Neoplan Jumbocruiser (1975): Größter Reisebus der Welt
Mal eben mit dem Flieger in den Spanien-Urlaub? Was heute so selbstverständlich ist wie das "Sind wir bald da"-Gefrage des Nachwuchses, war vor 50 Jahren noch fast undenkbar. Im Flugzeug saßen Mitte der 70er vornehmlich zigarrenpaffende Geschäftsleute, während Otto-Normal-Urlauber:in im Auto oder Reisebus nach Lloret de Mar tuckerte. Statt Eurowings, Ryanair oder EasyJet hießen die Möglichmacher des großen Sommerabenteuers "Mundstock", "Globus", "TRD Fischer" oder "Hallo-Reisen". Die Bus-Touristik florierte und da schien es offensichtlich, zuzuschlagen, als Neoplan auf der IAA 1975 den Jumbocruiser präsentierte.
Passendes Zubehör für den Klassiker:
Der Name, der auf den Jumbojet Boeing 747 anspielte, deutete schon an, wo die Firma aus Stuttgart hinwollte. Der doppelstockige Gelenkbus reizte die erlaubten Maße für Straßenfahrzeuge mit seiner Länge von 18 m, der Breite von 2,5 m und der Höhe von vier Metern komplett aus. Damit gilt er bis heute als größter Reisebus der Welt. Ebenso imponieren die maximal 144 Sitzplätze des 28-Tonners, auch wenn Neoplan kaum eines der elf gefertigten Modelle je mit mehr als 102 Stühlen auslieferte. Stattdessen fanden sich im unteren Heckabteil Toiletten, eine Küche und sogar eine Bar.
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Riese mit Sauf-Allüren: Der Neoplan Jumbocruiser besaß eine Bar und 19 l Hubraum
Mit einem cleveren technischen Schachzug hatte sich Neoplan im Heck des Jumbocruisers viel Platz erarbeitet: Der Zwölfzylinder-Selbstzünder wanderte über die beiden mittleren Achsen, direkt vor das Gelenk und unter den weit oben montierten Drehkranz. Praktischerweise reduzierte die unorthodoxe Anordnung die Anfälligkeit für Bodenwellen und Seitenwind. Nur musste man jetzt den Umweg über das Oberdeck nehmen, um den Durst an der Bar zu stillen. Auch die Lage der Bar brachte unerwartete Komplikationen mit sich: Bei einer Vereinsfahrt erlitt der hier gezeigte Jumbocruiser einen Achsbruch, weil sich der überwiegende Teil der Reisenden rund um den Tresen versammelt und damit die maximale Hinterachsen-Traglast von sechs Tonnen überstrapaziert hatte.
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Fleißig gebechert wurde aber auch im Maschinenraum: Etwa 50 l Diesel genehmigte sich der Mercedes-Sauger. 19 l Hubraum generierten 400 PS (292 kW) und 1285 Nm Drehmoment, die über eine Fünfstufen-Automatik an die Räder geschickt wurden. Später folgte eine Leistungssteigerung auf 420 PS (309 kW) sowie Zehnzylinder von MAN und Mercedes mit 400 beziehungsweise 320 PS (292 bzw. 235 kW). Auch der Neupreis von 500.000 Mark verdeutlichte, dass der Neoplan Jumbocruiser Prestigeprojekt durch und durch war. Ihn wirtschaftlich zu betreiben, grenzt beinahe schon an Magie.
Die Magie wiederum verflog ganz schnell, als Frankreich im Jahre 1980 ein Durchfahrverbot für Gelenkbusse erwirkte. Plötzlich war die Iberische Halbinsel nicht mehr über den Landweg erreichbar. Zudem hatte Neoplan noch den internen Konkurrenten Skyliner im Angebot, der bei geringerer Größe und Kosten ähnlich viele Sitzplätze bot – ohne Gelenk.

Später als Wohnmobil, Tourbus und Sozialstation im Einsatz
Die wenigen gebauten Neoplan Jumbocruiser durchlebten ganz unterschiedliche Karrieren. Das erste Modell baute ein Privatmann zum größten Wohnmobil der Welt um. In Nummer zwei von elf stapelten sich gleich 28 Betten, damit er der Kelly-Family als Tour-Bus dienen konnte. Nummer drei wiederum wurde aufwendig restauriert und ist heute der einzige fahrbereite Jumbocruiser mit originaler Reisebus-Ausstattung. Der hier gezeigte Mundstock-Bus war lange Zeit als rollende Sozialstation für die Treberhilfe Dresden im Einsatz.