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Fiat-Werk Lingotto: Legendäre Teststrecke auf dem Dach

Ganz schön abgehoben

Tim Neumann Redakteur

Das ehemalige Fiat-Werk Lingotto war in den 1920er-Jahren die modernste Autofabrik Europas und beeindruckt bis heute mit einer Besonderheit: einer Einfahrbahn samt Steilkurven auf dem Dach.

Bevor Sie sich fragen: Nein, es ist noch kein übermotivierter Testpilot von der Strecke abgekommen und hat die Steilkurven als Rampe zweckentfremdet. Zumindest ist kein derartiger Vorfall überliefert, was folglich für die Genialität des Fiat-Werks Lingotto spricht. Und damit wären wir auch schon beim Thema: In der Hauptrolle dieses Artikels sind ausnahmsweise keine sympathischen Stadtflitzer, sondern ihr Geburtsort. Am südlichen Rand der Auto-Stadt Italiens – Turin – gelegen, steht die mittlerweile pensionierte Automobilfabrik seit mehr als 100 Jahren für Pioniergeist und gelebte Massenmobilität.

Bereits 1916 begann Fiat-Chef Giovanni Agnelli mit dem Bau des Werks. Zuvor war der Industrielle eigens in die USA zu Ford gereist, um Zeuge der zukunftsträchtigen Fließbandproduktion zu werden. 1923 wurde die Stahlbetonkonstruktion offiziell vom italienischen König Viktor Emanuel III. eingeweiht und nahm im selben Jahr den Betrieb auf. Die tatsächliche Fertigstellung folgte allerdings erst 1930. Der Clou: Im Erdgeschoss kamen die Materiallieferungen an und wurden geprüft, in den darüberliegenden Etagen erfolgte die Autoproduktion von unten nach oben. Nach der Fertigstellung ging es für die Fiat-Fabrikate wie den 509, dessen richtungsweisende Ratenkauf-Option kaum weniger clever war, auf die Einfahrbahn auf dem Dach. Anfangs brauchtes es dafür Lastenaufzüge, bis die Autos ab 1926 über zwei spiralförmige Rampen jeweils am Ende des Gebäudes nach oben gelangten.
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Fiat-Werk Lingotto mit einzigartiger Teststrecke auf dem Dach

Die Einfahrbahn des Fiat-Werks Lingotto ist bis heute weltweit einzigartig: Über einen Kilometer erstreckt sich das Oval, das aus zwei Geraden à 400 m und zwei jeweils 100 m langen Steilkurven besteht. Schon bei der Inbetriebnahme legten die Planer:innen ihr Konzept so aus, dass Geschwindigkeiten bis 90 km/h darauf erzielbar waren. Und dass, obwohl selbst die schnellsten Fiat-Modelle in dieser Ära nicht über 70 Sachen hinauskamen. Man hatte also in weiser Voraussicht gedacht, bewies dafür aber in Sachen Produktionskapazität Kurzsicht: Bereits in den 1930er-Jahren waren die Auftragsbücher dermaßen prall gefüllt, dass Fiat gezwungen war, wenige Kilometer entfernt das größere Mirafiori-Werk zu errichten.

Zu allem Übel erwies sich das hoch aufragende Gebäude als leichtes Ziel für die Bomber der Alliierten im Zweiten Weltkrieg. Die Automobilproduktion musste nach Kriegsende vorerst aus dem stark beschädigten Lingotto-Werk nach Mirafiori verlegt werden. Stattdessen füllte die Produktion von Kühlschränken und Waschmaschinen die riesigen Hallen. Erst in den 1960er-Jahren rollten wieder Fiat-Modelle aus dem Stahlbetonquader, so auch der Nuova 500-Vorgänger Topolino oder der Mittelmotor-Roadster X 1/9. Doch nicht nur die: Im Streifen "The Italian Job" von 1969 lieferten sich drei Mini Cooper auf den Steilkurven über den Dächern von Turin eine Verfolgungsjagd mit der Polizei.

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Der Lancia Delta knipste das Licht aus

13 Jahre später, 1982, gingen dann endgültig die Lichter aus im Fiat-Werk Lingotto. Die erste Serie des Lancia Delta markierte die letzte Baureihe aus den historischen Fabrikhallen. Im Laufe der 80er begann die Renovierung und Umgestaltung der Industrieruine: Seitdem finden dort unter anderem ein Einkaufszentrum, Hotels und ein Kino ihre Heimat. Auch die Marke Fiat kehrte 1997 mit Büros in ihr altes Zuhause zurück. Auf dem Dach thront mittlerweile die Kunstgalerie mit Gemälden aus dem Privatbesitz der Fiat-Familie Agnelli sowie das Café500, das den Fiat 500 in all seinen Facetten feiert.

Auf der Einfahrbahn drehen Fiat-Modelle heute nur noch zu Foto- und Videozwecken ihre Runden. Wilde Geschwindigkeitsorgien wären auch gar nicht mehr möglich, weil der größte hängende Garten Europas einen enormen Teil der Geraden okkupiert. So ist immerhin gesichert, dass auch weiterhin niemand im Auto von den Steilkurven fällt.

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