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Geht auch ganz einfach:

Die Geschichte des Boxermotors: So wurde er zur Legende!

Das Boxer-Herz

Jürgen Voigt Geschäftsführender Redakteur Test & Technik
Inhalt
  1. Carl Benz, der Erfinder des Boxermotors
  2. Die Geschichte & Funktionsweise
  3. Der Boxer im 911 startete mit 130 PS (96 kW) – heute sind es bis zu 650 PS (478 kW)
  4. Der VW Käfer und die ersten Porsche waren enge Verwandte
  5. Subaru ist erfolgreichster Boxermotor-Produzent

Nur wenige Hersteller wie Porsche und Subaru schwören auf den im Aufbau etwas sonderbaren Boxermotor mit den gegenläufigen Kolben. Und alles begann – mal wieder – in der Werkstatt eines gewissen Carl Benz.

 

Carl Benz, der Erfinder des Boxermotors

Wenn der Motor das Herz des Autos ist, dann ist der Boxermotor das Herz eines Kämpfers. Wie die Fäuste im namensgebenden Boxkampf rasen hier die gegenüberliegenden Kolben ständig aufeinander zu und entfernen sich auch genauso schnell wieder voneinander. Ausgedacht hat sich diesen Aufbau der Auto-Erfinder schlechthin. Da Carl Benz ein Mann der Tat war, setzte er bereits 1897 den etwas sonderbaren Motor mit den zwei gegenüberliegenden Zylindern in die Realität um. Und schon 1898 trieb dieser auf den Namen "Contra-Motor" getaufte Zweizylinder mit 4,2 l Hubraum einen Omnibus an, kleinere 1,7- und 2,7-l-Varianten (5 PS/3,7 kW, 8 PS/5,9 kW) brachten ab 1899 den Benz Dos-à-Dos in Bewegung – den ersten Pkw mit einem Boxermotor. Auch interessant: Unsere Produkttipps bei Amazon

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Die Geschichte & Funktionsweise

Doch der Dos-à-Dos war wie alle "Personenkraftwagen" dieser Zeit mehr Kutsche als Auto – nur ohne Pferde und ohne einen echten Motorraum. Das machte die Unterbringung einer Hubkolbenmaschine irgendwo zwischen Aufbau und Achse gar nicht so leicht. Der flach bauende Boxermotor (oder "Contra"-Motor) ließ sich hier besser integrieren als die bislang gebräuchlicheren Reihenmotoren. Diese hatten aber auch noch einen weiteren Nachteil: Der rüttelnde Motorlauf ließ nicht nur die Personen an Bord erzittern. Nicht selten entledigten sich Motor und Kutsche wegen der Vibrationen der einen oder anderen lebenswichtigen Verschraubung – in Zeiten ohne Pannendienst war Ankommen also oft Glücksache beziehungsweise an das Reparaturgeschick der Fahrzeugbesatzung geknüpft. Der Boxermotor brachte da mit seiner Laufruhe einen großen Fortschritt.

Wie schon in den ersten Entwurfzeichnungen zu sehen, erkannte Carl Benz in diesem Aufbau den Vorteil des Massenausgleichs. Weil die beiden Pleuel der gegenüberliegenden Zylinder nicht – wie bei einem V-Motor – auf einem gemeinsamen Hubzapfen sitzen, sondern auf der Kurbelwelle versetzt gelagert sind und um 180 Grad auseinanderliegen, bewegen sich die beiden Kolben mit ihren Pleueln stets gegenläufig zueinander und sorgen somit für einen nahezu perfekten Ausgleich der durch die Hubbewegung erzeugten Schwingungen. Durch die getrennte Pleuel-Lagerung sitzen auch die gegenüberliegenden Zylinder nicht ganz auf gleicher Höhe, sondern sind leicht versetzt. Das kann man sich seit 1923 bis heute noch an jeder BMW aus der R-Reihe verdeutlichen, wenn man von oben auf die beiden nach links und rechts herausragenden Zylinder schaut. Zum Thema BMW, Motorrad und Zweizylinder-Boxermotoren kommen wir dann später noch. 

V-Motor vs. Boxer
Foto: Frank Lentes

Der Aufbau des Boxermotors funktioniert jedoch nicht nur als Zweizylinder vibrationsarm, sondern im Grunde mit jeder geraden Anzahl an Zylindern, weil sich immer ein Zylinderpaar leicht versetzt einander gegenüberliegt. Besonders der kurzhubig ausgelegte und damit äußerst drehfreudige Boxermotor mit sechs Zylindern ist bis heute untrennbar mit der deutschen Sportwagenmarke schlechthin verbunden – Porsche. Und das bedeutet vor allem 911. Seit 1964 arbeitet im Heck der Sportwagen-Ikone ein Sechszylinder-Boxer, der durch sein niedrig und kurz bauendes Format das typische elegante 911-Design mit dem flach auslaufenden Heck erst ermöglicht. Hinzu kommt ein herrlich harmonischer Sechszylinder-Sound, der den Elfer bis heute prägt.

 

Der Boxer im 911 startete mit 130 PS (96 kW) – heute sind es bis zu 650 PS (478 kW)

Mit seinen 96 kW (130 PS) zählte der 911 beim Start 1963 nicht gerade zu den stärksten, dank seines Fahrverhaltens aber durchaus zu den schnellen und wettbewerbsfähigen Sportwagen. Im Lauf der Jahrzehnte wurde aber auch der Elfer durch die Verbesserung der Gaswechselsteuerung, Turboaufladung, Umstellung von Luft- auf Flüssigkeitskühlung und nicht zuletzt durch die aufwendige Abgasreinigung zu dem leistungsfähigen und hocheffizienten Sportgerät von heute – zum Beispiel der 911 GT3 RS, dessen Vierliter-Boxermotor ohne Aufladung stramme 525 PS (386 kW) leistet. Stärkster Serien-Elfer ist der 911 Turbo S mit 650 PS (478 kW).

Porsche 911 (Baureihe 992)
Auch die Motoren der achten Generation Porsche 911 arbeiten noch nach dem raren Boxer-Prinzip. Foto: Porsche

Klar, dass sich die effizienten, kompakten Porsche Boxer-Antriebe auch im Motorsport bewährten, wo sie durch den flachen Aufbau zudem für einen niedrigen und fahrdynamisch günstigen Schwerpunkt sorgten. Bereits 1962 gewann Dan Gurney im Porsche 804 den Großen Preis von Frankreich. Im Heck des bis heute einzigen komplett von Porsche entwickelten und gebauten Formel 1-Autos arbeitete ein 185 PS (136 kW) starker 1,5-l-Achtzylinder-Boxermotor. Doch die eigentliche Passion der Zuffenhausener war und ist der Langstreckensport. Als herausragendes Endurance-Track-Tool sei hier der legendäre Porsche 917 (1969 bis 1973) erwähnt: ein Zwölfzylinder-Biest, das in der letzten Ausbaustufe 917/30 von 1973 aus 5,4 l Hubraum bis zu 1200 PS (883 kW) hervorbrachte. Das war allerdings kein echter Boxermotor, sondern ein 180-Grad-V-Motor.

 

Der VW Käfer und die ersten Porsche waren enge Verwandte

Doch undenkbar wären die famosen Porsche-Sportwagen ohne den VW Käfer, ursprünglich eine Entwicklung von Ferdinand Porsche, der die Motorisierung in Deutschland prägte wie kein anderes Modell. Der 911-Vorgänger Porsche 356 (1950 bis 1965) bestand anfangs aus Käfer-Elementen, wozu auch der luftgekühlte Vierzylinder-Boxermotor gehörte. Bis zu seiner Einstellung behielt der VW Käfer, der zuletzt bis 2003 in Mexiko vom Band lief, seinen luftgekühlten Vierzylinder-Boxer im Heck, der den typischen Stakkato-Klang erzeugte, mit dem die Nachkriegsgenerationen in Deutschland und Europa aufwuchsen. Einen Käfer – und seine komplette Boxer-Verwandtschaft wie Transporter, Bus, Karmann Ghia und so weiter – konnte und kann man stets am Klang erkennen. Übrigens genau wie den Citroën 2CV, besser bekannt als die "Ente". Gebaut von 1948 bis 1990, arbeitete auch hier ein luftgekühlter Boxermotor, allerdings in eher schwindsüchtiger Ausführung als Zweizylinder an der Vorderachse – anfangs mit neun PS (6,6 kW) aus 0,375 Litern Hubraum, später dann ein wenig stärker, aber immer hart an der Grenze zur Untermotorisierung. Vor allem in Frankreich leistete die "Ente" mit dem unverwüstlichsten Boxer Historisches bei der Motorisierung sämtlicher Bevölkerungsschichten.

Den blubbernden Sound der Boxermotoren kennt man auch von BMW. Dafür muss man sich nur in die Zweiradabteilung begeben, wo bereits seit 1923 die Motorräder der R-Baureihe mit ihren typischen zwei nach links und rechts vor den Schienbeinen des Fahrers herausragenden Zylindern gebaut werden. Die treue einheimische Boxergemeinde macht BMW alljährlich zur erfolgreichsten Motorradmarke in Deutschland, allen voran mit den beliebten GS-Enduros. Der Chef im Boxring ist jedoch seit 2019 die BMW R 18 mit einem der mächtigsten Motorrad-Zweizylinder: Achtzehnhundertundzwei Kubik, 91 PS (67 kW), 158 Newtonmeter. Der 1,8-Liter wird trotz seiner Größe sicherlich keine Karriere als Pkw-Antrieb machen. Anders war das bei der BMW R 67, deren Zweizylinder-Boxer in modifizierter Form ab 1959 den Kleinwagen BMW 700 antrieb. Ansonsten bleibt der Boxermotor mit seinem unpopulären Aufbau bei BMW den Zweiradfreund:innen vorbehalten.

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Subaru ist erfolgreichster Boxermotor-Produzent

In der Historie der Boxermotoren gibt es natürlich noch mehr zu entdecken. In den USA setzte man schon früh auf den Boxer, wenn auch eher selten, etwa im Ford Model A. Unvergessen sind auch der Tucker Torpedo oder der Chevrolet Corvair. In Europa machte sich der Flachmann unter den Motoren auch in Italien verdient, zum Beispiel in diversen Lancia, im Alfasud sowie im Alfa 33, wogegen der zwölfzylindrige Ferrari 512 BB von 1976 zwar Berlinetta Boxer hieß, aber eigentlich einen 180-Grad-V-Motor hatte. Weitere Boxer-Typen und Geschichten findet man übrigens im Netz: www.boxermotor.com. Nicht unerwähnt bleiben darf der größte und erfolgreichste Hersteller von Boxer-Fahrzeugen: Bereits seit 1966 baut Subaru mit diesem Motor seine Pkw, die in der Regel über alle vier Räder angetrieben werden – das macht inzwischen weit über 20 Millionen Boxermotoren, darunter auch der einzige Pkw-Turbodiesel-Boxer. Doch auch bei Subaru wird man sich wohl bald von diesem Aufbau verabschieden, denn einen E-Boxermotor – von dem wir nicht wüssten, wie er aussehen sollte – wird es nicht geben.

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