Turbo vs. Hubraum: Sierra RS Cosworth im Duell mit 190 E AMG
- Im Vergleich treffen Philosophien aufeinander: Ford Sierra RS Cosworth gegen Mercedes 190 E 3.2 AMG
- Das Auto von Ford, der Motor von Cosworth
- 190er AMG war doppelt so teuer wie der Cosworth
- Vom 190 E 3.2 AMG wurden nur 200 Stück gebaut
- Technische Daten von Ford Sierra RS Cosworth und Mercedes 190 E 3.2 AMG
- Fazit
Mittelklasse-Limousinen wie der Ford Sierra und der Mercedes 190 sind komfortabel, praktisch und wirtschaftlich. Beide feierten ihr Debüt 1982, und zumindest der Sierra trat in große Fußstapfen: Er löste nach über 40 Jahren den Taunus ab. Mercedes betrat mit der intern W201 genannten 190er Baureihe indes Neuland. Sie war der Einstieg in die automobile Welt mit Stern. Beide Modelle waren millionenfach bestellte, unauffällige Begleiter im Alltag der 80er- und 90er-Jahre. Böse Zungen behaupten schon damals, sie seien bieder und emotionslos. Als sich aber die Motorenschmieden AMG und Cosworth der Biedermänner annahmen, wurden aus Sierra und 190 E Brandstifter auf Asphalt. In diesem Vergleich treten an: Ford Sierra RS Cosworth von 1986 aus den heiligen Hallen von Ford Classic Cars und ein Mercedes 190 E 3.2 AMG von 1992 aus Privatbesitz.
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Trotz der beachtlichen Power – über die noch zu sprechen sein wird – haben die beiden Testosteron-Limousinen nichts an bodenständigen Tugenden eingebüßt. Beide bieten trotz Muskelaufbau noch genügend Freiheiten für den Kurzurlaub oder den Wocheneinkauf. Dabei hat der Mercedes – außer bei der Innenbreite – Vorteile gegenüber dem Ford. Der 190er bietet Großgewachsenen vorne wie hinten mehr Luft überm Scheitel. Auch sein Kofferraumvolumen ist größer, nämlich 410 l gegenüber 351 l. Bei der Bedienung hat der Stuttgarter ebenfalls die Nase knapp vorn. Das ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass das Cockpit des "Baby-Benz" aufgeräumter und gradliniger strukturiert ist als das verschachtelte des Ford. Zwar ist auch hier alles nach kurzer Eingewöhnung zu finden, aber im Mercedes findet man sich sofort zurecht. Die Instrumente sind besser ablesbar, und die Belüftung lässt sich besser regeln.
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Im Vergleich treffen Philosophien aufeinander: Ford Sierra RS Cosworth gegen Mercedes 190 E 3.2 AMG
Kann der Ford dafür im Kapitel Fahrleistungen punkten? Den Spurt auf 100 km/h erledigte der Turbo-Sierra im Test der AUTO ZEITUNG 1986 einen Wimpernschlag schneller als der im Juli 1990 gemessene AMG 190 E 3.2. Der Sechszylinder-Sauger erarbeitet sich gegenüber dem zwangsbeatmeten Vierzylinder aber auch aufgrund 30 zusätzlicher Pferdestärken (21 kW) die höhere Endgeschwindigkeit und damit den knappen Kapitelsieg. Insgesamt präsentiert sich der bei AMG im schwäbischen Affalterbach auf 3,2 l vergrößerte Zweiventiler homogener und bei jeder Drehzahl ausgewogener als der Vierventil-Turbo aus Northampton mit seinen raueren, spürbaren Rennsportgenen.
Wie wirkt sich das Leistungsplus der Spitzenmodelle auf das Fahrverhalten aus? Beide glänzen mit unproblematischen Eigenschaften. Bei forscherer Gangart kündigt sich bei den Hecktrieblern durch leichtes Untersteuern der jederzeit beherrschbare Ausbruch des Hecks an. Lastwechselreaktionen bleiben bei beiden Kandidaten aus. Dank Differentialsperre – Serie beim Cosworth, 2138 Mark Aufpreis bei Mercedes – reißt der Kraftfluss auch bei zügig gefahrenen Kurven nicht ab. Damit herrscht bei beiden in diesem Kapitel Punktegleichstand, denn den besseren Geradeauslauf des Mercedes gleicht der Ford mit seiner feinfühligeren Lenkung aus.
Das Plus an Fahrdynamik fordert natürlich seinen Tribut, denn dadurch ergeben sich unweigerlich Einbußen beim Komfort. Das Sierra-Fahrwerk ist zwar straff, aber nicht zu hart abgestimmt. So hat der Ford seinen Sänften-Charakter abgelegt, präsentiert sich dennoch ausgewogen und alltagstauglich. Nur Querfugen und kurze Stöße gibt das Fahrwerk mit 30 mm Tieferlegung spürbar an die Personen an Bord weiter. Das kann der Mercedes besser. Die Kur bei AMG hat aus dem 190 E eine komfortable Sportlimousine und einen echten Kurvenräuber gemacht. Die Tieferlegung um knapp 40 mm ist im Vergleich zum nickenden und wankenden Serienfahrwerk eine Offenbarung.
Das Auto von Ford, der Motor von Cosworth
Aber auch beim Verbrauch ist der 190er von der braven Serie weit entfernt. Genehmigte sich der 2,6-l-Basismotor im Test 11,3 l, waren es beim AMG exakt fünf Liter mehr auf 100 km. Der Sierra kommt trotz Turbo (So funktioniert ein Turbolader) auf einen Verbrauch von lediglich 12,6 l. Damit fährt der Cosworth trotz eines kleineren Tanks fast 100 km weiter.

Gibt sich der Mercedes in puncto Wartung auch so gierig? Der Sechszylinder verlangt alle 10.000 km nach 5,5 l Frischöl (So findet man das richtige Motoröl), wobei ein Mehrverbrauch von bis zu zwei Litern auf 1000 Kilometern laut Bordbuch zulässig ist. Der Vierzylinder im Sierra will ebenfalls alle 10.000 Kilometer neuen Schmierstoff. Ihm genügen 3,4 Liter ohne erlaubten Mehrverbrauch. Beide benötigen alle 20.000 Kilometer eine Inspektion. Damit herrscht Gleichstand im Wartungs-Kapitel, wobei beide Fahrzeuge mit exorbitanten Reparaturkosten aufgrund der kapriziösen Technik überraschen können. Wenn aus braven Limousinen in Handarbeit echte Alltagsrenner werden, ist das technische Niveau ebenfalls beachtenswert. Seit 1966 bestehen Beziehungen zwischen Motorenbauer Cosworth und Ford. Die Serienproduktion des Sierra RS Cosworth begann Ende 1985.
Der mit tief heruntergezogenem Frontspoiler, Kotflügelverbreiterungen, massiven Türschwellern und beeindruckendem Heckspoiler (Diese Spoiler-Typen gibt es) versehene Cosworth diente als Homologationsmodell für den Rennsport. Damit der Sport-Sierra in der Gruppe A starten konnte, mussten binnen eines Jahres mindestens 5000 Stück im Werk Genk produziert werden. Um dem sportlichen Anspruch gerecht zu werden, wurde der 2,0-l-OHC-Serienmotor des Sierra mit einem Vierventil-Kopf versehen. In Kombination mit elektronischer Steuerung für Zündung und Einspritzung und dem Garrett-Abgasturbolader mit Ladeluftkühlung (Das bewirkt ein Ladeluftkühler) leistete der Urvater aller Cossis 204 PS (150 kW). Zusätzlich erhielt der Sierra Scheiben- statt Trommelbremsen (Diese Bremssysteme gibt es) an der Hinterachse und ein ABS (So funktioniert ein ABS).
190er AMG war doppelt so teuer wie der Cosworth
Auch im 190 E 3.2 flossen Motorsporterfahrungen in die Serie ein. Nach der Gründung 1967 konzentriert sich der Motorsport- und Veredlungsbetrieb AMG auf den Aufbau von Rennwagen auf Basis des 300 SE. 1971 folgte der erste Klassensieg beim 24-Stunden-Rennen mit dem von AMG modifizierten 300 SEL 6.8 (Die "Rote Sau" von AMG im Vergleich). In den 70er-Jahren begann auch der Aufbau von Fahrzeugen auf Kundenwunsch. Der 190 E wurde bereits 1983 mit 160 PS (118 kW) starkem 2,3-l-Motor angeboten. 1989 und 1990 folgten die berühmten Evolution-Modelle. Deren Vierventilköpfe steuerte ein Unternehmen aus Großbritannien bei: Cosworth. Ab 1987 lieferte der 2,6-l die Basis für den 190 E 3.2.

Zu den klassische Tuningmaßnahmen gehörten der Einbau größerer Schmiedekolben und einer Kurbelwelle vom 300 D mit längerem Hub, die Erhöhung der Verdichtung, schärfere Nockenwellen, ein modifiziertes Motormanagement sowie Feinarbeiten, darunter polierte und geglättete Ansaugkanäle und eine Doppel-Katalysator-Auspuffanlage (So funktioniert ein Katalysator). Die beachtliche Mehrleistung gab es jedoch nur zum beachtlichen Preis. Das alltagstaugliche Sierra-Rennsport-Setup gab es für unter 50.000 Mark – im Vergleich zum 190 E 3.2 von AMG ein echtes Schnäppchen.
Wer den sportlichsten Baby-Benz sein Eigen nennen wollte, musste einen 190 E 2.6 für rund 54.000 Mark kaufen. Allein für den Motorumbau wurden noch einmal über 21.000 Mark fällig. Mit allen Extras wie Fahrwerk, Felgen und Karosseriemodifikationen ließ sich der Preis auf bis zu 125.000 Mark treiben. Dafür gab es alternativ auch einen neuen 500 SEL (W140). AMG und Mercedes-Benz schlossen 1990 einen Kooperationsvertrag. Von da an konnten AMG-Produkte auch über die Mercedes-Niederlassungen bestellt werden. Dadurch sank der Preis. Ab 1992 war der getunte 190er ab 82.000 Mark erhältlich. Die Vollversion mit Optik-Paket, Heckspoiler und Lederausstattung (So gelingt die Lederpflege) kostete über 100.000 Mark.
Zubehör für Mercedes-AMG-Fans:
Vom 190 E 3.2 AMG wurden nur 200 Stück gebaut
Das Kapitel Spassfaktor geht zugunsten des Ford aus. Das breite Drehzahlband des domestizierten Turbo-Motors in Kombination mit dem sportlich abgestimmten Fahrwerk und der sportiven Optik bringt authentisches Rennsport-Feeling. Der Mercedes ist ein faszinierendes Auto, aber als Alltagssportler zu glatt, zu unauffällig, beinahe zu perfekt. Auch daran kann man seine Freude haben – aber emotional betrachtet überflügelt der Sierra den sehr seltenen AMG 190 E 3.2 sprichwörtlich.
Auch interessant:
Technische Daten von Ford Sierra RS Cosworth und Mercedes 190 E 3.2 AMG
Classic Cars 03/2016 | Ford Sierra RS Cosworth | Mercedes 190 E 3.2 AMG |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 4/4; Turbo | 6/2 |
Hubraum | 1993 cm³ | 3205 cm³ |
Leistung | 150 kW/204 PS 6000/min | 172 kW/234 PS 5750/min |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 276 Nm 4500/min | 317 Nm 4500/min |
Getriebe/Antrieb | 5-Gang-Getriebe/Hinterrad | 5-Gang-Getriebe/Hinterrad |
L/B/H | 4459/1728/1376 mm | 4448/1690/1353 mm |
Leergewicht | 1237 kg | 1380 kg |
Bauzeit | 1986 – 1987 | 1990 – 1993 |
Stückzahl | 5542 | 200 |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 6,5 s (Messwert) | 6,9 s (Messwert) |
Höchstgeschwindigkeit | 240 km/h (Messwert) | 245 km/h (Messwert) |
Verbrauch auf 100 km | 12,6 l S (Messwert) | 16,3 l S (Messwert) |
Grundpreis (Jahr) | 48.240 Mark (1986) | 124.642 Mark (1990) |
Allein beim Betrachten der Bilder macht der Sierra den Eindruck, als könne er eine Ausfahrt am Wochenende in eine mit viel Adrenalin angereicherte Runde mit Nordschleifen-Charakter verwandeln. Man merkt und sieht dem Cosworth seine sportlichen Ambitionen, mit denen er damals angetreten ist, viel deutlicher an als dem 190er – trotz des großen Aufwands, den AMG betrieben hat, um mit Hilfe des Mercedes-Baukastens eine Sportlimousine zu bauen. Aber der AMG kann vieles etwas besser und hat trotz seines optisch dezenten Auftritts einen ausgeprägten sportlichen Charakter. Das macht sich leider auch beim Verbrauch bemerkbar.