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Geht auch ganz einfach:

McLaren 650S Spider vs. Porsche 911 Turbo S Cabrio: Sportwagen-Vergleich Offen für Alles

Inhalt
  1. Motor/Getriebe
  2. Fahrdynamik
  3. Fahrkomfort
  4. Karosserie
  5. Umwelt/Kosten
  6. Technische Daten & Gesamtbewertung als PDF zum nachlesen

Mit Vollgas auf der Rennstrecke oder einfache locker relaxen und sich die Sonnen-Dusche geben: Diese beiden Oben-Ohne-Sportler sind Hightech-Automobile für alle Sinne

Gräbt man mal in der Vergangenheit von McLaren, so stellt man fest, dass die Briten schon mit fast allen wichtigen deutschen Marken eine Liaison hatten: Für den Le Mans-Renner F1 lieferte BMW ein V12-Aggregat, am Prestige-Projekt SLR beteiligte sich Mercedes mit einem Kompressor-V8, und Porsche entwickelte den 1,5-Liter-Sechszylinder TAG-Turbo, mit dessen Hilfe McLaren in den 80ern dreimal die Formel-1-WM gewann.

Heute entwickelt und baut McLaren seine Straßensportwagen selbst. Neueste Kreation: Der 650S, den man in Woking einen „re-engineered 12C“ nennt – eine überarbeitete Variante des seit 2011 gebauten Sportlers. Der F1-Motorenpartner von einst schickt das stoffbedachte 911 Turbo S Cabriolet zum Vergleichstest gegen die britischen Hardtop-Variante.

 

Motor/Getriebe

Sie meinen, für Sprintzeiten von rund drei Sekunden braucht es einen Rennfahrer mit sensiblen Füßen hinterm Steuer? Das war einmal, denn Doppelkupplungsgetriebe und Launch Control machen aus Sportwagen mittlerweile berechenbare und sehr effiziente Sprint-Automaten, die jeder Führerscheininhaber bedienen kann. Wenn allerdings die Turbolader zünden, braucht man trotz moderner Regelsysteme starke Nerven. Lesen Sie laut vor: „Porsche 911 Turbo S Cabriolet.“

In dieser Zeit hat der Zuffenhausener schon Tempo 100 auf der Uhr, keine sieben Sekunden später wandert die Nadel über die 200-km/h-Markierung. Der hinterradgetriebene McLaren 650S Spider hat aus dem Stand einen leichten Beschleunigungs-Nachteil gegenüber dem Allrad-Elfer, der seine Power über eine elektro-hydraulisch gesteuerte Lamellenkupplung zwischen Vorder- und Hinterachse variabel verteilt.

Oberhalb von 100 km/h aber nimmt der McLaren dem Porsche 1,2 Sekunden auf 200 km/h ab und rennt mit genügend Auslauf elf km/h schneller – im sechsten Gang übrigens, denn Nummer sieben ist hier wie dort nur eine lang übersetze Schonstufe, um Drehzahlen und damit den Verbrauch zu senken.

Große Reichweiten darf man mit beiden Sportlern nicht erwarten, schon gar nicht bei fl otter Fahrweise. Doch der Porsche-Antrieb ist trotz beeindruckender Fahrleistungen auch erstaunlich effizient. 12,5 Liter reichen dem Schwaben im Schnitt auf 100 Kilometern, dabei kuppelt er im Schub-Betrieb aus („segelt“), rollt weiter und schaltet den bärenstarken Biturbo im Stand ab. Solche Helfer passen zwar nicht so richtig zu einem echten Sportler, doch die Vorteile zeigen sich im direkten Vergleich mit dem McLaren, der auf 100 Kilometern gut vier Liter mehr Hochoktaniges aus seinem 72-Liter-Tank saugt – ohne Spritspartechnik, aber mit zwei zusätzlichen Zylindern.

Zwei Kupplungen, sieben Vorwärtsgänge und butterweiche Gangwechsel sind hier wie dort Standard. Im Gegensatz zum Briten hält der Deutsche beim Durchbeschleunigen den Gang aber nicht, sondern schaltet vor Erreichen des Drehzahlbegrenzers automatisch hoch – oder runter, sobald man über die Kickdown-Schwelle im Gaspedal tritt. Speziell im Stop-and-Go-Verkehr arbeitet das Porsche-Getriebe geschmeidiger, lässt den 911 nach dem Lösen der Bremse ohne Rucken im Kriechgang losrollen – wie bei einer Wandlerautomatik. Auch der McLaren kann kriechen, lässt beim gemütlichen Anfahren jedoch eine Kupplung bis rund zehn km/h schleifen und produziert damit höhere Motordrehzahlen.

Wenn der Sechszylinder-Biturbo aus dem Zuffenhausener Werk schon bei rund 2000 Umdrehungen mit gewaltigem Punch loslegt und das Stoffdach-Cabrio vom Trab in den Galopp bringt, sollte man im flachen Klappdach-Briten erst einmal herunterschalten, bevor man zum Überholmanöver ansetzt. Wo der Turbo im Automatik-Modus den Gang hält, weil genügend Drehmoment ansteht, wählt der 650S die nächstniedrigere Stufe. Denn unter 3000 Touren regt sich das V8-Aggregat mit Doppelturbine kaum, darüber kommt es langsam in die Gänge, und ab 4000 /min geht endlich die Post ab.

 

Fahrdynamik

Was ist schon eine halbe Sekunde? Ein Wimpernschlag. Quasi nichts. Genau diese Zeit trennt McLaren 650S Spider und Porsche 911 Turbo S Cabriolet auf der Grand-Prix-Strecke des Nürburgrings. Interessant aber ist, wie diese Zeiten zustande kommen, denn die Datenanalyse weist zunächst einen in Kurven und vor den Anbremspunkten überlegenen McLaren aus.

Fast 200 Kilogramm mehr Ballast und der höhere Schwerpunkt kosten den Porsche in Sachen Querdynamik Zeit, die er sich aber größtenteils dank der extrem starken und auch im Alltag sehr feinfühlig dosierbaren Karbon-Keramik-Bremse wieder zurückholt.

Schon bei der Verzögerungsmessung setzt der Turbo S mit 31,6 Metern und 30,7 Metern (kalt/warm) ein fettes Ausrufezeichen. Einen Tick dahinter rangiert der 650S (32,2 m/31,3). Dessen ABS regelt unter Extrembedingungen und auf leichten Bodenwellen nicht so sauber wie das des Zuffenhauseners – zum Beispiel am Ende der Start-/Zielgeraden, wo wir im McLaren aus 246 km/h bis auf Tempo 60 verzögern – Schwerstarbeit für die wie im Porsche serienmäßigen Scheiben aus Verbund-Material.

Etwas mehr Rückmeldung gibt die elektro-mechanische Elfer-Lenkung, unterstützt von der mitlenkenden Hinterachse sowie den optionalen Dunlop Sport Maxx Race-Gummis. Die Haptik des dünneren und griffigeren, mit Alcantara bezogenen McLaren-Lenkrads gefällt uns aber deutlich besser. Über die Turbo S-Traktion brauchen wir nicht viele Worte zu verlieren, denn der variable Allradantrieb sorgt für brachialen Vortrieb. Immer. Überraschend hingegen ist die Performance des 650S Spider, serienmäßig mit P Zero Corsa-Bereifung unterwegs.

Behutsam aufgewärmt und mit dem richtigen Luftdruck versehen, kleben die 305 Millimeter breiten Hinterräder regelrecht auf dem Asphalt. So muss man am Kurvenausgang nicht erst warten, bis die Vorderräder des Spider wieder gerade stehen, sondern kann schon ab dem Scheitelpunkt fast voll aufs Gas steigen, dabei die Lenkung leicht öffnen und sich bis zum Kerb hinaustragen lassen. Und wenn Antriebsmoment sowie Querbeschleunigung doch einmal nicht harmonieren sollten: Bei leichtem Übersteuern wohl dosiert gegenlenken, die Stellung des Gasfußes um keinen Millimeter ändern und abwarten, bis die Pneus wieder haften. Das werden sie – garantiert.

 

Fahrkomfort

Adaptive Dämpfer gehören in Alleskönner-Sportlern zum Standardpaket für den Spagat zwischen Rennstrecke und Shopping-Tour. Doch so radikal und kompromisslos der McLaren teilweise ist, so federt er doch deutlich souveräner als der Porsche. Speziell die Hinterachse des Turbo S gibt sich bereits auf kleinen Querfugen und Kanten poltrig und reicht Stöße an die Insassen weiter.

Die Vorderachse hingegen wirkt geradezu leichtfüßig und verarbeitet beinahe jede Art von Unebenheit anständig. Fahrwerk und Karosserie sind im 650S Spider besser entkoppelt, nur beim Überfahren kleiner Absätze oder tiefer Fugen poltert die Vorderachse etwas. Nicht ganz so angenehm ist der McLaren hingegen fürs Gehör. Schon beim Start rotzt der V8 ganz ungeniert durch die beiden über dem Nummernschild installierten Endrohre.

Der Porsche hingegen mimt den Leisetreter und hält den Ball akustisch stets flach. Unter Last übertönt das fauchende Abgasgeräusch den Sound des Boxers, allerdings dröhnt der Elfer im Innenraum zwischen 2000 und 3000 Touren mit unangenehmer Frequenz.

Größere sowie besser erreichbare Ablagen sichern dem Porsche ein paar Punkte in Sachen Ergonomie, seine Schalensitze bieten auch auf langen Strecken in den Elfer ist keine Turnübung wie im McLaren, für den eine individuelle Anpassung der Schalen im Preis von 6030 Euro inklusive ist.

Diese Anpassung nimmt die Abteilung MSO (McLaren Special Operations) vor, die wahrscheinlich alle Kunden-Wünsche gegen Bargeld erfüllt – sogar bis zur Umgestaltung der Karosserie. Fast hätten wir es vergessen: Der Porsche ist ein Viersitzer, wobei hinten höchsten Kinder Platz finden – serienmäßig isofixiert.

 

Karosserie

Braucht man in einem Sportwagen ein Abstandsradar? Geschmackssache. Auf jeden Fall bietet Porsche ein solches für 1928 Euro an, ebenso wie einen Verkehrsschild-Scanner (417 Euro). Darüber hinaus sind ein Fernlichtassistent, Kurvenlicht und eine Einparkhilfe serienmäßig an Bord. Die Sensoren an Bug und Heck kosten bei McLaren 1930 Euro extra – das ist sehr gut angelegtes Geld.

Genau wie die 1210 Euro für die Rückfahrkamera, denn die Sicht aus dem 1,20 Meter flachen Coupé ist rundum sehr eingeschränkt. Wirklich nervig ist die Bedienung im reduzierten 650S-Cockpit. Die vielen Untermenüs des Bordcomputers hat man irgendwann verstanden, auch die Klimaregelung und die Fahrwerks- sowie Antriebseinstellungen sind einigermaßen logisch.

Die umfangreiche Multimedia-Einheit jedoch fordert die volle Konzentration des Fahrers. Allein um das Telefon zu koppeln oder einen Radiosender abzuspeichern, muss man via Touchscreen umständliche Wege im Menü gehen. Außerdem reagiert das System nach Fingerdruck auf dem Hochkant-Bildschirm extrem träge. Der Porsche hat ebenfalls einen Touch-Bildschirm und viele dicht nebeneinander angeordnete Knöpfe im Cockpit.

Übersichtlich geht anders, doch die Bedienung ist schneller verständlich und logischer im Aufbau. Trotz toller Materialien und sauberer Verarbeitung kann McLaren von der inzwischen zum Großserienhersteller gereiften Porsche-Manufaktur noch viel lernen: Uns fehlen beim Spider wäh-rend des Tests Quietsch- und Knirschgeräusche aus der Beifahrertür und nach einem Regenschauer Wassereintritt im Verdeckkasten auf.

 

Umwelt/Kosten

Wenn nur das leidige Geld nicht wäre … Für fast 210.000 Euro bekommt man ein schon gut ausgestattetes 911 Turbo S Cabriolet, 255.000 Euro fordert McLaren für den 650S Spider. Allerdings sieht der Brite dann noch lange nicht so aus wie unser Testwagen.

Die Versicherungseinstufungen für das orangefarbene Geschoss sind individuell – aber mit Sicherheit sehr hoch, genau wie die Wartungskosten. Doch das wird interessierte McLaren-Kunden wohl kaum vom Kauf eines 650 S abhalten.


FAZIT

Um schnell fahren zu können, braucht der Elfer-Fahrer keine besonderen Fähigkeiten: Allradantrieb und Elektronik regeln im Hintergrund fast alles, sodass es selten brenzlig wird. Doch gerade weil man mit dem Turbo fast nichts falsch machen kann, wird er im Vergleich mit dem 650S Spider schon fast zum Langeweiler.

Der McLaren steht für Faszination, Emotionen und Tempo. Er ist ein moderner Sportwagen mit Charakter: laut, direkt, aufsehenerregend sowie unpraktisch, aber kein bisschen zickig und mit tollem Federungskomfort. Gegen die Perfektion des Porsche 911 Turbo S Cabrio ist der Brite aber chancenlos.

 

Technische Daten & Gesamtbewertung als PDF zum nachlesen

Paul Englert

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