Stille Krise: Warum immer weniger Kleinwagen verkauft werden
32 Prozent weniger Neuwagen verkauft in nur sechs Jahren
Kleinwagen gehören seit Jahrzehnten fest zum Automarkt in Deutschland. Ob als Zweitwagen, platzsparender City-Flitzer oder erstes eigenes Auto – VW Polo, Opel Corsa & Co. haben uns mobil gehalten. Doch in den vergangenen Jahren ist der Absatz der kleinen Autos dramatisch geschrumpft. 2018 wurden bei uns noch eine halbe Million Kleinwagen neu zugelassen. Dazu kamen über 240.000 Kleinstwagen wie der VW Up. Jedes fünfte neue Auto entfiel auf diese beiden Segmente. Nur sechs Jahre später zeigt sich ein ganz anderes Bild: 2024 wurden lediglich 337.045 Kleinwagen verkauft – ein Rückgang um satte 32 Prozent. Die Neuzulassungen der Kleinstwagen brachen sogar um zwei Drittel auf nur noch 80.319 Fahrzeuge ein.
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Der drastische Rückgang geht auch an den Bestsellern nicht spurlos vorbei: 2018 war der VW Polo mit 70.488 Neuzulassungen noch das dritterfolgreichste Auto hinter VW Golf und VW Tiguan. Im Vorjahr rangierte der beste Kleinwagen, der Opel Corsa, dagegen nur noch auf Platz sieben – vom Polo wurden lediglich 36.757 Exemplare abgesetzt.
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Der Renault 5 (2024) im Fahrbericht (Video):
Der Grund: der radikale Preisanstieg
Wer nach den Gründen für die Zurückhaltung der Deutschen beim Kleinwagenkauf sucht, wird beim Blick in die Preislisten fündig: Lag der Einstieg für Kleinwagen 2015 im Durchschnitt aller Modelle noch bei 12.682 Euro, müssen dafür heute mindestens 23.499 Euro ausgegeben werden – happige 85 Prozent mehr. Zum Vergleich: Die Verbraucherpreise sind nach Angaben des Statistischen Bundesamts im gleichen Zeitraum "nur" um 26 Prozent gestiegen. Auch bei den Kleinstwagen gab es einen überdurchschnittlich hohen Anstieg um 76 Prozent: War ein City-Car 2015 im Schnitt noch ab 11.438 Euro zu haben, sind dafür aktuell 20.106 Euro fällig.
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Preistreiber: Umweltvorgaben und Assistenzsysteme
Die Ursachen für die Preisexplosion liegen unter anderem in den verschärften Umweltvorgaben für Verbrenner: Verbräuche und Abgase stets weiter zu reduzieren, erfordert eine immer komplexere Spritspartechnik. Deren Kosten schätzen Branchen-Insider auf rund 3500 Euro pro Fahrzeug – unabhängig vom Segment. Auch der Umstieg auf die E-Mobilität bietet hier keinen Ausweg: Bei Kleinst- und Kleinwagen fallen die anteiligen Kosten für die Transformation deutlich höher aus als in größeren Segmenten. Das verstärkt den Teuerungssprung: Den Fiat 500 etwa gab als Verbrenner ab 17.490 Euro, für den Stromer müssen Käufer:innen mindestens 26.990 Euro ausgeben.
Ein weiterer Faktor für die Preissteigerungen sind immer mehr Sicherheits- und Assistenzsysteme, die für Neuwagen in der EU vorgeschrieben sind. Waren diese in den größeren Segmenten oftmals schon Serie, verteuern sie die Kleinst- und Kleinwagen weiter. Diese Kostenexplosion führt auch dazu, dass viele Hersteller ihre Modelle in den unteren Segmenten einstellen (Übersicht aller aktuellen Auslaufmodelle). Aus diesem Grund sind mit dem Ford Fiesta und dem VW Up 2023 sogar zwei einstige Bestseller verschwunden. Einen Hoffnungsschimmer gibt es dagegen von Fiat: Der elektrische 500 wird künftig um einen Mildhybrid-Benziner ergänzt, der ab 17.000 Euro kosten soll.
Veränderungen treffen die Kleinsten oft am härtesten. Verschärfte Umwelt- und Sicherheitsvorgaben und die Einführung der Elektromobilität haben die Kleinst- und Kleinwagen stark verteuert und ihre Kundschaft verschreckt. Diese greift lieber zu kleinen SUV, wenn der Preisunterschied nur noch marginal ist. Erst allmählich steuern einige Hersteller um. Hoffnung machen auch kommende elektrische Kleinstwagen wie der Renault Twingo oder der VW ID.1, die von sinkenden Batteriepreisen profitieren sollten.