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Geht auch ganz einfach:

Wartburg/Trabant/Samara/Favorit: Classic Cars Späte Ost-Autos von Wartburg, Trabant, Lada und Skoda

Christian Steiger Freier Mitarbeiter
Inhalt
  1. Wartburg, Trabant, Lada Samara & Skoda Favorit im Classic Cars-Vergleich
  2. Wartburg 1.3: Ganz gut gealtert
  3. Unverkäuflich: Viertakt-Trabant 1.1
  4. Lada Samara: Ein Hauch von Scirocco
  5. Das modernste Ost-Auto: Skoda Favorit
  6. Technische Daten von Wartburg 1.3, Trabant 1.1, Lada Samara 1.3 und Skoda Favorit
  7. Fazit

Kurz vor Wende wurden Trabant und Wartburg mit VW-Motoren ausgerüstet, Lada Samara und Skoda Favorit schrammten sogar knapp am Weltniveau vorbei. Mittlerweile sind auch die letzten DDR-Autos wahre Classic Cars. Zeit für einen Vergleich der Viertakter aus dem Osten!

Es ist ja nicht so, dass die Bonzen des Politbüros kein Gefühl für hochwertige Automobile haben. Erich Honecker zum Beispiel ist Volvo- und Citroën-Fan, und einen Range Rover für die Jagd besitzt er auch. Und natürlich wissen die hohen Persönlichkeiten, dass der Autobestand in der DDR ebenso vergreist wie das Zentralkomitee der SED. Ein westdeutscher Personenwagen wird zwölf Jahre alt, bevor er zum Würfel gepresst wird. Ein Trabant jedoch müht sich 28 Jahre lang durch den Arbeiter- und Bauernstaat. Und praktisch jeder Wartburg erlebt seinen 30. Geburtstag – nicht im Originalzustand, sondern als Zweitakt-Zombie, der immer wieder auf- und umgebaut worden ist. So stehen die Dinge in der späten DDR, und das ist wörtlich zu nehmen. Vielen Ostdeutschen ist das Auto zu schade, um es richtig zu benutzen. Nur 9000 Kilometer fahren DDR-Bürger:innen im Jahresschnitt, das Zentralkomitee lässt es aufwendig errechnen und stellt fest, dass in dieser Zahl sogar Dienstwagen und Taxen enthalten sind.

Am Geld liegt es nicht, die meisten DDR-Paare sind Doppelverdiener. Aber sie wissen nicht, wann sie noch einmal an einen Neuwagen kommen. Bis die Mauer brüchig wird, schiebt der IFA-Autovertrieb fast sechs Millionen Bestellungen vor sich her. Wer seinen Trabant zu Weihnachten 1977 geordert hat, sitzt 1989 pünktlich zur Grenzöffnung zum ersten Mal drin. Lieber holen sich die Bewohner:innen der versinkenden DDR aber ihr Begrüßungsgeld im Westen ab und warten auf die Gebrauchtwagen-Welle aus der Bundesrepublik. Oder sie hoffen darauf, dass der Trabant endlich nicht mehr im Zweitakt eines Classic Cars stottert. Wenigstens das schaffen die SED-Opas noch: Kurz bevor die DDR-Bürger:innen in den Westen dürfen, reist der VW-Viertakter rüber in den Osten. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon

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Wartburg, Trabant, Lada Samara & Skoda Favorit im Classic Cars-Vergleich

Doch nicht der Trabant bekommt den VW-Motor als erstes, sondern der Wartburg – es gibt ihn ab Herbst 1988 damit. Den Viertakter liefert aber nicht etwa Volkswagen, sondern der Lizenznehmer VEB IFA-Kombinat in Karl-Marx-Stadt, der Hersteller des DDR-Bullis Barkas B 1000. Auch das ist heute so vergessen wie das kleine 1.3-Emblem auf dem Wartburg-Heck. Gerrit Crummenerl aus Brandis hat seinen Viertakt-Wartburg mit erst 39.000 Kilometern in Ungarn gefunden. Die neuen Bundesländer sind einfach nicht mehr groß genug für engagierte Ost-Auto-Sammler:innen wie ihn. Fahren wir mal, aber bitte behutsam, denn späte Wartburg sind keine Billig-Oldtimer mehr. In den letzten Tagen der DDR sind es wertvolle Autos, die Grundversion kostet etwas mehr als 30.000 Ostmark. Viel teurer sind kurz zuvor auch die wenigen West-Neuwagen nicht.

Im Straßenbild der DDR sind sie gar nicht so selten, Typen wie der VW Golf I, der Mazda 323 oder der Citroën GSA, aus dem in DDR-Fernsehkrimis wie "Polizeiruf 110" immer der Heiratsschwindler mit zu weit aufgeknöpftem Oberhemd steigt. Beim Wartburg passt eher Träger:innen eines großkarierten Synthetik-Sakkos, so gestrig wirkt er in seinem sanitätsbeigen Erstlack. Außen trägt er noch immer den funktionalen Chic der 60er, in seiner Klarheit könnte er dem Bauhaus in Dessau entstammen. Neu ist 1988 das Cockpit mit den Schaltern nach Audi-Art und Lüftungshebeln, die beim Hin- und Herschieben klingen, als sei jemand auf einen Joghurtbecher getreten. Es ist das einzige Detail des Classic Cars, das nachlässig wirkt. Viele Westwagen sind vor 30 Jahren weniger akkurat verarbeitet als der DDR-Spätling.

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Wartburg 1.3: Ganz gut gealtert

Auch der Motor des Wartburg klingt nicht anders als der 1,3-Liter des VW Polo. Die Kopfstützen sind im gleich alten Volvo 240 nicht weicher und die Sitze im Opel Vectra nicht bequemer als im Besitzbürger-Auto der DDR. Nicht einmal lahm wirkt so ein 58-PS-Wartburg (43 kW) heute, obwohl es das Classic Car nach den Messwerten natürlich ist. Es wird an der 60er-Jahre-Optik liegen und an der übertroffenen Erwartung. Außerdem kann er geschmeidig federn. Als der Wartburg neu ist, geht es auf den Straßen der DDR nicht anders. Bis heute wirkt er im Alltag nicht völlig verloren. Und doch fährt ständig die Frage mit, wann er der Welt wohl als zeitgemäßer Mittelklassewagen erschienen wäre.

So um 1975 wird es gewesen sein, aber da verkauft sich der Wartburg mit Dreizylinder-Zweitaktmotor mangels Konkurrenz noch von selbst. Sogar nach Großbritannien importiert man ihn, er lässt sich auch in Belgien und Dänemark absetzen. Doch zum Viertakter ringen sie sich in der DDR erst durch, als der Wartburg keine Devisen mehr verdient. Am Ende ist der VW-Motor erst recht ein finanzielles Desaster, weil die tatsächlichen Rohstoff- und Produktionskosten jede Kalkulation sprengen. Und dann muss der neue Motor mit viel Mühe ins alte Auto konstruiert werden. "Es war unser Beitrag zum Untergang der DDR", sagt ein früherer VW-Manager heute. Wenigstens wollen die DDR-Bürger:innen den Wartburg 1.3 anfangs noch.

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Unverkäuflich: Viertakt-Trabant 1.1

Das geht dem Viertakt-Trabant anders, denn erst im Mai 1990 gibt es ihn für 19.865 Ost-Mark zu kaufen. Der ahorngelbe 1.1er von Andreas Reiche aus Roda bei Leipzig gehört damals zu den wenigen Exemplaren, die wirklich reißenden Absatz finden: Gekauft in der 1990 während der letzten Atemzüge der DDR, dann brechen ihn Autodiebe auf und fahren damit nach Polen. Dort bewegt ihn ein Landwirt auf seinen Feldern, bevor ihn Reiche in seiner Kfz-Werkstatt restauriert. Selbst die Aufbruchspuren sind noch da, als er den Trabant erwirbt, aber der Tachostand ist das wichtigere Argument: Nur 4500 Kilometer sind es bis heute. "Der sah ganz schlimm aus", sagt Reiche und meint den Zustand des kleinen Viertakters. Die DDR-Bürger:innen von 1990 sehen es ähnlich, ärgern sich aber über die fast unveränderte Karosserie. Die Ost-Propagandist:innen feiern sich noch kurz für die neue Motorhaube aus Blech statt Duroplast und die vergrößerten Heckleuchten.

Dann müssen sie die meisten 1.1er doch nach Ungarn und Polen verscherbeln – und hinterher ihre Büros räumen, weil der VEB Sachsenring keine Zukunft mehr hat. Nur noch 40.000 Käufer:innen entdecken, wie vergnüglich so ein gut motorisierter Trabi sein kann. Man muss nur hineinkommen in den Trabant – das ist für größere Fahrer nicht einfach. Kopf einziehen und Beine sortieren hilft, der Zündschlüssel zielt sonst aufs Knie und der Schalthebel sticht in die Kniekehle. Aber dann zischt das Classic Car mit seinen 40 PS (30 kW) los, folgt willig den Bewegungen des großen Vierspeichen-Lenkrads und wirft sich mutig in die Kurven. Am Fahrwerk mit der damals neuen Schräglenker-Achse wird der Spaß nicht scheitern. Eher ist es die knorpelige Mittelschaltung und die Haltlosigkeit der vorderen Sitze, deren goldbrauner Bezug an antiken Sofastoff erinnert. Die DDR-Bürger:innen nehmen den Trabant nur so lange sie müssen. Nicht wenige warten auf den Diesel, der 1989 bereits angekündigt ist, ohne jemals in Serie zu gehen.

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Lada Samara: Ein Hauch von Scirocco

Eine neue Karosserie plant das sieche Regime erst für 1996, obwohl es auch im Ost-Imperium schon Firmen gibt, die Kompakte nach Golf-Art liefern können. Der Lada Samara wird sogar im Westen verkauft. Da macht er Geizhälse froh, die für 11.000 Mark sonst nur einen Fiat Panda bekämen, während er in der DDR ein Auto der Gutverdiener:innen ist. Sie müssen 35.000 Ostmark übrig haben, aber auch Lada musste tief in die Kasse greifen: Für 50 Millionen D-Mark hat Porsche in Weissach den Samara serienreif gemacht. Im Vertrag ist festgehalten, dass der Sportwagen-Namen nirgendwo draufgeschrieben sein darf, dafür lobt Porsche vor der westdeutschen Presse die gute Zahlungsmoral der Marke aus Togliattigrad. Der Lada Samara kann ein ordentliches Auto sein, muss es aber nicht. Vor den Fertigungstoleranzen im Lada-Werk sind damals nicht alle Genoss:innen gleich. Manche Samara-Getriebe singen im Schiebebetrieb, manche Motoren neigen zu Brummgeräuschen.

Mitunter vibriert selbst ein warmgefahrener Samara, als sei er ein alter Golf Diesel beim Kaltstart. Auf den beigen Samara 1.3 von Gerrit Crummenerl treffen gleich alle drei Eigenschaften zu. Vielleicht hat er deshalb erst 13.000 Kilometer hinter sich. Ein modernes Auto ist der Lada von 1986 trotzdem, eines mit obenliegender Nockenwelle, fünf Kurbelwellenlagern und Türtafeln, deren braune Kunststoffnarbung an die damals angesagten Antiklederjacken erinnert. Selbst die Karosserie des Classic Cars wirkt irgendwie westlich, zumindest beim Zweitürer ist von der Seite her ein Hauch von Scirocco dabei. Die niedrige Gürtellinie und die schlanken Dachsäulen lassen den Innenraum hell wirken, es gibt viel Platz und bequeme Sitze, auf denen Erich Honecker zu DDR-Zeiten vermutlich nie saß. Der Ost-Traumwagen Samara hätte ihm noch vor Gorbatschow einiges über das Zuspätkommen und das Leben erzählen können. Müsste man nicht schon deshalb einen Lada Samara haben wollen? Er wirkt skurril in seiner Hochbeinigkeit und mit dem vielen braunen Hartplastik, aber nicht wie einer, der zum Spaß da ist.

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Das modernste Ost-Auto: Skoda Favorit

Das hat er mit dem Skoda Favorit gemeinsam, dem Auto, mit dem für die Käufer:innen des Ostens endgültig die Sonne aufgeht. Er ist bei seinem Debüt 1987 der Kompakte, den sich die SED nicht traut, einer mit Design von Bertone, Quermotor aus Aluminium, Fünfgang-Getriebe und Gurten, die so schokoladenbraun sind wie der Rest des Innenraums. Nur die Sitzbezüge des frühen Favorit fassen sich noch an wie Nylonerzeugnisse des VEB Strumpfkombinats Esda. Aber das stört nicht, weil er für einen günstigen Kleinwagen jener Jahre richtig flüssig fährt. Dieser Favorit hat keine Servolenkung, aber direkt und leichtgängig bewegt er sich schon, und die fünf Gänge lassen sich präzise sortieren.

Sein Untersteuern ist schon kein stures mehr und das Cockpit des Classic Cars mit den vielen Kontrollleuchten kein Design-Unfall. Wer hinter dem Lenkrad des Skoda Favorit sitzt, könnte ihn auch für einen Peugeot oder Fiat halten. Oder beinahe für einen VW. So kommt es auch. Ein paar Retuschen, und der Favorit wird zum Skoda Felicia, der es tatsächlich mit dem Polo aufnimmt. Ein paar Jahre später zeigt Skoda der Welt mit dem Octavia, was eine Ostmarke wirklich kann. Es ist die Chance, die Honecker und die anderen DDR-Bonzen auf den Rücksitzen ihrer Volvo und Citroën verspielen.

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Technische Daten von Wartburg 1.3, Trabant 1.1, Lada Samara 1.3 und Skoda Favorit

Classic Cars 11/2019Wartburg 1.3Trabant 1.1
Zylinder/Ventile pro Zylin.4/24/2
Hubraum1272 cm³1043 cm³
Leistung43 kW/58 PS 4500/min30 kW/40 PS 5300/min
Max. Gesamtdrehmoment bei96 Nm 3300/min73 Nm 3000/min
Getriebe4-Gang-Getriebe, manuell4-Gang-Getriebe, manuell
AntriebVorderradVorderrad
L/B/H (mm)4216/1642/14953510/1515/1440
Leergewicht900 kg700 kg
Bauzeit09/1988 - 04/199105/1990 - 04/1991
Stückzahl152.77539.878
Beschleunigung0 auf 100 km/h in 22 s0 auf 100 km/h in 22 s
Höchstgeschwindigkeit140 km/h125 km/h
Verbrauch8 l/100 km8 l/100 km
Grundpreis (Jahr)30.200 DDR-Mark (1988)19.865 DDR-Mark (1990)
Classic Cars 11/2019Lada Samara 1.3Skoda Favorit
Zylinder/Ventile pro Zylin.4/24/2
Hubraum1285 cm³1289 cm³
Leistung48 kW/65 PS 5500/min45 kW/62 PS 5000/min
Max. Gesamtdrehmoment bei95 Nm 3500/min100 Nm 3000/min
Getriebe4-Gang-Getriebe, manuell5-Gang-Getriebe, manuell
AntriebVorderradVorderrad
L/B/H (mm)4006/1621/14003815/1620/1415
Leergewicht950 kg870 kg
Bauzeit1986 - 19981987 - 1994
Stückzahlk.A.783.168
Beschleunigung0 auf 100 km/h in 15 s0 auf 100 km/h in 15 s
Höchstgeschwindigkeit153 km/h146 km/h
Verbrauch8,4 l/100 km8 l/100 km
Grundpreis (Jahr)35.000 DDR-Mark (k.A.)11.390 D-Mark (1989)

 
Christian Steiger Christian Steiger
Unser Fazit

Die tragischen Helden der DDR sind heute reizvolle Classic Cars: Trabant 1.1 und Wartburg 1.3 sehen aus wie Autos der Sechziger, fahren sich aber wie Youngtimer – und erzählen dabei ein spannendes Stück deutsch-deutscher Autogeschichte. Lada Samara und Skoda Favorit sind natürlich viel fortschrittlicher, aber das ist heute ihr größtes Handicap: Die früheren Ost-Traumwagen fahren sich so brav und blass wie alle anderen Kompakten ihrer Zeit. Doch genau das war im Sozialismus die größte aller möglichen Leistungen.

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