VW Golf 2 Pikes Peak: Aufregende Mitfahrt im 652-PS-Rallye-Golf
VW Golf 2 Pikes Peak: 1987 im Renneinsatz
Wir schreiben das Jahr 1987, als Jochi Kleint mit dem zweimotorigen VW Golf 2 beim berühmtesten Bergrennen der Welt, dem Pikes Peak International Hill Climb antritt. Das "Race to the Clouds" im US-Bundesstaat Colorado wird bereits seit 1916 ausgetragen. 156 Kurven verteilen sich auf 19,99 km Streckenlänge. Ausgehend vom Start auf 2862 m geht es 1439 Höhenmeter hinauf bis zum Ziel in 4301 m Höhe.
Die Herausforderung für die Motorenbauer ist dabei die extrem dünne Luft. Saugmotoren sind hier klar im Nachteil, ein Turbolader ist das Mittel der Wahl. Entsprechend hält Volkswagen für Jochi Kleint ein ziemlich perfektes Arbeitsgerät parat. Der Bimotor-Golf wiegt nur 1020 kg und ist mit zwei Turbo-Triebwerken ausgestattet: einem 1,8-l-Vierzylinder mit vier Ventilen pro Zylinder vorn und einem weiteren im Heck. Zweimal 326 PS (240 kW) stehen auf diese Weise zur Verfügung, hinzu kommen Allradantrieb und eine ideale Gewichtsverteilung von nahezu 50 zu 50 Prozent. Ein Siegrezept? Fast!
Tatsächlich ist Jochi Kleint an diesem 11. Juli 1987 äußerst vielversprechend unterwegs – bis wenige hundert Meter vor dem Ziel. Gerade mal ein Wimpernschlag. Nein, kein Fahrfehler entlang der vielen hundert Meter tiefen Abgründe und auch kein Motorplatzer der beiden hoch gedopten Triebwerke stoppt die Fahrt. Vielmehr ist es ein kleines Allerweltsteil, welches den greifbaren Erfolg vereitelt: ein an der Schmiernippel-Bohrung gerissenes Unibal-Gelenk des Spurstangenkopfes. Aus, Ende, vorbei. So ist es Walter Röhrl, der sich mit dem Audi S1 an diesem Tag in neuer Rekordzeit von 10 min und 48 s die begehrte Pikes Peak-Trophäe sichert.
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Der VW Golf R (2023) im Fahrbericht (Video):
Auf Asphalt ist alles anders
Bei unserer Testfahrt 31 Jahre danach hat der VW Golf 2 Pikes Peak mit den zwei Herzen nicht nur einen neuen Spurstangenkopf, sondern auch eine in motorsportlicher Hinsicht einfacher zu lösende Aufgabe. Vom Start an der Mautstelle Süd führt die Strecke rund sechs Kilometer hinauf zum Ahornkaser. Mit 700 zu bewältigenden Höhenmetern fällt die Kletterpartie für den Bimotor-Golf nur ungefähr halb so groß aus, hält mit durchschnittlich neun Prozent Steigung aber ordentlich steile Passagen bereit.
Die wirkliche Herausforderung für das von Kurt Bergmann entwickelte "Turbo-Tier" stellt jedoch die Streckenbeschaffenheit dar. Während der VW Golf 2 Pikes Peak 1987 noch eine unbefestigte Piste war, präsentiert sich die Roßfeld-Bergstraße piekfein asphaltiert. Ursprünglich ganz und gar für den Einsatz auf losem Untergrund konzipiert, hat das Fahrwerk mit den auf Asphalt ausgelegten Reifen entsprechend zu tun – und wir erst recht.
Denn die Synchronisation der Drehmomentabgabe der beiden Turbomotoren fällt konstruktionsbedingt nicht perfekt aus. Entsprechend zeigt der mit einem Gitterrohrrahmen und mittels Glasfaserbauteilen verkleidete Golf ein außergewöhnliches Fahrverhalten. Lastwechsel und Schaltvorgänge bringen auf Asphalt spürbare Unruhe ins Auto – ein Umstand, der auf Schotter mit seinen deutlich geringeren Reibwerten weitaus weniger zum Tragen kommt.
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Mutiert der Golf zur bösen Bestie?
Angesichts dieser fahrphysikalischen Vorbetrachtung nehmen wir die Einladung zu einer Mitfahrt bei Jochi Kleint zugegebenermaßen mit einer gewissen Skepsis an. Schließlich könnte sich der mit zwei spektakulären Kühlgebläsen im Heck ausgestattete Wolfsburger Renner ja vom einen zum anderen Moment in eine bösartige Bestie verwandeln und uns womöglich geradewegs in die nächste Waldlichtung katapultieren. Busch auf – Busch zu? Doch derartige Gedanken greifen in den synaptischen Verdrahtungen nur für einen Sekundenbruchteil. Sogleich übernimmt die motorsportlichen Begeisterung wieder die Oberhand. Hinein in den feuerfesten Fahreranzug von Volkswagen Classic!
Noch einmal geht der Blick über das Gewirr aus Schläuchen, Leitungen, Fahrwerksstreben, Tanks und Kühlern, bevor wir uns in die eng geschnittenen Schalensitze pressen und fest verzurren lassen. Es ist gut zu wissen, dass Jochi Kleint den Bimotor-Golf nicht nur bestens kennt, sondern ohnehin zu den weltbesten Rallye-Fahrern zählt. Seine Rallye-Karriere startete er 1966 als 18-Jähriger. 1974 wurde er Profi und 1978 holte er sich als VW-Werksfahrer den Estering-Pokal, die inoffizielle Deutsche Rallyecross-Meisterschaft. Im Jahr darauf folgte mit dem Gewinn der Rallye-Europameisterschaft sein größter Erfolg und 1981 gelang ihm zudem ein dritter Gesamtrang bei der Rallye Monte Carlo.
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Beschleunigungs-Inferno im VW Golf 2 Pikes Peak
Entsprechend hält sich die Erhöhung der Pulsfrequenz zunächst in erträglichen Grenzen, jedoch nur, bis die Temperatur im Wageninneren aufgrund einer längeren Startverzögerung gefühlt die Werte in einer Sauna erreicht. Schon jetzt wird klar, dass der VW Golf 2 Pikes Peak einzig und allein für einen 20-km-Gipfelsturm entwickelt worden war. Als die Startflagge schließlich fällt, sorgen die beiden Turbomotoren mit ihren 652 PS für ein wahres Beschleunigungs-Inferno. Auf nur 184 km/h Topspeed übersetzt, entwickelt der Golf vehemente Zugkräfte – und beschert so ein Fahrerlebnis der wahrhaft besonderen Art.
Technische Daten
Classic Cars 4/2019 | VW Golf 2 Pikes Peak |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | Zwei R4-Zylinder, 4-Ventiler, je ein KKK-Turbo mit Ladeluftkühler |
Hubraum | je 1800 cm³ |
Leistung | 480 kW/652 PS bei 7200 U/min |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 584 Nm bei 6400 U/min |
Getriebe/Antrieb | Zwei Hewland-FT-200-Fünfgang-Renngetriebe aus der Formel 2; Allrad |
L/B/H | 3985/1820/1540 mm |
Leergewicht | 1020 kg |
Baujahr | 1987 |
Stückzahl | Einzelstück |
Beschleunigung null auf 100 km/h | ca. 4,0 s |
Höchstgeschwindigkeit | 184 km/h |
Verbrauch auf 100 km | k.A. |
Preis | unverkäuflich |