600.000 Euro Belohnung: BYD geht gegen Falschinfos vor
BYD greift durch: Belohnung auf Falschinformationen
Im Zeitalter digitaler Medien sind Unternehmen zunehmend mit gezielten Falschinformationen konfrontiert, die über soziale Netzwerke millionenfach verbreitet werden können – zu diesem Schluss kommen diverse Studien, unter anderem jene des Verbands Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft (ASW). Besonders betroffen sind große Marken aus dem Tech- und Mobilitätssektor – darunter auch chinesische Elektroautohersteller wie BYD. Für diese Konzerne steht nicht nur das Markenimage auf dem Spiel, sondern auch das Vertrauen der Kund:innen und Geschäftspartner:innen.
Vor diesem Hintergrund verschärft BYD nun seine Strategie im Umgang mit Desinformation: Der Konzern geht juristisch gegen einzelne Social-Media-Akteur:innen vor, wie die Rechtsabteilung des Autobauers Anfang Juni 2025 kommuniziert hat, und lobt zugleich Prämien in Höhe von 50.000 bis fünf Millionen Yuan (ca. 7000 bis 700.000 US-Dollar bzw. 6000 bis 600.000 Euro; Stand: Juni 2025) für Hinweise auf mutmaßlich falsche Inhalte aus, wie diverse Medien übereinstimmend berichten.
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Der BYD Seal U (2024) im Video:
Kritik ja – Verleumdung nein
Li Yunfei, General Manager der Marken- und PR-Abteilung von BYD, betont, dass das Unternehmen konstruktive Kritik und journalistische Kontrolle ausdrücklich begrüße. So bitte das Unternehmen beispielsweise regelmäßig Journalist:innen im Anschluss an Veranstaltungen um Feedback. Online-Diffamierungen hingegen verfolgen kein konstruktives Ziel – sie richten Schaden an, statt zur Verbesserung beizutragen.
Laut Unternehmensangaben wurden in den vergangenen Monaten (Stand: Juni 2025) vermehrt gefälschte oder irreführende Berichte über BYD in sozialen Netzwerken, Foren und Medienplattformen verbreitet. Einige dieser Inhalte seien professionell gestaltet gewesen und hätten sich viral verbreitet – mit erheblichen Auswirkungen auf Reputation und Marktwert.
Das konsequente Vorgehen gegen Fake News sei, so das Unternehmen, ein notwendiger Schritt, um die Glaubwürdigkeit der Marke langfristig zu sichern – insbesondere angesichts der wachsenden Bedeutung von Vertrauen in einer digital vernetzten Automobilwelt. Gleichzeitig unterstreicht BYD, dass Meinungsfreiheit essenzieller Bestandteil einer offenen Gesellschaft ist.
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Beispiele, wogegen BYD gerichtlich vorgeht
Um für mehr Transparenz zu sorgen, nannte BYD konkrete Fälle aus vergangenen Gerichtsurteilen. So wurde beispielsweise ein Nutzer verurteilt, der dem Unternehmen unterstellt hatte, mit bezahlten Influencern gezielt Konkurrenten schlechtzureden. Ein anderer hatte falsche Berichte über Explosionen von BYD-Fahrzeugen verbreitet – auch er wurde rechtlich belangt. Das Unternehmen betont, weiterhin konsequent gegen Verleumdung und Falschinformationen vorgehen zu wollen. Gleichzeitig ruft es die Öffentlichkeit dazu auf, verdächtige Inhalte an ein eigens eingerichtetes Anti-Fraud-Büro zu melden. Ob das auch für Europa gilt, ist bislang unklar.
Wie sehr schaden Fake News dem Erfolg von BYD?
Die genauen finanziellen Auswirkungen dieser Diffamierungskampagnen auf BYD sind schwer zu quantifizieren. Es ist jedoch bekannt, dass das Unternehmen in den vergangenen Monaten (Stand: Juni 2025) mit Kursverlusten konfrontiert war, die teilweise auf aggressive Preissenkungen und einen intensiven Wettbewerb im E-Auto-Markt zurückzuführen sind. Auch wurde ein Kursrückgang der BYD-Aktie beobachtet, die jedoch hauptsächlich auf einen Aktiensplit (eine Maßnahme, bei der ein Unternehmen seine Aktien in kleinere Einheiten aufteilt, ohne den Gesamtwert zu verändern) zurückzuführen ist.
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Wie weit darf der Eigenschutz gehen?
Kritische Stimmen könnten gegen dieses Vorgehen Bedenken hinsichtlich der Meinungsfreiheit äußern. Es bestehe die Gefahr, dass berechtigte Kritik und Verbraucherbeschwerden unterdrückt werden. Dies könne zu einer Atmosphäre führen, in der Kritiker:innen zögern, ihre Bedenken zu äußern, aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen.
Juristisch: Wo endet Kritik, wo beginnt Diffamierung?
In Deutschland ist die Meinungsfreiheit durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt, jedoch nicht uneingeschränkt. Bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen, wie beispielsweise Holocaustleugnung, fallen nicht unter diesen Schutz. Die Grenze der Meinungsfreiheit ist erreicht, wenn es sich um Schmähkritik handelt oder die Äußerung nachweislich falsch ist. Juristen:innen betonen die Bedeutung der Meinungsfreiheit als fundamentales Grundrecht, das jedoch nicht unbegrenzt gilt. Insbesondere im Kontext von Fake News und Desinformation sehen sie die Notwendigkeit, zwischen geschützten Meinungsäußerungen und strafbaren Falschbehauptungen zu differenzieren.
Teil eines größeren Trends?
BYD ist mit dieser Strategie nicht allein. Auch andere chinesische Autohersteller wie Nio und Zeekr haben eigene Programme gegen Desinformation und gezielte Online-Diffamierung gestartet. Nio etwa belohnt Hinweise auf böswillige PR-Kampagnen mit Prämien von bis zu einer Million Yuan (ca. 1400 bis 137.000 US-Dollar bzw. 1200 bis 117.000 Euro), Zeekr bietet mindestens 10.000 Yuan (ca. 1400 US-Dollar/1200 Euro) für glaubhafte Hinweise auf kommerzielle Verleumdung. Auch Marken wie Li Auto und Deepal ziehen nach – in China formiert sich damit ein branchenweiter Kurswechsel im Umgang mit sogenannten "Black PR-Kampagnen", also organisierte Verleumdungen durch bezahlte "Internet-Troll-Armeen".
Der Trend zeigt deutlich: In einem zunehmend umkämpften Marktumfeld, wird der aktive Schutz der eigenen Reputation zur strategischen Notwendigkeit – auch auf juristischem Weg. Besonders in China, wo digitale Kanäle eine immense Reichweite und Schlagkraft entfalten, gehen Unternehmen verstärkt dazu über, Falschinformationen nicht nur zu dementieren, sondern systematisch zu verfolgen.
Im globalen Vergleich ist dieses Vorgehen bislang weniger verbreitet. Zwar gehen Unternehmen wie Apple, Meta oder Volkswagen ebenfalls gegen rufschädigende Inhalte vor – meist jedoch durch Rechtsmittel, Krisenkommunikation oder Plattformregulierung. Finanzielle Belohnungen für Hinweise auf Diffamierung sind im westlichen Raum bislang nicht üblich. Stattdessen stehen dort Hinweisgeberprogramme für Compliance- und Sicherheitsverstöße im Fokus – nicht jedoch für den gezielten Schutz der Markenreputation vor Desinformation.
In den USA existieren wiederum etablierte Whistleblower-Programme, etwa bei der SEC (Securities and Exchange Commission) oder der Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA. Sie belohnen Hinweisgeber mit bis zu 30 Prozent der durch ihre Meldungen verhängten Strafen – etwa im Fall des ehemaligen Hyundai-Ingenieurs Gwang-ho Kim, der für Hinweise auf vertuschte Sicherheitsmängel 24 Mio. US-Dollar erhielt. Solche Programme zielen jedoch auf Gesetzes- und Sicherheitsverstöße – nicht auf die Bekämpfung von Online-Diffamierung.
Was sich in China abzeichnet, könnte aber dennoch ein Vorbote sein: Die Bekämpfung von Fake News wird nicht nur zur gesellschaftlichen Aufgabe, sondern zunehmend auch zur Unternehmensstrategie.
Dass BYD ein Kopfgeld auf Urheber:innen von Falschinformationen aussetzt, ist ein Novum in der Autobranche – und ein klares Signal. Der chinesische Elektropionier will sich nicht länger zur Zielscheibe anonymer Kampagnen machen lassen und unterstreicht damit, wie real die Gefahr von Online-Desinformation auch für Industriegiganten ist. Die Initiative ist nachvollziehbar, doch sie braucht Augenmaß: BYD muss klar zwischen bewusster Falschbehauptung und berechtigter Kritik unterscheiden. Nur mit Transparenz und Fairness lässt sich der Spagat zwischen Markenschutz und Meinungsfreiheit meistern.