Hartge H50 5.0: 3er E90-Kleinserie mit E60-Zehnzylinder
Wie soll ich das bloß erklären? Ein 5,0-l-V10 in einem 3er-BMW. In meinen schlimmsten Vorstellungen höre ich schon Handschellen klicken. Und wenig später sehe ich vor meinem geistigen Auge puterrot angelaufene Prüfbeamte, die wie ein Pater der heiligen Inquisition den Hartge H50 5.0 umkreisen und irgendwas über die wohltuende Reinigung des Fegefeuers murmeln. Ein Blick in den Fahrzeugschein weist den Über-3er nicht als BMW aus, sondern als waschechten Hartge.
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Der verrückte Umbau ist komplett abgenommen, was anderes kommt für Firmengründer Herbert Hartge auch nicht in Frage. Ein halbes Jahr Entwicklungszeit steckt in dem Projekt, das erstmals auf der Essener Motorshow im November 2005 vorgestellt wurde. Damals konnte der H50 zwar schon laufen, viel mehr aber auch nicht. "Wir haben erst sechs Wochen vorher begonnen, den aufwändigen Umbau zu realisieren", gesteht Projektleiter Volker Schu.
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Der BMW M5 (2024) im Fahrbericht (Video):
Auf Basis des BMW 3er baut Hartge einen der spektakulärsten Kleinserien-Sportwagen
Dabei konnte sein Team von der jahrelangen Erfahrung mit chirurgischen Eingriffen dieser Art zehren. "Doch das schwierigste Problem war, die Elektronik des kompletten M5-Antriebs aus dem E60 mit der des 3er zu verbinden. Das betrifft nicht nur die komplizierte Steuerung der Siebengang-SMG-Schaltung, sondern auch so banale Dinge wie den Scheibenwischer." Genügend Platz für den V10 gab der Motorraum des BMW 3er zwar her. Allerdings mussten an den Vorderachsträger neue Haltepunkte für die M5-Motorlager geschweißt werden. Wichtig dabei war, dass Motor, Getriebe, Kardanwelle und Hinterachse auf einer Ebene liegen.

Weiteres Problem: Nach oben wurde die Luft dünn, der riesige Luftsammler des Triebwerks quetschte sich knapp unter die Motorhaube. Außerdem füllte der Motor jede Ecke des vorhandenen Platzes aus – die durch den Kühler einströmende Luft konnte das Triebwerk nicht umfließen, ein Überdruck baute sich auf, und dem V10 drohte der Hitzetod. Die Techniker:innen mussten die Motorhaube entsprechend schlitzen und einige Zentimeter nach oben ausformen. In späteren Hartge H50 5.0-Exemplaren wird sie aus Carbon bestehen.
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Der Fahrzeugschein weist den H50 5.0 nicht als BMW aus
Die Hinterachsgeometrie überarbeitete Hartge ebenfalls. Der 3er-Serien-Achsträger sollte das M5-Differential samt der variablen Sperrfunktion (bis zu 100 Prozent) aufnehmen. Deshalb sind die Aufnahme und sämtliche Lenker der Hinterachse Spezialanfertigungen, die Radnaben stammen aus dem Serienmodell. Daran montiert sind die 20-Zoll großen Alu-Räder mit imposanter Bereifung. Die Hinterräder haben das Format 285/25 ZR 20. Kostenpunkt für einen kompletten Radsatz: 4930 Euro – Halleluja. Das in Höhe und Dämpferkennung einstellbare Sportfahrwerk (1334 Euro) lässt den Hartge wie einen Keil im Wind stehen.
Wer im Cockpit des Hartge H50 5.0 Platz nimmt, erkennt den Unterschied zur Serie am Zusatzdisplay für die Ganganzeige und dem SMG-Schalthebel plus Powertaste. Das Hartge-Lenkrad mit stark ausgeformten Griffschalen basiert auf dem Serien-Volant des 3er, die SMG-Schaltwippen bilden mit dem Lenkrad eine Einheit. Gestartet wird der V10-Hammer per Knopfdruck.
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In nur 4,8 s zischt der V10-3er auf Tempo 100
Erklingt das gewohnte Lied? Nein, eine rustikalere Version. Hintergrund: Der Motor erfuhr eine mechanische Überarbeitung, die Nockenwellen sind schärfer, und die Motorelektronik ist entsprechend modifiziert. Zudem ragen unter der Heckschürze vier Endrohre hervor, denen zarte Klänge ohnehin fremd sind. Hier wird bester Hardrock in V10-Dur gespielt.
Die vorhandene Kraft auch in Vortrieb umzusetzen, gelingt nur mit einem disziplinierten Gasfuß. Einfach Vollgas geben bei abgeschaltetem DSC hat nur einen Effekt: Man steht mit rauchenden Hinterrädern auf der Stelle. Eine Zeit von unter 4,8 s für den Sprint auf 100 km/h zu realisieren, war bei den herrschenden Sommertemperaturen nicht möglich. Doch sobald Grip da ist, schießt der Hartge H50 5.0 vehement nach vorn. Die SMG-Schaltung funktioniert tadellos, die Gänge rucken etwas deutlicher ein als im M5.
In 14,2 s liegen 200 km/h an. Das ist kaum langsamer als bei einer Dodge Viper und auf einem Niveau mit dem Serien-M5. Bei 320 km/h Höchstgeschwindigkeit müssen diese beiden allerdings passen. Das Fahrwerk des H50 verlangt Nehmerqualitäten von den Insass:innen. Speziell die Hinterachse ist zu bockig. Die Servo-Unterstützung der Serien-Lenkung könnte geringer sein, besonders bei hohen Geschwindigkeiten mangelt es an genügend Rückmeldung von der Fahrbahnoberfläche. Der exorbitante Preis: 168.200 Euro.
von Holger Eckhardt