Fahrwerke erklärt: Luftfahrwerk/Blattfedern
Die verschiedenen Fahrwerkstypen verstehen
Nicht nur bei Antrieben hat sich über die Jahrzehnte viel getan, auch auf dem Gebiet der Fahrwerke ist einiges passiert. Wir erklären die Unterschiede zwischen Stahlfahrwerk, Luftfahrwerk und Systemen mit Blattfedern – und wo die Vor- und Nachteile liegen.
Unterschied zwischen Federung und Dämpfung
Bevor es an die Erklärung von Stahlfahrwerk, Luftfahrwerk und Blattfedern geht, ist es wichtig, das grundsätzliche Zusammenspiel zwischen Federung und Dämpfung zu verstehen. In Verbindung mit der Radaufhängung hat die Feder die Aufgabe, das Fahrzeuggewicht bei Unebenheiten oder (Quer-)Beschleunigung abzufedern, während die Dämpfer dafür sorgen, dass diese Federvorgänge kontrolliert ablaufen. Ist die Dämpfungsleistung beispielsweise bei verschlissenen Dämpfern unzureichend, werden Schläge zwar weiterhin abgefedert, aber sowohl Ein- als auch Ausfedern läuft weniger gebremst und ruppiger ab als gewünscht. Daher neigt das Auto meist auch zu unangenehmen Schaukelbewegungen. Während die Dämpfung bei den meisten Fahrwerken auf ähnlichem, hydraulischen Weg funktioniert, gibt es verschiedene Arten die Federung zu realisieren.
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Das Stahlfahrwerk
Das herkömmliche Stahlfahrwerk setzt auf die auch aus dem Alltag bekannten Schraubenfedern. Diese sind technisch wesentlich simpler als Luftfederungen und dadurch auch erheblich günstiger zu produzieren, weshalb sie den Markt für Alltagsautos auch nach wie vor dominieren. Von Nachteil sind bei den Stahlfedern jedoch mangelnde Variabilität in Federhärte (Federrate) und Fahrzeugniveau. So lässt sich die Härte von Stahlfedern lediglich durch eine Veränderung der Federvorspannung bewerkstelligen, die jedoch nicht ohne Weiteres als Endnutzer:in umsetzbar ist. Alternativ lässt sich sonst nur eine von Haus aus härtere Feder verbauen. Und die Fahrzeughöhe lässt sich nur durch kürzere oder längere Federn beziehungsweise durch ein nachgerüstetes Gewindefahrwerk verändern – und auch dann lediglich manuell an den Federbeinen.
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Das Luftfahrwerk
Um diesen Nachteilen entgegenzuwirken kommt die Luftfederung ins Spiel: Anstatt mit einer Stahlfeder wird die Federwirkung hier durch Druckluft in geschlossenen Kammern generiert. So lässt sich mit dem Druck in den Kammern auch das Äquivalent zur Federhärte verändern. Hat man beispielsweise schwere Ladung an Bord oder koppelt einen schweren Anhänger an, kann man das Fahrwerk auf Knopfdruck härter einstellen. Außerdem lässt sich die Höhe des Fahrzeugs in gewissem Rahmen auf Wunsch variieren (Niveauausgleich).
Aufgrund des hohen technischen Aufwands finden Luftfahrwerke im höheren Preissegment Verwendung, beispielsweise in Modellen der deutschen Premium-Hersteller und auch dort meist gegen Aufpreis. Nachteil des Systems ist der technische Aufwand, der mehr Gewicht, höhere Kosten und ein höheres Fehlerpotenzial mit sich bringt. Besonders die frühen Systeme gelten hier als anfällig. Außerdem fällt das Losbrechmoment häufig höher aus – die Federung reagiert also weniger sensibel und braucht einen stärkeren Impuls, um zu federn.
Die Blattfeder
Ein weiteres alternatives System ist die Blattfeder. Hier wird die Federung meist von einem Paket rechteckiger Federstahl-Profile übernommen, das sich bei Belastung durchbiegt. Statt aus Federstahl können Blattfedern auch aus erheblich leichteren, faserverstärkten Kunststoffen gefertigt werden. Generell wird das System immer seltener und findet aufgrund seiner hohen mechanischen Belastbarkeit meist bei Transportern und Lkw Verwendung. Amerikanische Hersteller halten beziehungsweise hielten länger an dem System fest, so fuhr zum Beispiel die Chevrolet Corvette bis zum Modell C7 und somit 2019 auf Blattfedern. Als kritisch gilt bei vielen Systemen auch hier das Losbrechmoment, insbesondere wenn zwischen den Blättern des Federpakets durch Rost und Verschmutzung zusätzliche Reibung entsteht. Von Vorteil ist eine mögliche platzsparende Unterbringung im Fahrzeug.
Dämpfung ist ein wichtiger Faktor
Der Komfort eines Fahrwerks hängt jedoch keineswegs nur von der Federung, sondern entscheidend von der Dämpfung und deren Einstellung ab. Diese funktioniert unabhängig von der Federungstechnik bei allen Systemen weitestgehend gleich. So arbeitet in einem konventionellen hydraulischen Dämpfer ein Kolben mit Kolbenstange in einem mit Öl gefüllten Zylinder. Bei der Auf- und Abbewegung des Kolbens bremsen genau definierte Ventilöffnungen im Kolben die Bewegung. Hervorgerufen wird diese Bremswirkung durch den Strömungswiderstand, den das Öl beim Durchströmen der Ventilöffnung erzeugt. Je kleiner die Ventilöffnung und je zähflüssiger das Öl, desto stärker die Bremswirkung und damit die Dämpfung. Bei adaptiven Dämpfern lassen sich die Ventilöffnungen oder die Zähflüssigkeit (Viskosität) des Öls variieren. Auf diese Weise lässt sich das Fahrwerk auf Knopfdruck oder automatisch dem Anforderungsprofil anpassen – von sportlich-straff bis komfortabel-weich.
Während sich die Blattfeder für Anwendungen in Alltagsautos nicht so sehr anbietet wie die Stahlfeder, haben Luftfahrwerke eindeutige Vorteile in Sachen Variabilität und Komfort. Trotzdem kann auch ein gut abgestimmtes Stahlfahrwerk super funktionieren – und schon aus Aufwands- und Kostengründen dürfte es beim Produktionsvolumen auch weiterhin die Nase vorn behalten.