Bitter SC Sedan trifft Opel Omega V8: Luxus & Leistung
"Das war das verrückteste Projekt in meinem Leben", erinnert sich Matthias Schollmaier an die Mission, den Omega V8 zu entwickeln. Für Schollmaier war das Ganze ein Himmelfahrtskommando, denn er saß zwischen zwei Stühlen. Der damalige Technik-Chef Peter Hanenberger wollte unbedingt den Corvette-Motor in den Omega einbauen. Schnell stellte sich heraus, dass der Vorderwagen für das Corvette-Aggregat zu klein, die Lenkung aus den 60er-Jahren im Wege war und auch die hintere Spritzwand verändert werden musste. Nach einem Jahr Entwicklungszeit – man war schon längst hinter dem geplanten Zeitplan zurück – passte der Motor schließlich hinein. Doch der Schock sollte bei den harten Testfahrten kommen: Die Vierstufen- Automatik (4L60E) war die einzige Kraftübertragung im GM-Regal, die sich eignete.
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Opel Omega V8 & Bitter SC Sedan: Edle Limousinen mit Hindernissen
Aber die US-Automatik, angepasst an das dortige Tempolimit, hielt den Höchstgeschwindigkeits- und Belastungstests auf den deutschen Autobahnen nicht stand. Bei der ersten Validierungsfahrt mit maximaler Beschleunigung und Kickdown kollabierte im zweiten Gang die Kupplung. Ein manuelles Getriebe zuzukaufen, beispielsweise aus dem damaligen M5 von Getrag, wäre zu teuer gewesen. Das war das Aus für den Opel Omega V8. 2000 Autos waren geplant, die Prospekte bereits gedruckt für den Marktstart im Herbst 2000 und die ersten sechs Autos schon gebaut, doch das Geld für die Entwicklung war zum Fenster hinausgeschmissen.
Auch Erich Bitter hatte mit seinem Projekt, dem SC Sedan, einige Hürden zu überspringen. Ursprünglich wollte Bitter wie schon im CD Coupé einen Achtzylinder in den Bug seines Luxusliners mit der schönen italienischen Designsprache, die allerdings von George Gallion und Giovanni Michelotti stammte, implantieren. Doch Opel stoppte mit der Einstellung von Kapitän, Admiral und Diplomat auch die Fertigung der Aggregate. "Ich wollte die GM-Leute überzeugen, mir noch Motoren zu reservieren", so Erich Bitter. Doch das klappte nicht. So bekam die auf der Basis des Senator A aufbauende, viertürige Limousine den 3,0-l-V6 aus dem Senator beziehungsweise Omega. Ben de Wilde ist stolzer Besitzer eines Exemplars von nur noch vier existierenden Fahrzeugen.
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Sachlichkeit im Omega trifft Bitters Luxuslounge
Der Holländer ist Auto- und Opel-Fan par excellence: "Autos sind meine Passion." Seit sechs Jahren gehört ihm der Bitter, der eine besondere Geschichte hat: Es handelt sich hierbei um einen Prototyp aus dem Jahr 1984, der für die Autoshow in Los Angeles gebaut wurde. Er verblieb dann in den USA. Ein holländischer Opel-Händler kaufte schließlich das Auto, brachte es in die Niederlande zurück, bis es in die Hände von Ben de Wilde geriet. 70.000 km hatte die Opel-Technik damals auf der Uhr. Inzwischen zeigt der Tacho 90.363 km an. "Seit Mai 2015", sagt de Wilde, "war an dem Auto nichts Besonderes. Nur die Klimaanlage musste ich neu befüllen."
Während der Omega V8 innen mit einer emotionslosen, sachlichen Nüchternheit aufwartet, sieht es im Bitter SC Sedan wie in einer Luxuslounge aus. Überall Leder, wohin man blickt. Selbst die Handräder der Sitzeinstellung, dazu das Lenkrad, die Seitenflanken der Türen und natürlich die Sitze – alles ist komplett mit Leder bezogen. De Wilde grinst: "Ein amerikanischer Autor sagte mir mal: If you want to be surrounded by more leather than in a Bitter, than you have to live in a cow." Die breiten und großzügigen Ledersitze stammen wahrscheinlich aus einem Maserati Quattroporte. Auf den Sesseln fühlt man sich wie in einem Wohnzimmer. Sie sind weich gepolstert und bieten keinerlei Seitenhalt. Die Omega V8-Sitze dagegen sind deutlich straffer gepolstert und moderner.

Der Sedan baut auf dem Coupé auf
Dass der SC Sedan ursprünglich auf einem Coupé aufbaut – die Karosserie wurde dafür um 15 cm verlängert –, zeigt die niedrige Innenraumhöhe. Das Auto offeriert wenig Kopffreiheit, insbesondere hinten. Ansonsten ist der SC auf Komfort ausgelegt. In der Serie kommt ein von Mantzel überarbeiteter und auf 3,9 l Hubraum aufgestockter Sechszylinder-Reihenmotor mit 210 PS (154 kW) (ohne Katalysator) und einem Drehmoment von 327 Nm zum Einsatz. Doch Ben de Wildes Prototyp, der auf dem Rekord E aufbaut, hat lediglich den 3,0-l-Motor aus dem Senator mit ursprünglich 177 PS (130 kW) unter der Haube.
Und mit Katalysator ist der Bitter SC mit deutlich weniger Leistung unterwegs. Beim Beschleunigen lässt es die über 1600 kg schwere Limousine eher gemächlich angehen. "Realistisch sind es wohl knapp 156 PS", weiß der Holländer aus Apeldoorn bei Arnheim. Seit einem Jahr ist der Solaranlagentechniker in Rente. Er ist auch mit seinem Bitter meist gemütlich unterwegs: "Die Silver Lady ist unser Auto." Bei schönem Wetter fährt er mit seiner Familie gern ins Grüne oder auf Opel-Treffen.
Ein Bitter kommt selten allein
Während sich nach dem schwarzen Omega V8 keiner umdreht, schließlich sieht man von außen nicht, dass es der Opel faustdick unter der Haube hat, fällt der Bitter SC auf wie ein bunter Hund. Viele Menschen drehen sich nach ihm um, machen Fotos oder fragen, wenn wir anhalten, was das für ein Auto ist. Mit seinem Design und den typischen Klappscheinwerfern der 80er- Jahre, der lang gestreckten Karosserie und der geduckten Silhouette ist der Bitter eine imposante Erscheinung. "Er ist exotisch wie ein Maserati oder Ferrari. Die Preise der Wartung liegen aber auf dem Niveau eines Opel", schmunzelt de Wilde.
Der sympathische Holländer war schon früh mit dem Autobazillus infiziert. "Alles, was Sprit braucht, ist ok", grinst der Formel-1-Fan, der seit 30 Jahren auch Formel-1-Modellautos sammelt. Von Anfang an hegte er, bedingt auch durch seinen Vater, eine Vorliebe für Opel. Sein erstes Auto war ein Kadett B-Coupé LS. Es folgten Manta und Omega bis zu seinem heutigen Alltagsauto, einem Insignia OPC. Daneben besitzt er ein Kadett B-Coupé, einen 54er Kapitän, ein Bitter SC Coupé und neben dem Bitter Sedan noch einen Bitter CD.
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Der Umstieg in den Omega V8 versetzt uns wieder in die sachliche Nüchternheit der Großserie, und doch hätte dieser besondere Omega die Markenwelt und das Image von Opel um die Jahrtausendwende noch einmal revolutionieren können. Die nüchterne Instrumentierung und die gegenüber dem Bitter schnöde Plastikwelt enttäuschen ein bisschen. Hier hätte der V8 durchaus mehr Charme im Interieur verdient. Dafür geht ein leichtes Grinsen über das Gesicht, sobald das Gaspedal durchgetreten wird.
Der 5,7-l-Corvette- Leichtmetallmotor mit 310 PS (228 kW) sorgt für einen ganz anderen Vortrieb, als ihn die Bitter-Limousine bieten kann. Mit sonorem Sound schiebt der schwarze Opel gewaltig an. Laut Werksangabe beschleunigt der Rüsselsheimer mit dem Ami-Aggregat in 6,9 s auf 100 km/h, die Spitze wird bei 250 km/h abgeregelt. Da hat der Serien-Bitter mit einer Beschleunigung von 8,6 s und einer Spitze von 230 km/h ganz klar das Nachsehen.

Auch in Sachen Familienfreundlichkeit glänzt der Omega. Er offeriert deutlich mehr Platz, speziell im Fond. Eines haben sie beide aber gemeinsam: Sie gehören zu den automobilen Raritäten. Der Omega V8 ist der einzige in Rüsselsheim noch fahrbare Prototyp, der übrig geblieben ist. Auch vom Bitter SC Sedan gibt es weltweit nur noch vier Autos. Während der V8 wohl unverkäuflich ist, liegt der Wert des Bitter SC Sedan bei rund 60.000 Euro. Obwohl beide Modelle Opel-Gene besitzen, sind sie in Charakter und Auftritt komplett unterschiedlich. Dem charmanten Luxus der Bitter SC Limousine hat der Omega V8 wenig entgegenzusetzen. Und doch: Hätte der Bitter den V8-Motor des Omega, wäre das das Tüpfelchen auf dem i.
Technische Daten von Bitter SC Sedan und Opel Omega V8
Classic Cars 10/2021 | Bitter SC Sedan | Opel Omega V8 |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | R6/2 | V8/2 |
Hubraum | 3848 cm³ | 5650 cm³ |
Leistung | 154 kW/210 PS | 228 kW/310 PS |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 327 Nm bei 3400/min | 450 Nm bei 4400/min |
Getriebe/Antrieb | 3-Stufen-Automatik/Hinterrad | 4-Stufen-Automatik/Hinterrad |
L/B/H | 5060/1820/1370 mm | 4898/1776/1450 mm |
Leergewicht | 1615 kg | k.A. |
Bauzeit | 1985–1989 | 1999-2000 |
Stückzahl | 5 (inkl. Prototyp) | 6 Prototypen |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 8,6 s | 6,9 s |
Höchstgeschwindigkeit | 230 km/h | 250 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 11,8 l S | k.A. |
Grundpreis (Jahr) | k.A. | k. A. |
Obwohl der Bitter SC Sedan in Serie ging, teilte er doch in gewissem Maße das Schicksal des Omega V8: Erich Bitter bekam von GM für sein Auto keinen Achtzylinder mehr, den er benötigte. Und beim Omega V8 scheuten die GM-Bosse die Kosten für ein konkurrenzfähiges Getriebe, wie es damals schon eines von Getrag (manuell) im BMW M5 gab. Schade, aus beiden Modellen hätte mehr werden können. Das Zeug dazu hatten sie.