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Geht auch ganz einfach:

Mercedes C 111: Classic Cars C 111 blieb ohne Serienproduktion

Johannes Riegsinger Autor
Inhalt
  1. Mercedes C 111 in der Classic Cars
  2. Mercedes C 111: der Keil mit Wankelmotor
  3. Wir nehmen Platz im Mercedes C 111
  4. Technische Daten des Mercedes C 111

Das Bemerkenswerte am Mercedes C 111 ist, dass er nie in Serie ging. Oder doch? Die Geschichte eines Classic Cars als automobile Lockerungsübung und ihre Spätfolgen.

Der Mercedes C 111 traf einen wunden Punkt in Stuttgart. Sportwagen sind eine Sache und Rennwagen die andere. Die sind allesamt ernsthaft, sinnvoll, würdevoll. Sie sind "zu was gut", sagt man im notorisch pietistischen Spar-Schwabenland. Es geht eigentlich ganz und gar nicht banal ums Geld, aber eben ums Maßhalten. Und deshalb war Mercedes-Benz schon immer ganz vorn mit dabei, wenn man Rennen gewinnen konnte oder Fahrfreude-Autos verkaufen. Nur eines hatte Mercedes ziemlich lange einfach nicht drauf: Party machen. Über die Stränge schlagen. Während Lamborghini nach dem Miura den Countach erfand, den schnurstracks zum Diablo und noch Wüsterem beförderte, Ferrari mit dem F40 und F50 gleich zwei Gänge auf einmal hochschaltete, dann nie wieder vom Gas ging und selbst Porsche mit dem 959 einen raushaute, hatte Mercedes lange Zeit das, was man wohl einen Stock im Hintern nennt. Oder auch: Werte. Dabei ist es nicht so, dass sich in Stuttgart nie das eine oder andere Mal ein Tanzbein geregt hätte: Die SSKL-Renner der frühen 1930er, die spektakulären Ableger des Mercedes W 29 Ende der Dreißiger – das waren durchaus glamouröse, heftige Boliden.

Aber eben immer noch irgendwie zweckgetrieben. Als Rennwagen oder durch gehobenen Beförderungsanspruch. Und als dann 1954 der 300 SL-Flügeltürer vom Renntourenwagen zum spektakulären Straßen-Superstar wurde, schien Mercedes das eher zu verschrecken: Nicht lange danach hatte man den SL zum freundlichen Cruiser für Wohlstandsbürger:innen domestiziert und den Flügeltürer zur unberührbaren Madonnen-Ikone befördert. Hure und Heilige gleichzeitig – gut finden: Ja, anfassen: Nein. Unter der Oberfläche muss die Auto-Libido aber gewaltig gedrängt haben. Mit dem 300 SLR-Dienstwagen des Rennwagen-Chefentwicklers Rudolf Uhlenhaut durfte sich das kurz zeigen: Auf zwei Exemplare limitierter Wahnsinn, tobend schnell, brüllend laut – und selbstverständlich unverkäuflich. Dass Mercedes mit dem Mercedes C 111 auch heute noch die Werbetrommel rührt, ist bezeichnend. Ein nie verkauftes Classic Car als Markenikone. Das bekam lange Zeit nur Mercedes hin. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon

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Mercedes C 111 in der Classic Cars

Dann kam lange Zeit nichts. Bis 1969 der Mercedes C 111 ins Rampenlicht der IAA rollte. Unter der etwas hüftsteifen Erklärung, es handle sich um einen "experimentellen Sportwagen zur Erforschung verschiedenster Technologien" landete da ein Mittelmotor-Ufo, kantig, faszinierend, wild. Keil-Look war angesagt und Mercedes haute mit dem C 111 die Faust aufs Auge. Designer Joseph Galitzendorfer hatte unter der Regie von Mercedes-Designchef Bruno Sacco ein Wunder geschaffen: Klar, elegant, aerodynamisch hocheffizient und gleichermaßen zeitlos. Dazu kamen die Flügeltüren, eigentlich ein lange gelerntes Marken-Symbol. Jedes Kind wusste: Wenn ein Mercedes Flügeltüren hat, wird es wunderbar. Und den C 111 als Überauto verkauft, das die Konkurrenz im Staub verröcheln ließe. Nur Mercedes stammelte tatsächlich lediglich etwas von neuen Technologien: Dreischeiben-Wankelmaschine, Mittelmotorkonzept, neue Mehrlenker-Radaufhängungen, ein frühes ABS, eine Glasfaser-Karosserie über verschweißter Stahlblech-Rahmenstruktur.

Der C 111 hätte den Lamborghini Miura von damals eher alt aussehen lassen: Ebenso dramatische Performance und wilder Look, dabei aber fahrbarer, praktischer, alltagstauglicher. Als der Branchen-Flurfunk durchsickern ließ, dass man in Untertürkheim tatsächlich eine Kleinserie des C 111 von rund 50 Exemplaren plane, wurde es deshalb für ein paar Wochen richtig spannend. Immerhin wurden bereits für die erste Version des Wankelmotors 280 PS (206 kW) angegeben. 1970 durften die Fans, deren Blankoscheck-Bestellungen für den Mercedes C 111 auf dem Tisch des Mercedes-Vorstands Karl Wilfert landeten, bereits von einem 350 PS (257 kW) starken Vierscheiben-Wankelmotor ausgehen. Eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h und ein Sprint aus dem Stand auf 100 km/h in nur 4,8 Sekunden landeten als Appetitanreger bei der Presse.

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Mercedes C 111: der Keil mit Wankelmotor

Dann passierte – nichts. Im Rahmen der "Erforschung von experimentellen Technologien" stellte man bei Mercedes fest, dass Wankelmotoren soffen und nicht hielten. Die sicherheitsbewegten Ingeneur:innen haderten mit den Flügeltüren des Mercedes C 111 und fragten sich Tag und Nacht, wie ein C 111 wohl angemessen würdevoll verlassen werden könne, wenn das Ding auf dem Dach im Straßengraben liege. Was in diesem Fall ja durchaus noch im Rahmen artgerechter Haltung läge. Dass größere Fahrer:innen hingegen gar nicht erst in den C 111 hineinkamen, wurde ebenfalls kritisch bedacht. Mit anderen Worten: Es gab kein einziges Problem, das südlich der Alpen auch nur für eine einzige schlaflose Nacht gesorgt hätte. Anders in Stuttgart: Mit einer Stimme Mehrheit soll sich der Mercedes-Vorstand gegen eine Serienfertigung des Classic Cars ausgesprochen und stattdessen die Prüfung einer Variante mit – festhalten und ganz tapfer sein – Dieselmotor angeregt haben. Als Experimentalfahrzeug natürlich. Das schaffte im süditalienischen Nardo mit 190 PS (140 kW) starkem Dreiliter-Fünfzylinder-Turbodiesel sogar etliche Weltrekorde, führte aber halt auch nicht zum Durchbruch des Mercedes C 111 als Superpower-Mittelmotorsportwagen. Logisch.

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Wir nehmen Platz im Mercedes C 111

Viele Jahre später sitzen wir im Mercedes C 111, staunen über seine Unaufgeregtheit, die gelassenen und ernsthaften Details, die gute Übersicht und seine präzise, nahezu subtile Grundstimmung. Wie ein Serienauto ist er, ganz ohne Prototypen-Mürbheit. Sogar ein Becker-Autoradio sitzt hochkant im Armaturenträger. Das Auto ist ein C 111/II aus der Serie mit Vierscheiben-Wankel, der Drehkolbenmotor musste aber im Rahmen der Restaurierung weichen. Hinter den Sitzen des Classic Cars wummert nun ein V8 aus dem SL Typ R 107. Es gibt ungewöhnliche, letzte Anweisungen vom Bodenpersonal: Man möge doch bitteschön einfach so fahren, als sei der Mercedes C 111 ein modernes Auto. Dann tun wir das jetzt eben. Locker vom Fleck, raus auf die Straße und hineinfühlen in dieses Phantom der Autogeschichte. Der V8 mag Drehzahlen. Wir versuchen uns vorzustellen, wie sich das wohl mit dem hochpotenten Wankelmotor angefühlt haben muss. Überirdisch schnell bestimmt, mit dem surrenden Science-Fiction-Soundtrack der Drehkolbenmaschine.

Schnell ist auch klar, weshalb das Mercedes-Bodenteam so entspannte Regieanweisungen aushändigt: Der Mercedes C 111 fährt sich rund und ausgewogen, die Bremsen fassen satt und progressiv zu. Nur beim Lenken gibt es dicke Unterarme zu vermelden, zumindest ist das der Eindruck der ersten Meter. Zähes Zerren ist beim Rangieren und niedrigerem Tempo angesagt. Wenn es dann in enge Ecken hineingeht, steht die Lenkung des Classic Cars stumpf im Raum, Rückstellkräfte fehlen nahezu völlig. So wollte Mercedes tatsächlich gegen die Schnellen der Branche angehen? Die Enttäuschung des ersten Moments legt sich aber schnell. Mit steigendem Tempo zeigt die Kugelumlauflenkung plötzlich Zähne, wird leichter und ausgewogener, direkter und engagierter. Plötzlich ertappt man sich dabei, diesem orangegelben Keil sein Vertrauen auszuhändigen, jubelt flüssig und spielerisch dahin. Fahrfreude. So sieht die aus. Zwei Jahrzehnte und Ölkrisen sowie eine völlig veränderte Autowelt später entdeckt Mercedes dann doch noch den Mut zum Hypercar. Wird immer mutiger und extrovertierter. Wir glauben: Der Mercedes C 111 hat das einst losgetreten. Ganz experimentell.

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Technische Daten des Mercedes C 111

Technische DatenMercedes C 111/II (1970)
MotorVierscheiben-Wankelmotor
Hubraum4 x 600 ccm
Leistung257 kW/350 PS
Max. Drehmoment391 Nm bei 5500/min
Gebtriebe5-Gang, manuell
AntriebHinterrad
L/B/H in mm4440/1825/1120
Leergewicht1260 kg
0-100 km/h4,8 s
Höchstgeschwindigkeit300 km/h
Verbrauchk.A.
Bauzeit1970 (Prototyp)
Stückzahlk.A.
Preis (heute)ca. 5 Mio. Euro

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