Colani Truck 2001 (1977): Die Stromlinien-Revolution im Lkw
"77 war die erste Erdölkrise, da hat Colani schnell eine Million auf den Tisch gelegt und hab' meinen Leuten gesagt: Zack, ein Lkw mit Stromlinienform", erinnert sich der Ausnahme-Designer Jahrzehnte später an den Colani Truck 2001. Dabei müssen wir, lieber Herr Colani, berichtigen: 1977 war der Ölpreisschock vier Jahre her und schon wieder so weit in den Hintergrund gerückt, sodass 1979 bereits der nächste folgen konnte. Insofern hätten sie die Million noch einen IAA-Turnus länger in der Hand behalten sollen. Dann wäre womöglich nicht das passiert, was wir heute von Ihnen zitieren dürfen: "Wir haben das Ding gebaut – kein Schwein hat reagiert."
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Dröseln wir das Ganze also ein wenig auf: Colani gehört in den 70ern längst zu den kühnsten Industrie-Designern der Welt und wagt sich nach einigen zwar nicht unbedingt kommerziell, aber stilistisch wegweisenden Auto-Schöpfungen (Die Geschichte von Colanis Ferrari Testa d'Oro) in den Lkw-Kosmos. Während der raumökonomische Frontlenker gerade in Europa seinen Siegeszug feiert, zeigt der gebürtige Berliner auf der IAA 1977 seinen Colani Truck 2001. Natürlich reißt der 38-Tonner auf Fiat 170 NC-Basis sämtliche Design-Grundsätze der Speditionssparte ein und ist seiner Zeit um Jahrzehnte voraus – immerhin deutet darauf ja auch schon sein Name hin.
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Der Colani Truck 2001 ist damals wie heute ein rollender Fremdkörper
Aber auch nach 2001 mag die zweiteilige Kuppel-Amöbe in der Retrospektive nicht so recht aussehen. Und sogar im Jahre 2040 würde man den Lkw wohl noch für ein Ufo halten, das am Rande der Area 51 mit einem Sattelschlepper kollidiert ist. Ins Auge fällt natürlich zuallererst der größte Mercedes-Stern, der je ein fahrendes Objekt geziert, geschweige denn dessen Windschutzscheibe gereinigt hat. Witzigerweise wird Colani später noch mehrere DAF und tatsächlich auch Benz-Trucks nach dem Vorbild des Fiat samt Propeller-Scheibenwischer auf die Räder stellen.

Der Einstieg gelingt über die großen Seitenfenster, die beinahe schon in Schmetterlingstür-Manier seitlich wegklappen. Auf dem Weg dorthin muss man aber erstmal an der verchromten Reling hinaufklettern, deren Form vermutlich nicht zufällig Schwimmbad-Flair versprüht. Unter der organisch geformten Hülle mit einem für Lkw fast schon unglaublichen cW-Wert von 0,40 befasst sich Colanis Team auch mit Sicherheitsaspekten: Die Fahrerkabine befindet sich auf Führungsschienen, die die Besatzung bei einer Frontalkollision in Richtung hinten und oben manövriert. Darüber hinaus dämpfen hydraulische Vorrichtungen die Aufprallenergie.
Nach knapp 40 Jahren geht der Stromlinien-Lkw doch noch in Kleinserie
Unterhalb des Cockpits schwadroniert der 17,2-l-V8 mindestens so intensiv wie Colani beim Verteidigen seines Bio-Designs. 362 PS (266 kW) benötigt der Dieselmotor, um den etwa 15 m langen, 2,5 m hohen und vier Meter breiten Truck auf bis zu 120 km/h zu hieven. Dass er dank Stromlinienform 40 Prozent weniger Sprit verbrauchen soll als die Lkw-Stangenware, lockt die Hersteller nicht an. Aus heutiger Sicht fragt man sich, ob Letztere mehr Sorge um die komplizierte Serienfertigung solcher Zugmaschinen hatten oder doch eher vom kompromisslos-harschen Wesen des Designers abgeschreckt waren.
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Doch Colani sollte noch lange am Aerodynamik-Lkw festhalten. Auch in den frühen 2000ern stehen die tropfenförmigen Riesen noch auf Messen und Ausstellungen. Mit Erfolg: Die Firma Marchi Mobile kauft die Rechte am eigenwilligen Design und fertigt den ursprünglich als Spritsparer konzipierten Colani Truck als Luxus-Sattelschlepper, mobiles High-End-Büro und sogar als Camper mit siebenstelligem Preis. Das erlebt sogar sein Schöpfer – kurz vor seinem Tod am 16. September 2019 mit 91 Jahren – noch gerade so mit. Es sei Ihnen gegönnt, Herr Colani.