Historie: Renault 4x4 Wüsten-Renner und Vielzweck-Mobile
Renault und Allrad, das ist nicht abwegig: Vom Abenteuer-Laster für den Linienverkehr durch die Sahara über den günstigen R4 4x4 und den luxuriös-schnellen Safrane Biturbo Baccara bis zum aktuellen Koleos. Doch der erste Renault-Offroader vor 85 Jahren hatte gar keinen echten Allradantrie
Beinahe unendliche Weiten sollte der erste geländegängige Renault erreichen. Auf Basis des 10 CV gab Louis Renault ein Gefährt in Auftrag, das die Sahara im planmäßigen Linienverkehr durchqueren soll. Auf Basis des 10CV rollt am 1. Dezember 1923 ein Dreiachser mit Zwillingsreifen aus dem Stammwerk Billancourt. Der Rahmen ist verlängert und höhergelegt, die Reifen haben wenig Druck, um dem Wüstensand besser gewachsen zu sein. Gleichzeitig schickt auch Citroën eine Expedition in die Wüste, allerdings auf Halbkettenfahrzeugen. Als die beiden Expeditionen 1924 starten, überholt Renault die einen Tag früher gestartete Konkurrenz 24 Stunden nach dem Aufbruch. Einen Sieger gibt es nicht, weil die Teams unterschiedliche Ziele ansteuern.
An die Fahrt durch die Sahara erinnert mit etwas Phantasie der Name des 1952 präsentierten Colorale. Der allradgetriebene Transporter ist 4,37 Meter lang und 1,82 Meter breit. Colorale steht für coloniale (Kolonie) und rurale (ländlich). Auch der Colorale geht auf Marathonfahrt, die über 35.000 Kilometer von Paris über Italien, den Balkan, durch die Türkei bis Pakistan führt. Den Rückweg nimmt die Colorale-Truppe über die französischen Kolonien in Nordafrika. Nach vier Jahren endet die Produktion des Colorale und Renault ist erst einmal für einige Zeit allradlos.
Bis 1964 der R4 4x4 auf den Markt kommt. Gemeinsam mit der Firma Sinpar hat Renault einen einfachen und günstigen Allradler gebaut. Sicher käme der 34 PS starke 850-Kubikzentimeter-Motor auch mit zwei angetriebenen Rädern zurecht – fast alle R4 haben es bewiesen. Doch es gibt Leute, die beruflich tief in den Wald müssen oder steile Hänge hochfahren, die nicht asphaltiert sind. Ihnen hilft der 1,48 Meter schmale Sinpar 4x4 weiter. Und das zum Preis von 10.590 D-Mark. Der Suzuki LJ kommt schließlich erst 1979, der Fiat Panda 4x4 ist mit Erscheinungsjahr 1983 gar ein echter Spätzünder im Vergleich zum Allrad-R4.
Dafür spart sich Renault – ähnlich wie Subaru damals – 1983 den Aufwand eines permanenten Allradantriebs. Den Audi Quattro gibt es schon drei Jahre, als Renault unter den Mittelklasse-Kombi R 18 einen zuschaltbaren Allradantrieb samt starrer Transporter-Achse schraubt. Der Renault 18 Kombi 4x4 ist zusätzlich um vier Zentimeter höhergelegt und mit einer Steinschlag-Schutzlackierung im unteren Karosseriedrittel versehen.
Mit der Visco-Kupplung bekommt der Renault 21 Nevada 1988 einen permanenten Allradantrieb. Im Kombi hat der Kunde die Wahl zwischen einem 2,1-Liter-Benziner (107 PS) und einem 65 PS starken Diesel. Ab 1989 gibt es auch den R 21 Stufenheck mit Allrad – hier sorgt ein 162-PS-Turbo für 215 km/h Spitze.
Familiär wird es mit dem Espace. Den ersten europäischen Van bietet sein Erfinder mit einem Platz sparenden Allrad-Antriebsstrang an, die Kardanwelle ist aus Verbundmaterial. Zwei Generationen lang überlebt der Allrad-Van.
Raum und Traktion kombiniert Renault erst 2000 wieder im RX4. Und die Franzosen gehen noch weiter: Höherlegung, Reserverad am Heck und Schutzplanken im Massiv-Look sollen dem eigentlich unschuldigen Kompaktvan Scénic die brutale Optik eines Offroaders verleihen. Die Kunden verstehen es nicht, der RX4 wird eingestellt und ersatzlos aus dem Programm gestrichen. Doch der 1923 so abenteuerlustige Marke gibt nicht auf: Eine Klasse tiefer und ein Jahr später bekommt der praktische Kangoo einen Allradantrieb von Kooperationspartner Nissan. Wenig Blech, viel Traktion – das erinnert an den 10CV von 1923. Der übrigens gar kein echter Allradler war. Denn nur die beiden Hinterachsen hatten Antriebswellen. Das ist zwar auch Vierradantrieb, weil es jedoch noch eine nicht angetriebene Vorderachse gibt, heißt das 6x4 und ist kein Allradantrieb
AUTO ZEITUNG