Porsche-Zöglinge: Mercedes 500 E trifft 928 S4
Fremdaufträge gab es im Hause Porsche immer wieder einmal. In den Achtzigerjahren beispielsweise arbeitete die Entwicklungsabteilung in Weissach für Airbus und gestaltete das Cockpit des neuen Passagierflugzeuges. Ende der 90er entwickelten Porsche-Ingenieur:innen das flexible Sitzkonzept des Opel Zafira. Und wenige Jahre später konstruierte Porsche Engineering einen V2-Motor für Harley-Davidson. Dass für einen anderen Hersteller ein ganzes Auto, noch dazu ein sportliches, im Porsche Werk 1 in Stuttgart-Zuffenhausen gefertigt wird, war 1990 allerdings doch etwas Besonderes.
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Der Porsche Taycan 4 (2025) im Fahrbericht (Video):
Zuffenhauser Kinder: Mercedes 500 E trifft auf Porsche 928 S4
Der Grund: Das Familienunternehmen Porsche steckte in einer tiefen Krise und konnte seine Fertigungsanlagen mit nur noch rund 30.000 Autos pro Jahr nicht auslasten. Mercedes wiederum suchte einen Partner für eine sportlich ausgelegte Top-Version oberhalb des 300 E in der Baureihe W124. So kam es, dass Porsche-Ingenieur:innen durch Feinschliff an Fahrwerk und Motor mithalfen, einen echten Porsche-Schreck mit vier Türen auf die Räder zu stellen. Angesichts der Eckdaten des 500 E konnten potenzielle Käufer:innen des eigenen Modells 928 S4 durchaus ins Grübeln kommen: Hier wie dort steckte ein Fünf-Liter-V8 unter der Haube, jeweils mit vier Ventilen pro Brennraum. Sattes Drehmoment und souveräne Leistungsentfaltung garantierten beide, der Porsche demonstrierte sogar praktische Qualitäten mit einzeln umklappbaren Rücksitzlehnen.
Dafür bot der Mercedes den beiden hinten Mitreisenden mehr Platz und war noch einen Tick stärker: Gegenüber dem 500 SL Roadster holten die Entwickler:innen 30 Nm mehr aus dem Motor heraus und steigerten dessen maximales Drehmoment auf 480 Nm. Da konnte der 928 S4, mit seinen 430 Nm gewiss nicht schwach auf der Brust, nicht mehr ganz mithalten. Im Test der AUTO ZEITUNG belegte der 500 E prompt, dass er trotz seines 200 kg höheren Gewichts nahezu auf Augenhöhe mit dem Porsche 928 lag. Der Standardsprint von 0 auf 100 km/h ging zwar mit einem Wimpernschlag zugunsten des 928 S4 (6,3 s mit Automatik) aus, aber 6,5 s waren für eine 1830 kg schwere E-Klasse ein Fabelwert, den ansonsten nur Konkurrenten vom Schlage eines BMW M5 erreichten.
Der 500 E stand dem 928 in nichts nach
Den Kilometer mit stehendem Start legte der 500 E in 26,3 s zurück und stand damit auch in dieser Disziplin dem Porsche (25,9 s) kaum nach. Nur in der Höchstgeschwindigkeit musste sich der Mercedes deutlich geschlagen geben, einerseits wegen seiner relativ kurz gewählten Hinterachsübersetzung, andererseits aufgrund der Abregelung bei 250 km/h. Ohne diese Handicaps wären theoretisch über 280 km/h möglich gewesen, rechnete man damals aus. Der Porsche, durch keinen Chip gebremst, rannte 265 km/h, war dabei allerdings im Innenraum lauter. Im Mercedes dagegen waren bis Tempo 190 praktisch keine Windgeräusche zu hören. Gemessen an den Maßstäben ihrer Zeit zeigten sich beide Boliden fahrwerksseitig allerdings eher von der harten Seite.
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Porsche 928 S4 und Mercedes 500E mit viel Fahrspaß
In unseren modernen Zeiten per Tastendruck verstellbarer Fahrwerke mit adaptiven Dämpfern ist man allerdings geneigt, die Feder-/Dämpfer-Abstimmung hier wie dort als gelungen und durchaus für lange Strecken geeignet einzustufen. Der nach dem Transaxle-Prinzip – Motor vorn, Getriebe hinten – konstruierte 928 S4 begeistert dabei durch sein ausgewogenes, sehr sicheres Fahrverhalten. Umso überraschender ist es wohl, dass auch der 500 E über enorme Sicherheitsreserven verfügt. Zwar wirkt er eine Spur schwerfälliger, dafür hält seine Antriebsschlupfregelung die 326 PS (240 kW) jederzeit wirkungsvoll unter Kontrolle. Er vereint auf beeindruckende Weise die Tugenden eines GT-Sportwagens mit den Vorzügen einer Limousine und bleibt dabei extrem unauffällig und kultiviert – ein Bär im Lammfell. Der 928 hingegen überzeugt seine Fans bis heute mit dem Charme seiner individuell geformten Karosserie.

Als S4 bietet er zudem einen Reifegrad, der uneingeschränkte Solidität auf höchstem Niveau verspricht. Wer noch mehr Sportlichkeit anstrebt, sollte sich nach einem 928 GT umsehen: Der bekam damals nicht nur zehn PS (sieben kW) mehr spendiert, sondern war auch nur mit Fünfgang-Schaltgetriebe zu bekommen, das für mehr Agilität sorgte. Dafür, dass der Porsche als Neuwagen rund 15.000 Mark teurer war als der Mercedes, liegt er heute preislich etwas unter diesem. Dafür ist seine Ausstattung noch einen Tick umfangreicher und bietet beispielsweise eine Diebstahlwarnanlage serienmäßig. Mit einem Verbrauch jenseits der 15 l müssen die Besitzer:innen in beiden Fällen rechnen. Aber am Ende stand und steht wohl immer noch die Frage: Welcher der beiden Klassiker bietet die Art von Fahrspaß, die zu mir passt? Die Antwort kann nur eine Probefahrt liefern.
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Technische Daten von Mercedes 500 E und Porsche 928 S4
Classic Cars 03/2016 | Mercedes 500 E | Porsche 928 S4 |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 8/4 | 8/4 |
Hubraum | 4973 cm³ | 4957 cm³ |
Leistung | 240 kW/326 PS | 235 kW/320 PS |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 480 Nm 3900/min | 430 Nm 3000/min |
Getriebe/Antrieb | 4-Stufen-Automatik/Hinterrad | 4-Stufen-Automatik/Hinterrad |
L/B/H | 4720/1763/1431 mm | 4520/1836/1282 mm |
Leergewicht | 1830 kg | 1632 kg |
Bauzeit | 1990-1995 | 1987-1991 |
Stückzahl | 10.479 | 17.894 |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 6,5 s | 6,2 s |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h | 265 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 16,5 l | 15,2 l |
Grundpreis (Jahr) | 134.520 Mark (1991) | 148.380 Mark (1991) |