sie da eigentlich für ein Auto im Showroom stehen haben. Neugierig geworden? Dann wünschen wir viel Spaß beim Stöbern in der Bildergalerie! Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Das Design des VW T7 (2021) im Video:
Top-10 der Autos als Design-Kuckuckseier