SL 73 AMG: Krönung der Mercedes-R129-Baureihe
Der Gedanke schien lange Zeit völlig abwegig, ausgerechnet einen Mercedes-Benz, die Seriosität auf Rädern, den angestammten Amts- und Würdenträger:innen unter Deutschlands Automarken, den weltweiten Maßstab für Komfort, Sicherheit und Solidität, zum Kandidaten für eine ans Customizing grenzende Leistungs- und Styling-Kur heranzuziehen. Was immer diese respektlose Frisierstube aus Großaspach da im Schilde führte, es würde auf Dauer nicht gutgehen.
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Ende der Fahnenstange: Der Mercedes SL 73 AMG
Für die Stammkundschaft im Dreiteiler mit Ärmelschonern grenzte es an Blasphemie. Doch es gab offenkundig eine Parallelwelt im Mercedes-Universum, und mit der Verjüngung des Modellprogramms – angeregt durch den 190 und die neue S-Klasse W126 – spezialisierten sich bald weitere Umbau-Betriebe auf die Marke mit dem Stern im Grill. Bei AMG wurde dieser, ebenso wie alle anderen Chromteile, bald schwarz eloxiert, was den beinahe zwanghaft korrekten Charakter der Limousinen und Coupés aus Stuttgart weiter untergrub und zu einem polarisierenden Merkmal wurde, an dem AMG gegen jede Stilkritik festhielt – ähnlich wie Alpina an seinen markanten doppelten "Rallyestreifen".
Passend zum großspurigen Auftritt gewöhnte man sich bei AMG an, den nie mit höchsten Literleistungen aufwartenden Daimler-Motoren mehr Power zu entlocken, indem man außer klassischen Frisiertechniken dazu überging, die Aggregate größerer Baureihen in die kleineren Modelle zu stopfen, bis die Motorhaube sich fast nicht mehr schließen ließ. So entstanden in den 80er-Jahren aufsehenerregende AMG-Versionen wie der 190E 3.2 und der 300 CE 6.0, dem bald der treffende Spitzname "The Hammer" angehängt wurde. Was bei den geschlossenen Modellen hervorragend funktionierte, erforderte beim SL der Reihe R129 den Mut, wirklich an die Grenzen zu gehen.
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Daimler übernimmt AMG
Daimler-Benz machte Anstalten, AMG das Feld der Hochleistungswagen nicht länger allein zu überlassen. 1991 hatte AMG mit dem SL 60 einen Sechsliter-V8 mit 385 PS (283 kW) auf Kiel gelegt, doch ein Jahr später schlug das Imperium zurück: Im SL 600 arbeitete der leibhaftige V12 mit gleichem Gesamtvolumen und 394 PS. AMG konterte mit dem SL 73, und auch weil über diesem mehr als 500 PS starken Zweitonner nun wirklich kein Platz mehr war, tat der Daimler-Konzern gut daran, die längst vor der eigenen Haustür in Affalterbach ansässige PS-Schmiede offiziell in seine Markenwelt zu integrieren.
Der SL 73 AMG markierte als eines der letzten nicht offiziell zum Komplettpreis angebotenen AMG-Modelle diesen Ritterschlag für AMG. Spätestens seitdem gehören auch fast frivole Leistungskuren bei Daimler zum guten Ton. Der Umbau eines mit 226.432 Mark in der offiziellen Mercedes-Preisliste geführten SL 600 zum SL 73 AMG kostete neben dem Aufpreis für das AMG-Stylingpaket und die entsprechenden 17-Zoll-Leichtmetallräder einen weiteren Aufschlag von 99.180 Mark. Heute gehört der SL 73 AMG zusammen mit den übrigen in dreistelliger Größenordnung hergestellten AMG-Versionen zu den wenigen Raritäten im großen Restbestand des über 200.000 Mal gebauten Roadsters vom Typ R129.
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Technische Daten des Mercedes SL 73 AMG
Classic Cars 09/2020 | Mercedes SL 73 AMG |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | V12/4 |
Hubraum | 7291 cm³ |
Leistung | 386 kW / 525 PS bei 5500 /min |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 750 Nm bei 4000 /min |
Getriebe/Antrieb | 5-Stufen-Automatik / Hinterrad |
L/B/H | 4499 / 1812 / 1296 mm |
Leergewicht | 1880 kg |
Bauzeit | 1999 – 2001 |
Stückzahl | ca. 42 |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 4,8 s |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 14,4 l S |
Grundpreis (Jahr) | ca. 340.000 DM (1999) |