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Mercedes O 302: Mit diesem Bus fuhr Deutschland 1974 zur WM

Tim Neumann Redakteur

Viele Mythen ranken sich um den Mercedes O 302, den Bus der deutschen WM-Truppe 1974. Und das meiste davon ist höchstwahrscheinlich auch wahr. Doch sein Verbleib bleibt wohl für immer ein Rätsel, denn das Original gilt bis heute als verschollen.

Inhalt
  1. WM-Bus von 1974: Mit Mega-Klimaanlage und Bierzapfanlage gegen die DDR-Pleite
  2. Mercedes O 302 wird nach der WM zum Kult-Reisebus
  3. Nach Verfolgungsjagd in Italien mit Alu-Folie und Paketklebeband anonymisiert
  4. Im Mercedes-Museum steht heute ein Nachbau

Er war der wortwörtliche Motor des deutschen Wunders bei der Heim-WM 1974: Der Mannschaftsbus Mercedes O 302 kutschierte Beckenbauer, Netzer und Co. von einem Triumph zum anderen und erlebte doch erst viel zu spät die Wertschätzung, die er verdient hätte. Denn als Mercedes ihn zur nächsten Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland 2006 zurückhaben wollte, war er längst für immer verschollen.

16 sonderangefertigte Exemplare des O 302 hatte die Marke mit dem Stern für das große Turnier bereitgestellt, allesamt lackiert in den jeweiligen Landesfarben der teilnehmenden Nationen. Den gelben Bus mit den schwarz-rot-goldenen Streifen gab es folglich zweimal: Sowohl für die BRD als auch für die DDR, die die Westkicker mit einem denkwürdigen 1:0 in der Gruppenphase in die einfachere Endrunde schickte.
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Der Mercedes 560 SEC von Bruno Sacco im Fahrbericht (Video):

 
 

WM-Bus von 1974: Mit Mega-Klimaanlage und Bierzapfanlage gegen die DDR-Pleite

An diesem Abend muss das Team von Nationaltrainer Helmut Schön noch dankbarer für die Annehmlichkeiten an Bord gewesen sein als ohnehin schon. Die am hinteren Teil des Dachs mächtig aufragende "Thermo King"-Klimaanlage kühlte die hochroten Köpfe nach dem Debakel von Hamburg ab, während die Bierzapfanlage – alkoholfrei war damals noch nicht erfunden – und die Bordküche ihr Übriges taten. Selbstverständlich ebenfalls an Bord: Aschenbecher, und zwar für jeden Sitzplatz einer.

Auch zurück im Trainingslager von Malente blieb dem O 302 keine Ruhe: Ein gelangweilter Franz Beckenbauer schnappte sich in der Mittagspause die Fahrzeugschlüssel sowie Gerd Müller und unternahm eine kleine Spritztour mit dem Mannschaftsbus. Noch bevor sich der 240 PS (176 kW) starke Reihensechszylinder-Saugdiesel warmgenagelt hatte, war die Fahrt aber schon wieder vorbei: "Kannst foahren Franz, hoast Platz", rief ihm der "Bomber der Nation" von hinten zu. Er hatte keinen Platz. Treffsicher eckte der Mercedes an.

 

Mercedes O 302 wird nach der WM zum Kult-Reisebus

Die Stimmung der Mannschaft konnte das nicht trüben. Nach der schicksalhaften "Nacht von Malente" hatten die Stars um „Kaiser“ Beckenbauer, Müller, Maier, Breitner, Hoeneß und Netzer die DDR-Niederlage aufgearbeitet und erstmals ein Teamgefühl entwickelt, das sie bis ins Finale gegen die übermächtigen Niederländer führte. Der Rest ist Geschichte und wurde noch häufiger zum Besten gegeben als Beckenbauers dubiose WM-Geschäfte 40 Jahre später (Hier geht es zum Fahrbericht mit der Mitsubishi 3000 GT Beckenbauer Edition).

Der Mercedes O 302 stehend von vorne
Foto: Mercedes

Weit weniger bekannt ist die weitere Karriere des schwarz-rot-gold-gelben Mercedes O 302. Nach dem Finale in München wanderten die Mannschaftsbusse in den zivilen Gebrauch. Die Nationalfarben verschwanden, ebenso wie zumeist auch die großzügige Liege-Bestuhlung. Aber nicht so beim BRD-Modell. Das landete beim Frankfurter Reisebus-Unternehmen "Gauf-Reisen" und durfte sein buntes WM-Outfit samt Klima, Küche und Klo behalten.

 

Nach Verfolgungsjagd in Italien mit Alu-Folie und Paketklebeband anonymisiert

Als beliebtes Vehikel für Vereinsfahrten und Fanreisen tingelte er bis in die 80er quer durch Europa und sorgte an jedem Rastplatz für Aufsehen. Allerdings nicht immer im positiven Sinne: 1976, zur Zeit des Terrors in Italien, jagten Motorradfahrende den WM-Bus mit roten Farbeimern bewaffnet durch Ravenna. Nach einer filmreifen Verfolgungsjagd konnte der O 302 die Verfolgenden abschütteln und absolvierte den Rest der Reise mit Tarnung aus Alu-Folie und Paketklebeband.

Noch bevor Deutschland ein drittes Mal den WM-Pokal heben durfte, verloren sich die Spuren des Mannschafts-Mercedes. Wohin es ihn verschlug, das konnte selbst das damalige Daimler-Chrysler-Ermittlungskomitee (Rückblick auf die gescheiterte Daimler-Chrysler-Fusion) nach ausführlichen Recherchen im Vorfeld der Heim-WM 2006 nicht eindeutig klären. Die meisten Hinweise deuten darauf hin, dass der O 302 auf einem Autofriedhof in Kabul (Afghanistan) seine letzte Ruhestätte gefunden hat.

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Im Mercedes-Museum steht heute ein Nachbau

In der Not musste deshalb ein norddeutscher Ausflugsbus als WM-Oldtimer herhalten, den Mercedes in die BR-Optik versetzte. So steht er heute noch im Mercedes-Museum. Stets mit geöffneten Türen, damit Besuchende beim Einstieg mit der Hymne "Fußball ist unser Leben" begrüßt werden können. Das Lied hatten die 1974er-Kicker im Vorfeld der WM zusammen eingesungen. Ein richtiges Team waren sie damals aber noch nicht. Das entwickelte sich erst nach der Nacht von Malente und bei Fahrten im originalen Mannschaftsbus, als jeder Sieg mit einem weit geöffneten Zapfhahn an Bord gefeiert wurde.

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