Mit BMW 501 Barockengel der goldenen Zeit der IAA auf der Spur
- Die IAA-Zeitreise mit dem BMW 501 Barockengel beginnt in einem 50er-Jahre-Kleinod
- Nicht nur die IAA, sondern auch die Deutsche Bank ist mit der BMW-Historie verwoben
- Der BMW 501 ist einem Elektro-SUV näher, als man denkt
- BMW vermarktet den 501 ohne Servolenkung in der Großstadt als "unübertroffen"
- Gold aus der Vergangenheit: Stöbern im Messe-Archiv
- Vor der Festhalle verfliegt die Aufbruchsstimmung für einen Moment
- Technische Daten des BMW 501
- Fazit
Die deutsche Automobilindustrie ist in Aufbruchsstimmung. Nur wohin man aufbrechen soll, darüber scheint sich niemand so richtig einig zu sein. Bezeichnend dafür steht der Spiegel der hiesigen Auto-Wirtschaft, die IAA: Sie bricht 2019, nach knapp 70 Jahren, von Frankfurt nach München auf, verpasst sich mit dem Zusatz "Mobility" einen neuen Anstrich und könnte bald erneut aufbrechen – zurück nach Frankfurt. "Wir haben unseren Hut in den Ring geworfen", lässt sich Oberbürgermeister Mike Josef im Frühjahr 2025 von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in diesem Kontext zitieren.
Anfang der 1950er-Jahre braucht es keinen sprichwörtlichen Hut, sondern nur eine ganz reale "vorzügliche Flasche Mosel", um die Verhandlungen mit dem Daimler-Benz-Vorsitzenden Wilhelm Haspel und dem Präsidenten des Verbands der Automobilindustrie (VDA) Max Thoennissen zum erfolgreichen Abschluss zu bringen, wie sich der damalige Frankfurter Bürgermeister Walter Leiske später erinnert. Vom 19. bis 29. April 1951 steigt sie dann, die erste IAA in Frankfurt – und wird zum Riesenerfolg. Einer der großen Stars auf der Messe kommt dorther, wo die IAA aktuell beheimatet ist: Der BMW 501, der die erste Neuentwicklung der Marke nach dem Krieg ist. Seinen Spitznamen "Barockengel" wird er aufgrund seiner ausladenden Formensprache bald schon weghaben. Wir haben den automobilen Zeitzeugen noch einmal nach Mainhattan gebracht um der Frage auf die Spur zu gehen, was die IAA in Frankfurt heute bräuchte, um an die goldenen Zeiten von damals anzuknüpfen.
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Der BMW X3 (2024) im Video:
Die IAA-Zeitreise mit dem BMW 501 Barockengel beginnt in einem 50er-Jahre-Kleinod
Rollen wir deshalb auf eine Zeitreise. Und die muss noch nicht einmal zwingend in der Bankenmetropole beginnen: Um die automobilen 50er-Jahre nachempfinden zu können, reicht schon ein Besuch im Nachbarstädtchen Bad Homburg. Dort bietet das Automuseum Central Garage neben freiem Eintritt in seine regelmäßig wechselnden Ausstellungen auch eine liebevoll restaurierte Gasolin-Tankstelle jener Ära. Durch ihre Zapfhähne fließt zwar schon längst kein Sprit mehr, dafür verströmt das kleine Tankwart-Häuschen mit Antiquarien wie "Gasolin-Revue", "Hartmann Auto-Apotheke" und "Transita"-Radio genau den Zeitgeist, der sich auch im beige-graugrünen BMW 501 widerspiegelt.

Den Barockengel aus dem Fußball-Weltmeisterschaftsjahr 1954 hat uns BMW-V8-Clubmitglied (Hier gehts zur Web-Präsenz des Clubs) Lothar Dauer mitgebracht. Es handelt sich um einen der ältesten noch existierenden 501er, denn trotz des IAA-Debüts 1951 sollte es noch anderthalb Jahre dauern, bis BMW in Baur aus Stuttgart einen Karosserielieferanten finden und die ersten Serienfahrzeuge fertigen konnte. Zwar strahlt die mondäne Zweifarblackierung der Luxuslimousine bereits den wiedergefundenen Stolz der Wirtschaftswunderjahre aus, doch hinter der barocken Fassade sind noch immer die Entbehrungen der harten Nachkriegszeit zu spüren.
Nicht nur die IAA, sondern auch die Deutsche Bank ist mit der BMW-Historie verwoben
So handelt es sich beim Zweiliter-Reihensechszylinder um ein Vorkriegsaggregat aus dem BMW 326, das die Marke aber in Sachen Drehmoment und Leistungsfähigkeit enorm weiterentwickelt hat. Und die vielen Zierteile sind nicht etwa verchromt, sondern bestehen aus handpoliertem Aluminium, das nach der eingestellten BMW-Flugmotorenproduktion nunmal zuhauf verfügbar war. Sein Exemplar hat der Wiesbadener zwischen 2022 und 2023 nach langer Standzeit umfangreich restauriert und damit sogar den Erstbesitzer bei seiner sehr emotionalen Diamanthochzeit besucht. Es sind diese Geschichten, die nur das Leben schreiben kann. Und wie es der Zufall so will, stand auch Lothar Dauer Anfang der 90er bereits als Aussteller auf der IAA, wie er uns auf der Fahrt nach Frankfurt verrät.
Die Internationale Automobil-Ausstellung ist also noch immer tief in der Region verwurzelt, aber auch der BMW ist kein Fremder in der Mainmetropole. Seine Doppelniere ragt beinahe so stolz empor wie die Zwillingstürme der Deutschen Bank, die wir im Frankfurter Westend passieren. Bevor in den 60ern der Slogan "Freude am Fahren" erfunden wird, spottet man über das bipolare Angebot aus Barockengel und Isetta, mit dem sich die Marke sukzessive herunterwirtschaftet: BMW baue lediglich "Autos für Bankdirektoren und Tagelöhner". Ausgerechnet die Deutsche Bank ist es auch, die 60 Prozent der BMW-Aktien hält, als man 1959 den Plan fasst, die marode Marke an Daimler-Benz zu veräußern. Doch die Kleinaktionäre blockieren den Vorschlag und holen Herbert Quandt ins Boot, der mit seinen Investitionen der Firma den Weg ebnet, um mit sportlichen Mittelklasseautos wie der Neuen Klasse Geschichte zu schreiben. Dreimal darf man raten, auf welcher Messe das Erfolgsmodell präsentiert wurde.
Der BMW 501 ist einem Elektro-SUV näher, als man denkt
Heute besteht das Erfolgsrezept der deutschen Autobranche aus den drei Buchstaben S, U und V und davon ist auch ein Barockengel gar nicht so weit entfernt, wie man meinen könnte. Zum einen entspricht er in seinen Maßen ungefähr einem aktuellen BMW X3 und auch die thronende Sitzposition auf den Federkernsesseln würde den Ansprüchen der neuzeitlichen Kundschaft problemlos gerecht werden. Ebenso das Geräuschniveau: Der Zweiliter-Sechszylinder säuselt dermaßen gemütlich, dass ihn die "Auto, Motor und Sport" bei ihrem ersten Test 1953 mit einem Elektromotor gleichsetzt. Nur der magnetisch betriebene Winker in der B-Säule erinnert akustisch daran, dass der BMW bereits mehr als 70 Jahre auf dem barocken Buckel hat. Sein sattes "Klonk" beim Zurückrasten klingt jedes Mal so, als würde dem einstigen Luxuswagen eine Radkappe abfallen.

Zum Glück ist aber noch alles heile, als wir einen kleinen Fotostop an der Alten Oper einlegen. Kaum irgendwo in Frankfurt liegen Vergangenheit und Zukunft näher beieinander als hier. Ob eine erneute IAA hier zum Abgesang auf die deutsche Autokultur avanciert? Oder könnte man es doch hinkriegen, dass die an uns vorbeiflitzenden Lastenräder, E-Scooter, Busse und Fahrdienste mit den unzähligen Privat-Pkw – mit welchen zukunftsfähigen Antrieben auch immer – sowohl auf der Messe als auch auf der Straße auf einen möglichst grünen Zweig, oder besser gesagt: auf eine grüne Spur kommen?
BMW vermarktet den 501 ohne Servolenkung in der Großstadt als "unübertroffen"
Dass auch ein Barockengel in die Metropole gehört, darüber sind sich die Werbetextenden damals einig: "Im Gedränge der Großstadt ist der temperamentvolle BMW 501 unübertroffen." Dass die "leichtgängige Präzisionslenkung" noch nicht einmal servounterstützt ist, stört damals die Wenigsten. Und auch die viergängige Lenkradschaltung ist eher von der entschleunigenden Sorte, sodass die doppelt-gekuppelten Jahreswagen neben uns schon längst über die Ampelkreuzung hinweg sind, bevor wir überhaupt den zweiten Gang einlegen können. Das anschließende Mitschwimmen ist aber dank des bei 2500 Touren anliegenden 130-Nm-Drehmomenthügels kein Problem.
Der mittägliche Verkehrsfluss spült uns in die Westendstraße 61. An der Adresse in der Gründerzeit-Siedlung gibt es heute keinerlei Hinweise mehr darauf, dass dort bis vor etwa 15 Jahren noch der Verband der Automobilindustrie seinen Sitz hatte. Das Gebäude im Bauhausstil musste nach dem VDA-Wegzug in Richtung Berlin Luxus-Appartements weichen, nur die weißen Zaunpfosten von damals schmücken noch den Eingang, vor dem der BMW fürs Foto kurz anhält.
Gold aus der Vergangenheit: Stöbern im Messe-Archiv
Der VDA mag zwar fort sein – das riesige Messe-Gelände ein paar Straßenzüge weiter ist noch immer da. Sogar die Automobilbranche blieb der Stadt erhalten, weil es neben der weggezogenen IAA ja auch noch die Automechanika-Messe gibt. 1971 hatten sich die Zubehör-Industrie, das Kraftfahrzeughandwerk und die Tankstellenwirtschaft zusammengetan und die in jenem Jahr wegen Sparmaßnahmen entfallene IAA durch eine Fachbesuchermesse ersetzt. Das Konzept ging auf, sodass ab 1972 bis heute alle zwei Jahre abwechselnd zur IAA die Automechanika in Frankfurt steigt.

Die pragmatisch-stolze Haltung bekommt man auch zu spüren, wenn man das Archiv der Messe hoch oben in Halle 9 besucht. Unzählige Messeplakate der vergangenen Jahrzehnte, meterlange fahrbare Regale und Dokumente, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen, zeugen von der Bedeutung des mit knapp 600.000 m² drittgrößten Ausstellungsgeländes der Welt. Den für unsere Geschichte größten Schatz hat Archivar Peter Kerwien aber auf einem grauen Tisch ausgebreitet: Dort liegen Eintrittskarten, Aussteller-Ausweise, Schwarz-Weiß-Collagen und ein dickes Ausstellerverzeichnis – alles von der IAA 1951.
Vor der Festhalle verfliegt die Aufbruchsstimmung für einen Moment
2,50 D-Mark kostet der Eintritt, was damals einem Preis von knapp drei frischen Broten entspricht. Und an den ausgestellten Fahrzeugen können sich die 570.000 Besuchenden kaum sattsehen. Die Atmosphäre beschreibt die Auto, Motor und Sport so: "Über Autos, Menschen und glitzerndem Zubehör lag spannungsgeladenes Brodeln und Summen, und darüber schwebte eine Wolke aus den blauen Kringeln unzähliger Zigaretten." Dass die meisten Exponate noch für eine lange Zeit lediglich Träume bleiben sollen, liegt weniger an der tatkräftigen Autobranche als vielmehr an der fehlenden Kaufkraft und der geringen Führerschein-Verbreitung der Deutschen. Auch Bundespräsident Theodor Heuss gesteht bei seiner Eröffnungsrede, dass er gar nicht Auto fahren kann.
Heute wie vor 70 Jahren ist es der Export, der den Motor der deutschen Volkswirtschaft antreibt. Nur, dass sich damals niemand daran stört, dass so ein BMW 501 vornehmlich in der Schweiz oder in Schweden herumfährt. Hauptsache, er steht zuerst in der Frankfurter Festhalle, prominent unterhalb des zentralen Treppenvorbaus. Als wir mit dem Barockengel vor dem knapp 120 Jahre alten Kuppelbau ankommen, ist die Aufbruchsstimmung für einen Moment verflogen. Der Messeturm spiegelt sich im Lack der Kotflügel und heißt das zurückgekehrte Stück IAA-Historie willkommen. Wir sind gespannt, ob es auch der Rest der Mobilitätsmesse zurück nach Frankfurt schafft.
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Technische Daten des BMW 501
Classic Cars 10/2025 | BMW 501 |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 6/2 |
Hubraum | 1971 cm³ |
Leistung | 53 kW/72 PS 4400/min |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 130 Nm 2500/min |
Getriebe/Antrieb | 4-Gang-Getriebe/Hinterrad |
L/B/H | 4730/1780/1530 mm |
Leergewicht | 1340 kg |
Bauzeit | 1952-1964 |
Stückzahl | ca. 9300 |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 21 s |
Höchstgeschwindigkeit | 143 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 12,5 l S |
Grundpreis (Jahr) | 13.150 Mark (1954) |
Manchmal lehrt uns die Vergangenheit Erstaunliches. Zum Beispiel, dass eine Messe nicht nur den Status Quo, sondern vor allem die Träume der künftigen Massenmobilität erfolgreich erlebbar machen kann. Auch, wenn es wirtschaftlich mal nicht so läuft. Mit Mobilität meinen wir nicht nur Autos, sondern sämtliche Fortbewegungsmittel. Der Raum muss für alle da sein, für Lastenräder wie für einen BMW 501. Dass Letzterer bei uns Oldtimerfans im Kopf trotzdem Vorfahrt hat, ist logisch. Ob man dabei in Frankfurt, München oder sonst wo unterwegs ist – Hauptsache, alle ziehen an einem Strang. Auch das könnte die IAA abbilden.