Praxis-Check: Sena Intercom fürs Motorrad im Test
Telefonieren oder Musikhören mittels Bluetooth-Kopfhörer oder AirPods auf dem Motorrad ist beliebt, technisch gesehen aber ein alter Hut. Die Motorrad-Kommunikationsprofis von Sena haben bei ihren Intercom-Systemen die Funkübertragung per Bluetooth und WLAN so weit aufgebohrt, sodass man damit noch viel mehr anstellen kann. Beispielsweise befreundete Biker:innen zu einem fahrenden Kommunikationsnetzwerk zusammenschließen, oder mit wildfremden Menschen lokal auf einem offenen Kanal Informationen zum Straßenzustand, dem Wetter oder dem Menü im Bikertreff austauschen.
Updates erhält das Gerät über eine App. Wer will, kann auch per App wie in einem sozialen Netzwerk neue Freundschaften knüpfen. Alles kabellos und während der Fahrt, mit einer kleinen Kommunikationszentrale, die linkerhand am Helm befestigt wird. Wir haben drei Geräte von Sena an den Helm geschnallt und gründlich ausprobiert. Hier sind unsere Erlebnisse und Ergebnisse!
Sena 60S im Test: Der Beinahe-Zuvielkönner
Das Sena 60S ist das Flaggschiff der Intercom-Profis aus den USA. Schon beim Auspacken erfreut (und verwirrt) es mit der Vielfalt an Möglichkeiten, die serienmäßig inkludiert sind. Das Gerät wird mit zwei verschiedenen Basen ausgeliefert: Die große mit dem integrierten Schwanenhalsmikrofon passt am besten an offene Jet- oder Klapphelme, während die kleinere sich diskret an Integralhelme schmiegt, die das per Klettverschluss haftende Mikrofon im Kinnteil verstecken. Das Hauptmodul hält magnetisch außen an der Basis, und das auch bei sehr hohen Geschwindigkeiten. Um sich optimal dem jeweiligen Helmdesign anzupassen, stecken zudem auswechselbare Cover in vier verschiedenen Farben im Paket. Der Akku der Geräte wird in weniger als zwei Stunden per USB-C an jedem handelsüblichen Handycharger aufgeladen. Labertaschen werden sich über die Ausdauer des Sena 60S freuen: Eine Akkuladung reicht auch für Dauervorträge von über sieben Stunden.

Riesiger Funktionsumfang
Wertige Erscheinung
Regensicher
Sprachqualität bei hoher Geschwindigkeit
Dokumentation nur online verfügbar
Für den Einbau des 60S sollte man sich Zeit nehmen. Es kann 20 min oder länger dauern, die beiden Harman Kardon-Lautsprecher samt Kabel hinter den Wangenpolstern zu verstauen. Der richtige Einbau aber zahlt sich aus. Wenn etwa die Lautsprecher zu weit von den Ohren entfernt sind, kommt trotz der edlen Speaker im Gehörgang nur höhenlastiger Sound an. Und wenn das Mikrofon nicht so nahe wie möglich am Mund platziert wird, stören Windgeräusche den Gesprächsfluss.
Nach dem Einbau geht es ans Konfigurieren. Das ist nicht per se kompliziert. Allerdings mangelt es an schriftlicher Dokumentation. Wer nicht nur ausprobieren, sondern gezielt vorgehen möchte, muss sich durch verschiedene Videotutorials klicken oder mittels ellenlanger, auf Englisch verfasster PDFs herausbekommen, was es mit Mesh 3.0 und Wave auf sich hat. Um es kurz zu machen: Dank Mesh funktioniert jedes der drei hier getesteten Sena-Geräte wie eine bewegliche WLAN-Funkzelle, die bei entsprechender Konfiguration für alle kompatiblen Geräte in Funkreichweite nutzbar ist und die durch Überschneidung mit anderen Meshzellen ihre Reichweite beträchtlich erweitern kann. Laut Sena kann man per Mesh 3.0 bis zu acht Kilometer Entfernung überbrücken.
Meshbereite Mitfahrer:innen kann man aus dem eigenen Adressbuch oder per QR-Code in beliebig viele Gruppen mit virtuell unendlich vielen Mitgliedern und auf verschiedenen Kanälen einteilen. Bei unseren Tests in der Eifel und im Taunus mangelte es aber regelmäßig an der entsprechenden Dichte an Meshzellen und die Sprachqualität nahm schon nach rund 500 m Distanz so stark ab, dass die Kommunikation zwischen zwei Biker:innen schwierig wurde. Was allerdings immer noch erheblich besser ist als eine klassische Bluetoothverbindung, die schon nach wenigen Metern abbrechen kann.

Wenn Mesh nicht genügt, kommt Wave ins Spiel: Dieser Standard sorgt dafür, dass Geräte, die ihre Meshverbindung verloren haben, via Smartphone und mobilem Internet wieder zueinander finden. Damit ist es möglich, während der Ausfahrt im Ahrtal mit Biker:innen in Borneo zu klönen. Der Übergang von Mesh zu Wave und umgekehrt soll dabei nahtlos vonstattengehen. Bei unseren Tests hat das nicht immer stotterfrei geklappt. Dennoch hat Wave Zusatznutzen: Damit lässt sich etwa die geographische Position teilen oder auch chatten. Schade hingegen: Wave lässt sich vollständig nur mit einer zusätzlichen App nutzen. Die gibt es gratis, sie erschwert aber die Handhabung und das Smartphone muss unbedingt mit auf die Tour. Auch die hauseigene Sprachbedienung via Aktivierung mit "Hey Sena,…" funktioniert bei Geschwindigkeiten, die mit starken Windgeräuschen einhergehen, nur widerwillig. Gleiches gilt für Siri und Google Assistant. Ein besonders gut schallgedämpfter, leiser Helm ist also ein echter Pluspunkt für die Nutzung des Sena 60S.
Die Liste der Zusatzfunktionen ist damit noch nicht erschöpft: So dient die Sena-App auch zum Radioempfang, und eine integrierte LED bringt Licht ins Dunkel, wenn in der finsteren Tiefgarage einmal ein Handschuh auf den Boden fällt. Die aktive Geräuschunterdrückung ANC ist noch nicht vollständig operationell. Entsprechende optionale Kopfhörer sollen das Sena 60S allerdings bald ergänzen und könnten ein weiteres starkes Kaufargument sein, sofern sie denn gut funktionieren.
Fazit zum Sena 60S
Bei manchen Anwender:innen kann das Sena 60S mit seinem gigantischen Funktionsumfang für Verwirrung sorgen. Zudem enttäuscht die Sprachqualität bei hohen Geschwindigkeiten. Wer hingegen zahlreiche mitteilsame Bike-Buddies unterhalten möchte, und dies auch über potenziell lange Distanzen und bei Landstraßentempo, kommt am Sena-Flaggschiff kaum vorbei.
Sena 50S im Test: Der Beinahe-Alleskönner
Das 50S wurde vom 60S vom Thron geschubst, gehört damit aber keineswegs zum alten Eisen. Statt Mesh 3.0 ist hier die Version 2.0 installiert. Da 3.0 rückwärtskompatibel ist, bleibt ein Sena 50S jedoch ein zukunftssicherer Kauf. Man kann damit nicht nur mit anderen Sena-Geräten kommunizieren, sondern auch mit Motorrad-Intercomzentralen anderer Hersteller, die ebenfalls den offenen Standard Mesh unterstützen. Updates erfolgen auch hier kabellos via Handyapp. Das geht schnell und unkompliziert. Und auch hier sind mit Handschuhen nutzbare Tasten und der solide Jog-Dial an Bord.

Sinnvolle Funktionen
Wertige Erscheinung
Sprachqualität bei hoher Geschwindigkeit
Dokumentation nur online verfügbar
Nicht regensicher
Außerdem fühlt sich das Gerät fast noch wertiger an als sein Thronfolger. Ebenfalls mit Harman Kardon-Lautsprechern geliefert, ist auch die Klangqualität absolut vergleichbar. Das Gerät wurde uns von Triumph zur Verfügung gestellt und ist sogar mit dem Sieben-Zoll-Bildschirm im Cockpit der Modelle der britischen Marke kompatibel, die mit dem hauseigenen Konnektivitätssystem ausgestattet sind. Es wird ebenfalls mit zwei verschiedenen Mikrofonen ausgeliefert. Wir haben das Schwanenhalsmikro an einen Klapphelm geschraubt, das sich dort sowohl bei geöffnetem sowie geschlossem Helm nutzen lässt.
Wenn er offen ist, werden die Windgeräusche ab etwa 70 km/h allerdings so stark, dass das gesprochene Wort übertönt wird. Bei geschlossenem Helm und Visier bessert sich die Verständigung erheblich. Leichte Abstriche gibt es bei der Reichweite zu machen. Bei Bluetooth- oder Mesh-Kommunikation liegt diese nominal bei bis zu zwei Kilometern. Aber, wie bereits gesagt, dies hängt von vielen Faktoren ab, wie etwa der Topografie und der Mesh-Zelldichte. Auch Waven ist mit dem 50S möglich. Die Ausdauer dürfte mit mindestens neun Stunden Kommunikation zumeist genügen. Allerdings dauert der Ladevorgang etwas länger als beim 60S. Auch das lässt sich verschmerzen. Vorsicht hingegen bei Starkregen: Anders als das 60S ist das 50S nicht nach IPX7 zertifiziert und sollte daher bei Niederschlag in der Jackentasche verschwinden. Der Preisunterschied zum 60S mag nicht so groß erscheinen. Aber wenn man die Ersparnis verdoppelt, indem man das 50S im Doppelpack kauft, repräsentiert dies den Gegenwert mehrerer Tankfüllungen.
Fazit zum Sena 50S
Deutlich günstiger, aber mit sehr ähnlichen Funktionen ausgestattet wie das 60S, erscheint das Sena 50S als sinnvoller Kompromiss zum Schonen des Geldbeutels.
Sena Spider ST1 im Test: Der Alltagsheld
Noch einmal deutlich billiger zu haben ist das Sena Spider ST1. Am Format der kleinen Infozentrale für den Helm ändert dies zunächst wenig. Die Basis des Hauptmoduls wird entweder an den Helm geklemmt oder geklebt. Zwei Mikrofone unterschiedlicher Größe passen sich an den jeweiligen Kopfschutz an. Ganz in schwarz gehalten, fühlt sich das Sena Spider ST1 nicht so hochwertig an wie die höherpreisigen Modelle aus dem Sena-Katalog. Aber das lässt sich verschmerzen, zumal es funktional wenig Wünsche offen lässt. Selbst Wave meistert das Einstiegsgerät. Allerdings webt das Spider ST1 nur ein kleineres Mesh-Netz, mit nominal maximal zwei Kilometern Reichweite.

Vereinfachte Bedienung
Sprachqualität bei hoher Geschwindigkeit
Dokumentation nur online verfügbar
Nicht regensicher
Der Sound, den die einfacheren HD-Lautsprecher im Helm verbreiten, steht den teureren Speakern von 50S und 60S kaum nach. Das Mikrofon und die Geräuschreduzierung per KI allerdings erscheinen weniger ausgeklügelt. Bei unseren Testfahrten wurden vom Spider ST1 zuweilen Windgeräusche aufgefangen und ungefiltert an die Lautsprecher im Helm des Co-Testers übertragen. Das sollte nicht passieren und ließ sich auch mit verschiedenen Einstellungen der Sena-App nicht korrigieren. Für die Basics der Kommunikation auf dem Motorrad – Gegensprechen, Telefonieren, Navigieren und Musikhören – taugt das günstigste Gerät im Sena-Testtrio aber allemal, zumindest bei gemäßigtem Tempo. Und auch die Ausdauer des integrierten Akkus erlaubt lange, unbeschwerte Touren.
Fazit zum Sena Spider ST1
Ohne Taschenlampe, LED-Lichtorgel und anderen Schnick-Schnack konzentriert sich das Spider ST1 aufs Wesentliche: Die Kommunikation zwischen mehreren Biker:innen. Und damit kommt es ganz gut klar, vor allem, wenn der entsprechende Helm gut schallisoliert ist und man nicht ausschließlich mit hohen Geschwindigkeiten unterwegs ist. Kurz: Das Sena Spider ST1 ist gut für den Alltag.
Gute Alternativen zu Sena-Geräten
Neben Sena tummeln sich viele Firmen auf dem Markt für Kommunikationssysteme für Motorradfahrer:innen. Der bekannteste Konkurrent von Sena heißt Cardo. Die Geräte der israelischen Firma sind teilweise kompatibel mit den Sena-Standards.
Wer Nachrüstlösungen kritisch gegenübersteht, kann auch für Helme mit bereits integrierten Kommunikationssystemen optieren. Sena selbst bietet solche Komplettsysteme an, in denen die Technik vollständig verschwindet. Mehrere andere Hersteller bieten zudem Helme an, in denen bereits ein Mikrofon und Lautsprecher stecken und eine Schnittstelle auf das Anstöpseln eines Sena-Hauptmoduls wartet.
Übrigens: Wer unterwegs die Navigationsanweisungen nicht nur hören, sondern auch die Karten sehen will, benötigt einen Handyhalter fürs Motorrad. Hier geht es zum Test!
So haben wir getestet
Wir haben mit den drei Sena-Geräten über 1000 km in Köln, der Eifel, dem Westerwald, dem Taunus und in Frankfurt abgespult, durch Tempo-30-Zonen, über Landstraßen, und bei Richtgeschwindigkeit auf der Autobahn. Dabei wurden die Geräte an drei Testhelmen installiert: Zwei Integralhelme brachten bereits Aussparungen für die Lautsprecher mit. Ein Klapphelm diente zum Testen der Geräte bei geöffnetem und geschlossenem Kinnteil. Die Sena-Apps wurden je mit einem iPhone und einem Android-Smartphone geprüft.
Test-Motorrad: Triumph Scrambler 1200 X
Als primäres Testmotorrad diente eine Triumph Scrambler 1200 X, ein unverkleideter Allrounder mit nostalgischer Optik und mächtig Bums. Da es unverkleidet ist, stellt es hohe Anforderungen an die Sena-Systeme, die starke Windgeräusche filtern müssen.
Für die Kommunikation auf dem Bike gibt es viele Lösungen für mitteilsame Biker:innen. Die getesteten Geräte von Sena decken die meisten Bedürfnisse ab.