Steinwinter Supercargo 20.40: Platte Lkw-Vision von 1983
Kaum ein Verkehrssektor ist so streng durch Wirtschaftlichkeit geprägt wie der Güterfernverkehr. Effizienz bedeutet: maximale Nutzlänge, maximale Nutzlast, minimaler Verbrauch. In den 1980er-Jahren war das Idealbild längst definiert – der Frontlenker hatte den Langhauber abgelöst, weil jede überflüssige Kabinenlänge Platz kostete. Genau hier setzte Manfred Steinwinter an. Der Unternehmer aus Stuttgart hatte zuvor Fahrzeuge der Führerscheinklasse 4 umgebaut – Fiat 126 mit Goggo-Technik, Leichtfahrzeuge mit cleveren Lösungen.
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Der Steinwinter Supercargo 20.40 sollte den Lkw revolutionieren
Mit Fördermitteln des Landes Baden-Württemberg (fast eine Million D-Mark) und einer Eigenleistung von rund zwei Millionen Mark realisierte Steinwinter den Prototyp. Die Technik stammte von Mercedes, gebaut wurde die Karosserie bei Drögmöller, der Auflieger kam von Schmitz und das Design entwarf der junge Axel Breun – bis 2021 Designchef bei Renault. Entstanden war ein Fahrzeug von gerade einmal sieben Metern Länge, 2,5 m Breite und einer Höhe, die kaum über das vordere Radhaus hinausging. Das Erscheinungsbild: ein scheinbar führerloser Auflieger, der über die Autobahn rollt. Die Person am Steuer saßen 15 cm über dem Asphalt, der Motor samt Antriebseinheit lag direkt dahinter.
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Tiefe Sitzposition erforderte viele Kompromisse
Der Vorteil lag auf dem Papier: bis zu 120 m³ Laderaum, drei 20-Fuß-Container statt der üblichen zwei. Dank des Unterflurkonzepts konnte der komplette gesetzlich zulässige Raum für Fracht genutzt werden – 20 Prozent mehr Volumen als beim Standard-Sattelzug. Auch der Modularitätsansatz war zukunftsweisend: Der Motorraum war so konzipiert, dass Antriebsaggregate beliebiger Hersteller integriert werden konnten.
1986 erhielt der Supercargo die Zulassung als Lastwagen, Schwerlast- und Sattelzugmaschine sowie als Bus. Im Innenraum baute Steinwinter eine ungewöhnlich komfortable Ausstattung ein, vermutlich als Ausgleich für die tiefe Sitzposition. Doch die blieb kritisch. Auch die Sichtverhältnisse waren problematisch. Ampeln, Aufliegerkanten, Straßenschilder – vieles verschwand im Blickfeld der flach ausgestreckten Fahrposition. Bei einem Test von Lastauto Omnibus hieß es, das Fahrzeug brauche beim Abbiegen gelegentlich zwei Spuren, die Doppelscheibenkupplung und das Getriebe ließen sich aus der tiefen Position nur schwer bedienen.
Geänderte Gesetze machen dem Konzept den Garaus
Doch aus dem Projekt "Weißer Riese" wurde nie ein Serienprodukt. 1990 änderte sich die Gesetzeslage: Die Gesamtlänge von Lastzügen blieb zwar bei 18,75 m, doch gleichzeitig wurde die maximale Ladeflächenlänge auf 15,65 m limitiert. Damit war Steinwinters größter Vorteil – die zusätzliche Ladefläche – gesetzlich ausgebremst. Hinzu kamen technische Probleme: Die tief positionierte Antriebseinheit ließ keinen großen Kühllufteinlass zu, was in Verbindung mit dem Mercedes-Triebwerk zu Thermikproblemen führte. Kamerabasierte Spiegelsysteme waren damals noch Zukunftsmusik. Die Kosten für Entwicklung und Markteinführung – angesichts der Skepsis etablierter Hersteller – waren kaum zu stemmen.
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Das Ende des Steinwinter Supercargo
Steinwinter versuchte, das Projekt international zu vermarkten – unter anderem in den USA. Für Präsentationen wurde der Prototyp in die Vereinigten Staaten verschifft, ging dort jedoch verloren und kam nach Erzählungen nur durch Ermittlungen des FBI zurück. Manfred Steinwinter selbst kam 2018 bei einem Unfall ums Leben – seine Idee aber bleibt erhalten: als radikale Alternative zum Konventionellen, als Denkansatz für den Fahrzeugbau von morgen. Der einzig jemals gebaute Supercargo wurde verkauft, exisistiert allerdings noch – in weniger gutem Zustand – im Süden Deutschlands.