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Nick Ebben von Auto Addiction: Porträt Das Auge der grünen Hölle

Tim Neumann Redakteur
Inhalt
  1. Nick Ebben, der Mann hinter Auto Addiction
  2. "Mittlerweile finde ich den Namen blöd"
  3. Das Unfall-Drama an der Nordschleife spitzt sich zu
  4. Familienglück und Tragödien liegen dicht beieinander
  5. Privat gerne mal im 735 PS starken RS 6
  6. The show must go on

Beinahe so berühmt wie die Nürburgring-Nordschleife höchstselbst sind die Touristenfahrten-Videos von Auto Addiction. Im Laufe seiner Youtube-Karriere erlebte Gründer Nick Ebben Tragödien, Rückschläge, aber auch Erfolge, Zusammenhalt und das ganz normale Nordschleifen-Chaos, wie er AUTO ZEITUNG beim exklusiven Treffen verrät. Porträt!

 

Nick Ebben, der Mann hinter Auto Addiction

Ein 3er BMW im Renntrimm schießt aus dem Wald heraus und bremst sich in die abschüssige Rechtskurve hinein. Der Mann mit der blauen Fotoweste visiert sein Ziel an und folgt dem Boliden mit der Hand an der Kamera und der Präzision eines Uhrmachers in die Senke. Wenige Augenblicke später brettert der Rennwagen über die Randsteine am Kurvenausgang und wirbelt dabei sandige Erde auf. Flink greift der Mann in seinen Rucksack und kritzelt auf einen Notizblock, der entfernt an einen Bingoschein erinnert. Ein Glückstreffer. Danach wieder alles auf Anfang: Objektiv zurückschwenken, fokussieren, lauern. Der Mann an der Kamera ist bei weitem kein gewöhnlicher Kameramann. Sein Name ist Nick Ebben, Gründer und Betreiber des Youtube-Kanals Auto Addiction.

Wir treffen Nick im Rahmen des NLS-Saisonfinales. Seine drei Kameras zielen auf die Strecke und teilen sich den Platz unter dem provisorischen Sonnensegel mit einem Laptop, einem Stromspeicher und einem Campingstuhl. Im Fangzaun klemmt eine leere Dose Energydrink. Der Streckenabschnitt Brünnchen ist nicht nur Nicks Arbeitsplatz, sondern auch der Ort, wo alles begann. "Mit Freunden habe ich damals einen Roadtrip durch Deutschland gemacht", erinnert sich der Niederländer mit sympathischem Akzent, "einmal Gasgeben auf der unbegrenzten Autobahn, Cochem besuchen ... und natürlich die Nürburgring-Nordschleife." Schon damals war das Brünnchen bekannt für häufige Abflüge, die von Hobby-Filmer:innen auch auf Youtube festgehalten wurden. Davon inspiriert, begab sich auch Nick mit seinem Handy an die Fangzäune und filmte einfach mal darauf los. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon

Der BMW XM (2023) im Fahrbericht (Video):

 
 

"Mittlerweile finde ich den Namen blöd"

Wieder in der Heimat angekommen, lud er ein paar Clips hoch und erzielte überraschend viele Aufrufe. Einem neuen Hobby auf der Spur, stand Nick nur zwei Wochen später schon wieder an der Strecke – dieses Mal immerhin mit einer Amateur-Kamera. So richtig heim kehrte der damals 26-Jährige danach nie wieder. Beinahe jedes Wochenende stand er nun stunden- und tagelang in der Eifel. Zusammen mit seinen Kumpels fiel ihm der Name Auto Addiction für den Youtube-Kanal ein. Es wurzelt im Niederländischen "Auto verslaaft" und meint autoverrückt, oder wortwörtlich eben autosüchtig. Heute kann Nick Ebben nur noch darüber lachen: "Mittlerweile finde ich den Namen blöd."

Doch der Name blieb, auch als aus dem Kumpel-Trio 2014 das Duo Nick und Wouter wurde. Und auch, als sich die beiden zunehmend professionalisierten und als Erste an der Nordschleife mit höheren Frameraten drehten. Bei einem monatlichen Youtube-Umsatz von 25 Euro war die Aufrüstung nur mit bedingungsloser Hingabe zu erklären. Im Grunde galt das aber für die gesamte Unternehmung – immerhin war Nick unter der Woche in Vollzeit zuerst als IT-Fachkraft und später als Prozess-Operator beim Chemiekonzern SABIC angestellt. Folglich entwickelte sich Auto Addiction zum größten Touristenfahrten-Kanal.

Während Nick seine Karriere am Ring Revue passieren lässt, fahren mehrere Abschleppfahrzeuge mit gecrashten Rennwagen durch das Brünnchen. Keine Frage: Motorsport ist und bleibt gefährlich, auch wenn es dieses Mal wohl keine Verletzten gab. Nick erinnert sich an einen der schlimmsten Unfälle, seitdem er hier filmt: 2015 war Jann Mardenboroughs Nissan GT-R über den Fangzaun geflogen und hatte dabei einen Zuschauer tödlich verletzt. Nur wenige Meter daneben hatte Nicks ärgster Konkurrent gedreht, der nach diesem Ereignis seine Kamera an den Nagel hing. Das Video und den ganzen Kanal verkaufte er anschließend an Auto Addiction.

Auto Addiction
Heute kann Nick dem Namen seines Youtube-Kanals nicht mehr so viel abgewinnen. Foto: AUTO ZEITUNG/Tim Neumann
 

Das Unfall-Drama an der Nordschleife spitzt sich zu

Es sollte nicht die letzte Tragödie für Nick Ebben bleiben. Immer wieder wurde er Zeuge von heftigen Crashs in der grünen Hölle. Aus moralischen Gründen lädt er selbst keine Unfälle mit Personenschaden hoch. Mit zwei Ausnahmen: Dem GT-R-Unglück und einem Motorradunfall, bei dem der Fahrer seinen Fahrfehler analysieren wollte. In beiden Fällen hielt er mit den Betroffenen beziehungsweise deren Angehörigen Rücksprache und gab das verdiente Geld an die Familien weiter. Sein vorbildliches Handeln haben wir im Rahmen der Vor-Recherche festgestellt. Im Gespräch erwähnt der bescheidene Niederländer das nicht. Leider verhielten sich nicht alle Bewegtbild-Tourist:innen so wie Auto Addiction. Weil heftige Unfälle heute wie damals auf Youtube am häufigsten geklickt werden, landeten immer mehr fragwürdige Szenen im Netz. Nick berichtet nachdenklich: "Ein Herr ging sogar so weit, dass er am Schwedenkreuz heimlich Kameras im Wald positionierte. An diesem Streckenabschnitt passiert in der Regel nicht viel. Aber wenn dort jemand abfliegt, dann wirds heftig."

Das rief auch die Nürburgring-Verwaltung auf den Plan. Kategorisch sollten solche Leute von der Strecke verbannt werden. Weil Nick Ebben mit Auto Addiction am bekanntesten war, traf es ihn zuerst und mit voller Härte. 2019 erhielt er ein Hausverbot. Doch weder ein Anwaltsschreiben noch der Hinweis eines Ordners vor Ort hielten ihn vom Filmen ab. Erst die Polizei konnte ihn mehr oder weniger zur Vernunft bringen. "Da dachte ich mir: Wouter, fahr du doch alleine zum Filmen rüber! Das Hausverbot gilt ja technisch gesehen nur für mich", gibt Nick mit einem schelmischen Grinsen von sich. Doch eine Dauerlösung war das natürlich nicht.

Gefährliche Situationen auf dem Nürburgring im Auto Addiction-Video:

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Familienglück und Tragödien liegen dicht beieinander

Mehr schlecht als recht hielt sich Auto Addiction in den folgenden Monaten mit Aufnahmen von anderen Rennstrecken über Wasser. Sogar Flugzeuge am örtlichen Flughafen wurden zum Motiv. Die Rettung kam, als der Nürburgring Anfang 2020 die positive Publicity der Touristenfahrten-Videos erkannte und seinen treuen Fan begnadigte. Der Haken: Er durfte im Rahmen der Touristenfahrten keine Crashs und auch keine Drifts mehr zeigen, denn auch das Querfahren war nach wie vor streng verboten. Nur die Unfälle bei offiziellen Rennen waren nun für ihn verwendbar. "Die ersten neuen Videos waren ziemlich langweilig", gibt der heute (Oktober 2023) 36-Jährige ohne Umschweife zu. Doch man arrangierte sich. Mittlerweile sieht man in den Videos wieder im 90-Grad-Winkel durch die Kurve zirkelnde BMW und auch den ein oder anderen zarten Bandenkuss.

Das Hobby zum Beruf machte Nick 2020, als seine Tochter zur Welt kam. Es hieß nun entweder Nine-to-Five oder Nordschleife. Er entschied sich für letztere Option. Umso schwerer fiel der Verlust von Wouter ins Gewicht, der sich nach psychischen Problemen 2022 das Leben nahm. Hinter der schwarzen Brille driften Nicks Augen in die Ferne: "Ich konnte nicht einfach ein paar Wochen mit dem Filmen am Ring pausieren, denn das war jetzt mein Job. Es war echt hart, als ich das erste Mal ganz alleine ohne Wouter an die Nordschleife gefahren bin." Doch das Dranbleiben hat sich gelohnt: Stand Oktober 2023 hat Auto Addiction 625.000 Abonnent:innen und verzeichnet etwa vier Millionen Clicks pro Monat auf Youtube. Schon länger sucht der Niederländer außerdem nach einem Kameramann zur Unterstützung. "Allerdings wollen nur die Wenigsten jedes Wochenende von acht Uhr morgens bis Open End hochkonzentriert mit der Kamera an der Strecke stehen", weiß der DIY-Fan.

Nick und Wouter
Bis zu Wouters Tod 2022 stets gemeinsam am Ring: Nick (links) und Wouter, die Gründer von Auto Addiction. Foto: Auto Addiction
 

Privat gerne mal im 735 PS starken RS 6

Passend dazu stößt Nathan von Statesidesupercars zu unserem Gespräch mit Nick Ebben hinzu. Auch er ist Niederländer und betreibt seit acht Jahren einen vergleichbaren Norschleifen-Youtube-Kanal mit Fokus auf BMW, für den er sogar extra an die Rennstrecke gezogen ist. Sie tauschen sich über einen Unfall am Eingang der Fuchsröhre aus. Dort hatte während des NLS-Rennens eine große Ölspur gelegen. Besonders aufgeregt wirken die beiden dabei nicht – dafür haben sie in den vergangenen Jahren schon zu viel in der grünen Hölle erlebt. Einige Entwicklungen stechen für Nick dabei heraus: "Vor zehn Jahren fuhren hier noch zu 80 Prozent echte Touristen und zu 20 Prozent Profis. Heute ist es genau andersherum. Ich denke, das liegt an den hohen Preisen für eine einzelne Runde und der vergleichsweise günstigen Jahreskarte. Zudem werden die Unfälle immer heftiger, weil die Autos immer schneller werden."

Auch der Auto Addiction-Gründer dreht gerne hin und wieder eine Runde auf seiner Lieblingsstrecke. Er besitzt einen auf 735 PS (541 kW) getunten Audi RS 6 (C7), mit dem er sogar schon Frau und Tochter über den Ring kutschiert hat. Im Winter dient der Power-Allradler zudem als Zugfahrzeug für den Familienurlaub im Wohnwagen. Für das preiswerte Pendeln zwischen den Niederlanden und der Nordschleife nutzt er allerdings einen VW Polo mit Dreizylinder-Diesel. "Auch mit dem bin ich schon auf dem Nürburgring gefahren", berichtet Nick mit breitem Lächeln. Stoff für Touristenfahren-Failvideos sei dabei aber nicht entstanden. Nur Wouter sei einmal mit einem gemeinsam gebauten Tracktool in der grünen Hölle abgeflogen.

 

The show must go on

Wo er sich in zehn Jahren sehe? Das kann Nick Ebben nur schulterzuckend beantworten. "Ich werde das so lange machen wie möglich", bekräftigt der 36-Jährige. Elektroautos sieht er in Zukunft jedenfalls nicht in Massen an seiner Linse vorbeizischen wie heute BMW und Porsche. Nick meint: "Nach nur einer Runde ist die Batterie schon überhitzt, dann geht nichts mehr". Doch noch ist der Feierabend am Ring nicht in Sicht: Das immer lauter werdende Röhren der Motoren im Wald kündigt den Start der abendlichen Touristenfahrten an. Für Nick Ebben ist das der Ruf der Pflicht. Er richtet seine Nürburgring-Kappe, nimmt noch einen großen Schluck Energydrink und geht zurück zu seinem Arbeitsplatz. Jetzt ist er wieder der Mann an der Kamera: schwenken, fokussieren, lauern, notieren. Das ist sein Job, das ist Auto Addiction.

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