Bitter Vero: So fährt sich der eingedeutschte V8-Hammer
Wiesmann oder Irmscher? Alpina, Ruf oder Brabus? Nö. Wenn Günther Jauch nach dem kleinsten Autohersteller Deutschlands anno 2007 fragen sollte, kommen die üblichen Verdächtigen nicht mehr in Frage. Man bräuchte schon einen besonders gut informierten Telefonjoker, um auf die richtige Antwort zu kommen: Bitter. Bitter? Ja. Erich Bitter (Hier gehts zu unserer Reportage auf Erich Bitters Spuren). Ex-Radrennfahrer, Ex-Rennfahrer, Ex-Autohändler und -importeur, Wegbereiter des feuerfesten Overalls und eben: Automobilhersteller. 1972 verlieh ihm das Kraftfahrt-Bundesamt diesen Titel, und in den folgenden Jahren produzierte der 2023 verstorbene Westfale Kleinserienfahrzeuge, die italienisches Design mit solider Großserientechnik von Opel kombinierten.
Nach einigen derben Rückschlägen war es 2007 wieder soweit. Erich Bitter präsentierte sein Alterswerk, eine 5,20 m lange Limousine mit dem Namen Vero (Der Wahre). Und wie einst war der Tüftler wieder im weiten Reich von General Motors fündig geworden: Als Ausgangsprodukt für seinen Vero diente ihm das Limousinen-Flaggschiff der australischen General Motors-Marke Holden, der Statesman. Den baute Holden für den Export (unter anderem in die Vereinigten Arabischen Emirate) auch als Linkslenker.
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Der Opel Frontera (2024) im Fahrbericht (Video):
Fahrbericht: Dank Bitter-Abgasanlage hämmert der V8 des Vero in den Innenraum
Das Gute am Statesman: Zwischen den Vorderrädern sitzt kein lieblos gemachter Sechszylinder, sondern eine Ikone des American Way of Drive: der sechs Liter große V8, der auch Corvette-Fans mit Klang und Power warm ums Herz werden lässt. Im Statesman leistet der Zweiventiler 368 PS (270 kW) und 530 Nm. Bitter ließ für den Vero eine Auspuffanlage bauen, durch die der Hubraum-Koloss freier ausatmen kann und dadurch nochmal zehn PS und fünf Newtonmeter zusätzlich generiert. Beim Beschleunigen dringt animierendes V8-Hämmern an die Ohren der Besatzung, das die durchaus ansehnlichen Fahrleistungen untermalt: Bei 250 km/h wird abgeregelt, für den Sprint von null auf 100 km/h vergehen keine sechs Sekunden. Der Verbrauch von knapp 13 Litern geht für ein Triebwerk dieser Größenordnung in Ordnung.
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Und nach einer Ausfahrt mit einem von lediglich zehn gefertigten Vero lassen sich die technischen Daten nachspüren. Druck ist allzeit reichlich vorhanden; selbst im fünften Gang der weich schaltenden Automatik, die zwar verschiedene Fahrprogramme bietet, sich aber nicht mittels Paddeln am Lenkrad bedienen lässt. Das Fahrwerk passte Bitter der vorhandenen Power an – mit mehr Straffheit und breiten 18-Zoll-Rädern (20-Zöller gab es wahlweise ohne Aufpreis). Die gewählte Abstimmung beweist Augenmaß, denn krasse Härten gibt es ebenso wenig zu bemängeln wie nutzfahrzeughaftes Handling. Nur die Lenkung konnte Bitter nicht optimieren: Sie wirkt in schnellen Kurven ein wenig zu desinteressiert, um Premium-Ansprüchen zu genügen.
Vero damals teurer als ein 911 GT3
Die erfüllt dafür der Innenraum des Bitter Vero, der vorn ein wenig mit Kopffreiheit geizt, hinten dafür Raumkomfort auf höchstem Niveau bietet – kein Wunder bei 5,20 m Außenlänge. In Deutschland eingetroffen, wurde der Statesman sozusagen entkernt und dann überall dort mit extraweichem Leder ausgeschlagen, wo es gerade möglich war. Am Dachhimmel findet sich Alcantara, was den Kuschelfaktor um einiges erhöht. Bitter-Fahrende tragen also den Nerz nach innen, denn das Exterieur ist lange nicht so exaltiert wie bei früheren Bitter-Produkten à la CD oder SC.

Neue Schürzen an Bug und Heck, ein großer Kühlergrill mit dem typischen Bitter-B und eine neu modellierte Motorhaube aus Kohlefaser mussten reichen, um dem biederen Statesman-Exterieur auf die Sprünge zu helfen. Mehr Individualitätsstreben war damals schlicht nicht drin, denn sonst hätten Crashtests den Vero weiter verteuert. Und teuer genug war er ja ohnehin schon, wobei die Ausstattung von der vierfachen Sitzheizung bis zum DVD-Bordkino keine Wünsche übrig ließ. 121.975 Euro musste es der Neuwagenkundschaft wert sein, einen Vero zu fahren. Zum Vergleich: Ein Porsche 911 GT3 kostete seinerzeit zehn Riesen weniger.