Golf GTI vs. ID.3 GTX: Deshalb macht der Verbrenner mehr Spaß
Der VW Golf GTI war in den 70er- und 80er-Jahren so etwas wie der Porsche 911 der Generation Golf. Wer sich keinen neuen GTI leisten konnte, wartete ein paar Jahre und griff zu, als sich gebrauchte Modelle beim Fähnchenhändler etwas angeschlagen regelrecht aufdrängten. Der GTI war der Lockvogel in die automobile Leidenschaft. Wer damals für ihn geschwärmt, sich seine Nase beim VAG-Händler an der Scheibe platt gedrückt, einmal den kleinen, runden Golfball auf dem filigran aufragenden Schaltstock durch die Gassen der vier Gänge geführt und den kleinen 1600er oder den späteren 16-Ventiler auf der Landstraße ans Drehzahllimit hochgejubelt hat, blickt ihm auch heute noch sehnsüchtig hinterher. Für die Generation Golf, oder besser GTI, war der Golf R von Beginn an zu protzig und der zu vernünftige GTE nie eine Alternative. Der GTI ist und bleibt der wilde Fahrspaß-Botschafter im ansonsten braven VW-Sortiment – hier alles zur aktuellen GTI-Generation.
Mit dem GTI-Gedanken – also aus einem vernünftigen Modell einen Helden machen – will VW nun auch beim Volks-Stromer ID.3 punkten. Allerdings haben sie dazu das GTX-Kürzel aus der Schatulle geholt, das einst die sportlichen Scirocco- und Jetta-Modelle attraktiv machte. Da liegt die Frage auf der Hand: Hat der VW ID.3 GTX genug faszinierenden Inhalt an Bord, um in unserem Vergleich echtes GTI-Feeling in der E-Mobilität aufkommen zu lassen? Oder ist er dazu noch nicht bereit und muss sich als GTX erst einmal seine Lorbeeren verdienen?
Wo könnte man diese Frage besser beantworten als rund um und auf dem Nürburgring. Dass es mittlerweile sportlich ambitionierte Stromer gibt, ist auch am Ring oben in der Eifel angekommen. Ein paar Schnelllader finden sich dementsprechend direkt gegenüber des "ring°boulevard". Also kurz den 79 kWh großen Akku des GTX gefüllt und rein in die Kurven und Täler der Eifel. Und um eines gleich abzuhaken: Die Reichweite, die VW für den GTX mit bis zu 606 km nach WLTP-Norm angibt, ist beim realen Landstraßentanz über 350 bis 400 km kein Problem. Den Rennstreckenbetrieb lassen wir hier mal beiseite, zumal auch der GTI dann schamlos zulangt.
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Der VW ID.3 GTX (2024) im Video:
VW ID.3 GTX: Heckantrieb weckt Fahrspaßerwartungen
Der auf Sport getrimmte ID.3 mit 210 kW (286 PS) weckt mit seinem Heckantrieb Hoffnungen auf hochdynamische Fahreinlagen. Die Performance-Version entfacht sogar 240 kW (326 PS), kostet aber weitere 1500 Euro mehr als der GTX im Basistrimm für 47.225 Euro, der damit wiederum bereits teurer ist als der mit nur 265 PS (195 kW) etwas schwächere GTI für 45.655 Euro.
Volkswagen spendiert dem dynamischen VW ID.3 GTX ein Sportfahrwerk mit besonders straffer Abstimmung von Federn, Stoßdämpfern und Stabilisatoren. Zudem soll seine Progressivlenkung bei sportlicher Fahrweise oder auf kurvigen Strecken für ein optimiertes Handling sorgen und ein besonders direktes Fahrgefühl vermitteln. Im Vergleich zu den dann doch recht zurückhaltenden Basis-Modellen der kompakten ID.3-Baureihe liegt der GTX tatsächlich etwas aktiver in der Hand und sucht damit eine innigere Interaktion mit der Person hinter dem Steuer. Ja, es schwebt fast ein wenig der Geist des GTI durch den dynamisch aufgewerteten Stromer. Allerdings nur fast.
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Der GTI ist dann doch weiter weg von seinen biederen Serienbrüdern als der GTX. Er folgt den Wünschen direkter und kommuniziert mit deutlich weniger Filter über die Lenkung als der GTX – obwohl der heckgetriebene Stromer an der Vorderachse nichts anderes zu tun hätte, als ein verbindlich-lebhaftes Lenkgefühl zu vermitteln. Aber das gelingt dem GTI eben deutlich besser, auch wenn er die Kraft über die Vorderräder auf die Straße bringen muss. Doch genau dieses Fahrerlebnis hat VW seit 1976, als Rivalen wie Ford Escort RS 2000 oder Opel Kadett GT/E noch mit klassischem Heckantrieb unterwegs waren, immer weiter perfektioniert.
Der VW Golf GTI prägte damals mit kratzender Vorderachse und losem Heck eine neue Art der Dynamik und wurde zum Aushängeschild der Frontantriebs-Sportler. Und obwohl die Wolfsburger damals wie heute bei der GTI-Fahrdynamik-Philosophie den Fokus auf die Vorderachse legen, spielt die Hinterachse mit ihrer locker mitlenkenden Art im Fahrspaß-Geschäft nach wie vor eine wichtige Rolle. VW hat zudem die elektronisch gesteuerte, mechanische Vorderachssperre – eines der Highlights des nicht mehr erhältlichen Performance-Pakets – nun in die Serienausstattung des aktuellen GTI mit einfließen lassen. Ganz nach dem Motto: nur das Beste für den Besten im Hause. Danke dafür!
VW Golf GTI: liegt leicht in der Hand und satt auf der Linie
Der GTI wirkt – derart aufgewertet – herrlich leichtfüßig. Sein Fahrwerk gibt dem elektronischen ESP-Sicherheitsnetz keinen Grund, belehrend einzugreifen. Mit einem ausgewiesen neutralen Fahrverhalten wieselt der GTI durch Wechselkurven, unterlässt tückische Ausfallschritte und verzichtet erstaunlich konsequent auf undynamisches Untersteuern. Leichte Impulse über das gelupfte Gaspedal, die das Heck etwas entlasten, führen zu exzellent nutzbaren Lastwechseln, die die Dynamik mit viel Fahrspaß anreichern.

Der GTX legt sich bis zu einem gewissen Grad in die Spur seines Bruders und macht dabei hier und da mit leicht nach außen drückendem Heck auf klassisch sportliche Dynamik. Will man mit ihm allerdings dem GTI folgen, kommt der heiße ID.3 schnell an seine Grenzen. Kein Wunder, schließlich schleppt er mit mehr als 1900 kg Leergewicht über 500 kg mehr mit sich herum. Der GTX ist ganz klar eher Marketing-Gedanke als ernsthafter Sportler. Seinem ESP fehlt eine freier agierende Abstimmung. Auch im Sport-Modus packt es ungeniert kräftig zu, stört die Dynamik mit unsensibler Bevormundung und unterbricht das eigentlich reizvolle Übersteuern, ohne es vernünftig begleiten zu können (hier erklären wir den Unterschied zwischen Übersteuern und Untersteuern). Vor allem, wenn es runter von öffentlichen Straßen rauf auf die Rennstrecke geht, verliert der GTX den Boden unter den Füßen. Ihm wird früh heiß, er verlangt im Grenzbereich nach Zurückhaltung, statt die Lust zu wecken, Runde um Runde nach Bestzeiten zu jagen.
Der GTI ist auf dem Grand-Prix-Kurs hingegen in seinem Element, sucht die perfekte Linie und fordert seinen Piloten zum Spiel mit den physikalischen Grenzen auf. Dem GTX fehlt schlicht die Konsequenz, mit der VW den GTI über Jahrzehnte zur aktuellen Reife getrieben hat, ohne dass die dabei erreichte Perfektion in Langeweile verebbt. Der VW ID.3 GTX benötigt noch diesen Willen des Unternehmens, hier ein Ausrufezeichen für die Zukunft zu setzen. Und so bleibt es diesmal noch bei einem Fahrspaß-Vergleich – auch weil der GTI beim Ritt am Limit Kreise um den GTX fährt, ihn nach Belieben innen oder außen überholt und nicht zuletzt auf der Bremse auskontert.
Technische Daten von VW Golf GTI & VW ID.3 GTX
AUTO ZEITUNG 12/2025 | VW Golf GTI | VW ID.3 GTX |
Technische Daten | ||
Motoren | 4-Zylinder, 4-Ventiler, Turbo; 1984 cm³ | Permanenterregte Synchronmaschine hinten |
Antrieb | 7-Gang Doppelkupplung; Vorderradantrieb | Konstantübersetzung; Hinterradantrieb |
Systemleistung | 195 kW (265 PS) | 210 kW (286 PS) |
Systemdrehmoment | 370 Nm | 545 Nm |
Kapazität/Spannung | – | 79 kWh (netto)/400 V |
Karosserie | ||
Außenmaße (L/B/H) | 4289/1789/1471 mm | 4264/1809/1564 mm |
Leergewicht | 1379 kg | 1906 kg |
Kofferraumvolumen | 374–1230 l | 385–1267 l |
Fahrleistungen | ||
Beschleunigung (0-100 km/h) | 5,9 s | 5,9 s |
Höchstgeschwindigkeit | ca. 250 km/h | 180 km/h |
Verbrauch auf 100 km (WLTP) | 7,1 l S | 14,5 kWh |
Elektrische Reichweite | – | 606 km |
Kaufinformationen | ||
Grundpreis | 45.665 € | 47.225 € |
Marktstart | Im Handel | Im Handel |
Alle Daten Werksangaben; *Breite mit Außenspiegel |
Bei unserem Fahrspaß-Rendezvous mit VW Golf GTI und VW ID.3 GTX geht der "Sieg" eindeutig an den GTI. Auch wenn der GTX für sich eine ordentliche Portion Spaß bereitet, etwas Übersteuern zulässt und mit seinem energischen Antritt zumindest längsdynamisch für etwas Aufsehen sorgen kann, fehlt ihm vor allem Gefühl. Die im Vergleich zum aufgeschlossenen GTI große Distanz zur Person hinter dem Lenkrad und zum Grenzbereich verlangen von Volkswagen noch deutlich mehr Hingabe beim GTX-Projekt, bevor der ID.3 oder sein Nachfolger das GTI-Signet tragen dürfen.