VW T3 syncro: Die Geschichte des ersten Allrad-Bulli
Er wuppte das Wirtschaftswunder genauso lässig, wie er später Sinnsuchende auf dem Hippie Trail nach Indien brachte – der Volkswagen Bulli war und ist nicht nur der raumgewaltigste Volkswagen diesseits der Fünf-Meter-Marke, sondern ist in seiner dramatischen Variantenvielfalt auch ein Problemlöser für beinahe jede nur denkbare Transportaufgabe. Ein Allradantrieb konnte das Spektrum noch erweitern. So war es nur logisch, dass Volkswagen dem Multitool aus Hannover als zweitem Modell der Produktfamilie eine traktionsstarke syncro-Variante spendierte. Deren Entwicklung nahm einen ganz eigenen Weg, bevor im März 1985 die Markteinführung des VW T3 syncro erfolgte.
Transporter-Entwicklungschef Gustav Mayer zählt zu den Wegbereitern des Allrad-Bulli, hätte ihn gerne schon bei der rundlichen Vorgängergeneration T2 eingesetzt. Mitte der 70er-Jahre durchquert der passionierte Sahara-Fan mit einem heimlich konstruierten T2-Allrad-Prototypen erfolgreich Afrikas bekanntes Trockengebiet. Vorstand Toni Schmücker bewilligt daraufhin den Bau weiterer Prototypen. Eine Serienumsetzung zur T3-Markteinführung 1979 aber bleibt dem Allradantrieb verwehrt. Schmücker schließt sie aber auch nicht kategorisch aus.
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Die Auflage: Für Konzeption und Bau muss ein externer Partner gefunden werden. Fündig wird das Vokswagen-Team in Österreich, bei Steyr-Daimler-Puch. Ihre Offroad-Expertise hatten die österreichischen Expert:innen durch Extrem-Kraxler wie den Haflinger oder den Pinzgauer zur Genüge unter Beweis gestellt. Die G-Klasse, die Geländewagen-Referenz von Mercedes, wurde ebenfalls von den Puch-Ingenieur:innen maßgeblich mitentwickelt und im Grazer Werk gefertigt.
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Silikonöl statt Zahnräder im VW T3 syncro
Anstelle eines zuschaltbaren Allradantriebs wie beim T2-Prototypen bringen die Expert:innen für den VW T3 syncro eine permanente Variante ins Spiel. Statt eines zentralen Mittendifferentials wird eine innovative Visco-Kupplung vorgeschlagen. Das von der britischen Firma Harry Ferguson Developments in den 70er-Jahren zur Serienreife gebrachte Bauteil ähnelt optisch einer Konservendose, die mit Silikonöl gefüllt ist. Scheibenförmige Lamellen im Innern sind abwechselnd mit der äußeren Hülle und dem Welleneingang beziehungsweise dem Wellenausgang verbunden. Rotierende Welleneingangs-Lamellen übertragen die Momente via Scherkräfte des Öls auf das Lamellenpaket der Ausgangswelle.
Der Clou: Mit zunehmender Drehzahldifferenz wird die Visco-Kupplung immer kraftschlüssiger, bis beide Lamellenpakete mit derselben Drehzahl rotieren. Das Bauteil ist damit selbstsperrend. Drehen die Räder der Hauptantriebsachse etwa auf einer Eisfläche durch, leitet die Visco-Kupplung die Antriebsmomente blitzschnell und ohne Rucken fast vollständig zur anderen Achse. Das Ganze klappt ohne das Zutun der Person am Steuer vollautomatisch. Dieser Allradantrieb ist einfach und gleichzeitig genial. Gleichwohl sind manche Volkswagen-Entwickler:innen skeptisch, konzipieren zusammen mit Steyr-Daimler-Puch parallel auch ein zuschaltbares Allradsystem. Grundlos, wie sich schnell zeigen soll: Die Visco-Kupplung funktioniert perfekt. Und wird im T3 syncro erstmals in Europa in der Großserie eingesetzt.
Von der AUTO ZEITUNG getestet und empfohlen:
In Graz wird die Allradtechnik montiert, danach wird der T3 syncro in Hannover fertiggestellt
Die Produktion des VW T3 syncro wird zu einem europäischen Gemeinschaftsprojekt. Die Bulli-Rohkarossen werden von Hannover nach Graz verschickt. Dort installiert Steyr-Daimler-Puch die Allradtechnik, etwa den Fahrschemel mit dem Vorderradantrieb. Die Visco-Kupplung ist darin integriert, wird vom Getriebeöl gekühlt. Eine einteilige Kardanwelle stellt die Verbindung zum Getriebe her, das Schaltgestänge muss dazu verlegt werden. Genauso wie der Tank, der jetzt mit 70 anstelle von 60 l über der Hinterachse sitzt. Das Reserverad wandert vom Vorderwagen in den Innenraum. Trotz des schweren Vorderachs-Fahrschemels kann damit eine paritätische Achslastverteilung sichergestellt werden. Und zwar leer wie beladen.
Neu abgestimmte Dämpfer und Federn erhöhen die Federwege um 20 mm. Die Karosserie steht 55 mm höher als die der heckgetriebenen Geschwister. Stabile Profile und Formbleche schützen den Antriebsstrang und den Boden des Allrad-Bulli. Für den geht es nach der Montage des Antriebsstrangs zurück ins Transporterwerk nach Hannover zur Fertigstellung. Oder gleich weiter nach Rheda-Wiedenbrück: Das syncro-Paket wurde von vielen Freizeitmobil-Käufer:innen geordert. Joker, California und Co. erhalten bei Westfalia ihren Ausbau.

Satte 9383 Mark Aufpreis für den Allradantrieb
Um der Gewichtszunahme von etwa 135 kg Rechnung zu tragen, ist der syncro-Antrieb stets mit den kräftigsten Triebwerken kombiniert. Zum Serienanlauf ist das ein 1,9-l-Wasserboxer (so wurde der Boxermotor zur Legende) mit 78 PS (57 kW). Später folgen der 1.6 TD (70 PS/51 kW) sowie der 2.1 WBX mit 95 PS (70 kW) und 112 PS (82 kW). Auf ein zusätzliches Untersetzungsgetriebe verzichtet das Entwicklerteam – Volkswagen will den Allrad-Bulli schließlich nicht als Geländewagen, sondern als Straßenfahrzeug mit guten Geländeeigenschaften verstanden wissen. Zur Portionierung der Momente kommt eine Viergang-Schaltbox mit zusätzlichem, extrakurzem Geländegang zum Einsatz.
Der Aufpreis für so viel Technik? Knackig: So kostet ein Transporter syncro als Caravelle GL mit sieben Sitzen und 112 PS-Wasserboxer (82 kW) 46.142 Mark – ein Aufschlag von 9383 Mark gegenüber dem Hecktriebler mit gleichem Motor und Viergang-Getriebe. Die oft georderten 205er R14-Reifen, auf denen auch unser Fotoauto rollt, schlagen mit weiteren 815 Mark zu Buche. 45.478 T3 syncro werden bis 1992 gefertigt, 3,5 Prozent davon von deutscher Kundschaft geordert. Das größte Stück des Kuchens aber geht nach Finnland: satte 20,6 Prozent. Da nehmen sich die Alpenländer mit 9,7 Prozent (Österreich) und 10,7 Prozent (Schweiz) fast schon bescheiden aus.
Übrigens: Auch beim T4 syncro kommt die Visco-Kupplung noch zum Einsatz, ehe mit dem Start der fünften Bulli-Generation eine elektrohydraulisch gesteuerte Lamellenkupplung nach dem System Haldex die geniale, silikongefüllte Dose in Rente schickt. Womit auch die syncro-Ära zu Ende geht: Ab dem T5 tragen Allrad-Bulli den 4Motion-Schritzug am Kühlergrill.