Porsche 935: Zuffenhauser mit dunkler Historie
Life in the Fast Lane mit dem 935
Dieser Porsche 935 war Zeuge und Instrument einer dramatischen Vater-Sohn-Beziehung. Sie enthält Triumph und Tragik, sauberen Sport und schmutzige Drogendeals, tiefste Verachtung und höchste Verehrung.
Beginnen wir dort, wo das Rennfahrerleben am schönsten ist: auf der höchsten Stufe des Siegertreppchens, mit Lorbeerkranz, Goldpokal, Schampus und Hymne. Tief herunter, auf den Ground Zero des Rennsports, kommen wir unweigerlich im Lauf dieser Geschichte. Der hellblaue Porsche 935 mit dem Vornamen "JLP-2" hat beide Situationen aus nächster Nähe erlebt. Gleich im zweiten Renneinsatz fuhr er auf Platz drei, es war das 6h-Rennen in Silverstone im Mai 1980. Einen Monat später startete er in exakt der gleichen Lackierung und mit derselben Startnummer 73 wie auf den Fotos für diese Story beim größten Langstreckenrennen der Welt, den 24 Stunden von Le Mans.
Am Lenkrad saßen Teamchef John Lee Paul, 41, und sein Sohn John Paul Junior (gerade 20 Jahre alt) sowie der F1-erfahrene Brite Guy Edwards. Sie belegten den Gesamtrang neun und Platz zwei in der IMSA GT-Klasse hinter dem 3,2-l-935 des Rennteams von Dick Barbour, John Fitzpatrick und Brian Redman. Ein Gesamtsieg in Road Atlanta und zwei weitere Podium-Finishes rundeten die erfolgreiche Saison in Nordamerika ab.
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Dieser Porsche 935 bestritt 50 Rennen in sechs Jahren
Das Vater-und-Sohn-Team von John Paul Senior und Junior gehörte zu den wettbewerbsfähigsten Mannschaften im amerikanischen GT- und Langstreckensport. John Paul galt nicht als begnadeter Rennfahrer, aber er verfügte über die finanziellen Mittel und die nötige Entschlossenheit, stets ein siegfähiges Auto an den Start zu bringen. "JLP-2" trug die Chassisnummer 00900043. Er war, wie der Spitzname vermuten lässt, Pauls zweiter Porsche 935 und bereits mit dem aerodynamisch optimierten Leichtbau-Karosserie-Kit von Kremer Racing ausgestattet.
John Paul verstärkte zusätzlich in Eigenregie die Chassis-Wanne und die Seitenschweller, damit der Porsche die gewaltige Leistung seines von zwei KKK-Ladern unter Druck gesetzten Boxermotors auf Dauer aushielt. Mit Kugelfischer-Einspritzung produzierte der Sechszylinder abhängig vom Ladedruck über 740 PS (544 kW). 1981 wurde ein Übergangsjahr, denn John Paul ließ bereits das Nachfolge-Fahrzeug "JLP-3" aufbauen und musterte "JLP-2" nach einem zehnten Platz im 6h-Rennen von Riverside aus.
Der neue Besitzer Marion Lee "ML" Speer setzte den hellblauen 935 mit modifizierter Frontpartie 1982 in der amerikanischen IMSA-Meisterschaft ein. Zusammen mit Terry Wolters und Charles Mendes fuhr er beim 12h-Rennen in Sebring auf Platz drei. 1983 fuhr Speer mit dem nun rot-weiß lackierten und erneut heftig umgebauten 935 unter dem Banner "Pegasus Racing" wieder eine komplette amerikanische Langstreckensaison, wurde zum Auftakt bei den 24h von Daytona Vierter, konnte dieses Ergebnis bei neun weiteren Rennen in dieser Saison aber nicht wiederholen.
1984 und 1985 fand sich der unverwüstliche JLP-2 trotzdem wieder in den Startaufstellungen großer amerikanischer Rennen, kam aber nicht mehr in die Nähe einer Top Ten-Platzierung. Der 1976 erstmals angetretene 935 hatte seine erfolgreichste Zeit hinter sich, auch wenn Spitzenfahrer wie Rolf Stommelen immer noch großartige Resultate erzielten. Mit einem 17. Platz beim 500-km-Rennen von Columbus beendete JLP-2 seine aktive Karriere. Sein ehemaliger Besitzer John Paul Senior saß zu diesem Zeitpunkt in der Schweiz eine Haftstrafe wegen Verwendung gefälschter Papiere ab und sah einer Gerichtsverhandlung in Nordamerika entgegen, wo er wegen Drogenschmuggels und versuchten Mordes an einem Zeugen angeklagt war
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Talentierte Pilotierung machte den 935 erfolgreich
John Lee Paul Senior, geboren 1939 in Holland als Johan Leendert Paul, hatte einen Abschluss an der Harvard Business School gemacht, anschließend als Fondsmanager ein Millionenvermögen erwirtschaftet und lebte auf einer Segelyacht, mit der er zwischen Florida und der Karibik pendelte. 1979 gewann er das TransAm-Championat der Kategorie 2, stand als Pilot in der IMSA-Serie aber im Schatten seines ungleich talentierteren Sohns John Paul Junior, den er dennoch nach Gusto herumkommandierte. Der schnelle Reichtum förderte offenkundig negative Charakterzüge. Zeitzeugen beschrieben JP Senior als selbstgerechten Diktator, der als "Geschäftspartner" gefürchtet war.
JP Junior, geboren 1960 in Muncie, Indiana, flüchtete vor der Knute seines herrischen Vaters offensichtlich ins Cockpit des Rennwagens und entwickelte dort beachtliche Fähigkeiten. Im Herbst 1982 blickte der 22-Jährige als jüngster IMSA-Champion aller Zeiten und amtierender Gesamtsieger der 24 Stunden von Daytona sowie der zwölf Stunden von Sebring einer glänzenden Rennfahrerkarriere entgegen. 1983 startete er mit großen Anfangserfolgen in der CART-Serie und trumpfte auch im TransAm-Championat auf, wobei seine waghalsigen Überholmanöver eine durch den kriminellen Familienhintergrund heraufbeschworene Todesverachtung erahnen ließen.
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Eine Rennserie versinkt im Drogenskandal
Der Senior entwickelte sich nämlich zu einer der Schlüsselfiguren des Drogenhandel-Skandals rund um die IMSA-Serie und verstrickte sich bald so tief in den Sumpf der Kriminalität, dass er auf der Fahndungsliste des FBI stand. Seit 1979 beobachteten Drogenfahnder:innen den Rennzirkus, einmal wurden Vater und Sohn Paul wegen Besitzes von großen Mengen Haschisch und Marihuana zu Bewährungsstrafen verurteilt. Im gleichen Zeitraum verschwand die zweite Ehefrau JP Seniors unter ungeklärten Umständen und tauchte nie wieder auf. Damals konnte man ihm nichts nachweisen, aber am 19. April 1983 verlor er im weiter schwelenden Verfahren um die inzwischen als "Internationale Marihuana-Schmuggler-Assoziation" verschriene IMSA-Serie die Nerven. Er versuchte, einen Kronzeugen zu entführen und schoss diesen an, als er entkommen konnte. JP Senior floh vor der Gerichtsverhandlung ins Ausland und tauchte unter, bis er 1985 in der Schweiz gestellt wurde.
JP Junior fuhr 1984 in Le Mans noch im Team von Jean Rondeau auf Platz zwei, aber als seinem Vater mit Verspätung der Prozess gemacht wurde, weigerte er sich, gegen ihn auszusagen – vermutlich aus Angst vor dem langen Arm des Seniors. JP Senior ging für Jahrzehnte ins Gefängnis, wurde aber 1999 vorzeitig entlassen. Der Junior saß zwei Jahre ab und kehrte 1989 in den Rennsport zurück, doch seine Karriere war praktisch zerstört, alle Comeback-Versuche brachten allenfalls mittelmäßige Ergebnisse. John Paul Senior trat noch einmal in Erscheinung, als 2001 erneut eine Ehefrau spurlos verschwand, und verließ danach Amerika für immer, angeblich in Richtung der Fidschi-Inseln. Bis heute weiß niemand, ob er noch lebt und wo er sich wirklich aufhält. John Paul Junior erkrankte zeitgleich an Chorea Huntington, einer unheilbaren, genetisch vererbten Hirnerkrankung, der bereits seine Mutter und Großmutter zum Opfer gefallen waren. Er starb 2020.
Die Rennhistorie des JLP 935 ist einzigartig
Zu diesem Zeitpunkt strahlte JLP-2, der Porsche 935 aus JP Juniors erster großer Rennsaison, bereits wieder in der hellblauen Originalfarbe und trug wieder die Startnummer 73. Das Auto befand sich in Frankreich und war vom Porsche-Spezialisten Crubilé Sport zurück in den Le Mans-Zustand des Jahrs 1980 versetzt worden. Der 2016 und 2018 beim Le Mans Classic Event eingesetzte 935 gehört zu den auffälligsten Erscheinungen im historischen Motorsport. Chassis-Nr. 00900043 wurde 2021 von RM Sotheby’s als Privatverkauf angeboten. Vater und Sohn Paul sind Vergangenheit, aber ihre Porsche haben überlebt. Auch JLP-3 existiert noch und nimmt in der Sporthistorie eine wichtige Rolle ein. Es ist das einzige Auto, das im selben Jahr beide US-Langstrecken-Klassiker – Sebring und Daytona – gewann.
Technische Daten des Porsche 935 JLP-2
Classic Cars 04/2024 | Porsche 935 JLP-2 |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 6/2; Turbo |
Hubraum | 3164 cm³ |
Leistung | 544 kW/740 PS |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 750 Nm 5500/min |
Getriebe/Antrieb | 4-Gang-Getriebe/Hinterrad |
L/B/H | 4820/1973/1150 mm |
Leergewicht | 1025 kg |
Bauzeit | 1980 |
Stückzahl | 1 |
Beschleunigung null auf 100 km/h | k.A. |
Höchstgeschwindigkeit | ca. 350 km/h |
Verbrauch auf 100 km | k.A. |
Grundpreis (Jahr) | k.A. |