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Geht auch ganz einfach:
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Lamborghini Aventador Roadster LP 700-4 im Test: Show-Talent Show-Talent

50 Kilo mehr hin oder her: Auch die Roadster-Variante des Lamborghini Aventador ist ein exaltierter 700-PS-Dampfhammer. Also runter mit den beiden Dachhälften und ungefilterten V12-Klang genießen

Extrem – dieses eine Wort reicht zur Beschreibung des Lamborghini Aventador: extrem teuer, extrem laut, extrem schnell, extrem gut aussehend. Wobei der letzte Punkt wohl Geschmackssache ist. Fest steht aber: Mit diesem Übersportwagen bleibt man nie unbeobachtet, und man muss sich damit abfinden, an jeder Ampel von einem halben Dutzend Handy-Kameras verfolgt zu werden. Bisher sah man allerdings nicht viel von den Insassen, weil kleine Seitenfenster den Blick ins Innere erschwerten. Nun ist die Roadster-Variante des italienischen Kampfstiers mit spanischem Namen auf dem Markt – und endlich kann man Licht und Luft ins Cockpit lassen.

 

Lamborghini Aventador Roadster LP 700-4 im Test

Doch erst müssen die beiden Dachhälften hinter den Kopfstützen der Passagiere entriegelt und anschließend platzsparend im Gepäckraum zwischen den Vorderrädern sicher verstaut werden. Dafür braucht es keinen Doktortitel, doch ein bisschen Übung und Geschick schon. Ansonsten hat sich im Vergleich zum Coupé nicht viel geändert: Das 147,5 Kilogramm leichte, aus Karbon gefertigte Monocoque gibt dem Lamborghini Aventador Roadster die nötige Steifigkeit, vorn und hinten sind Hilfsrahmen aus Aluminium angedockt, die insgesamt lediglich 82 Kilo auf die Waage bringen.

Auch den V12-Saugmotor mit 6,5 Liter Hubraum kennen wir – wie er dumpf dröhnt, böse brüllt und bei 8250 Kurbelwellenumdrehungen schrill schreiend das Erreichen der maximal 700 Pferdestärken verkündet. Dabei werden Erinnerungen an den Klang von Formel- 1-Motoren wach. Neu ist allerdings, dass sich der Hightech-Vierventiler mit Trockensumpfschmierung im Stand automatisch selber abschaltet und während der gemütlichen Fahrt bei niedrigen Drehzahlen sechs der zwölf Zylinder kurzzeitig lahmlegt.

Diese Maßnahmen sollen den Spritkonsum reduzieren, denn inzwischen scheint auch bis zur VW-Tochter Lamborghini vorgedrungen zu sein, dass weniger durchaus mehr sein kann. Allerdings funktioniert die Technik nur auf dem Prüfstand (EU-Verbrauch: 16,0 Liter), denn im Test zeigte sich der Roadster von seiner gewohnt zügellosen Seite und genehmigte sich 24,7 Liter Super Plus. Allerdings werden Sportler dieser Kategorie meist in dunklen Garagen gehalten und bekommen wenig Auslauf – die Umwelt ist wegen der 40 zwischen Januar und Juni 2013 in Deutschland zugelassenen Aventador also nicht in Gefahr. Ein Roadster war übrigens noch nicht dabei.

Aber mit Vernunft hat dieses Auto eh nichts am Hut – und darüber sind wir froh, drücken die "Corsa"-Taste, treten das Gaspedal bis zum Anschlag und lassen uns in drei Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 katapultieren. Dabei lässt der über eine Haldex-Kupplung gesteuerte, permanente Allradantrieb nur gerade so viel Schlupf zu, wie es für einen perfekten Sprint nötig ist. Die Stoppuhr zeigt noch keine Zehn an, da zerschneidet der Aventador Roadster die Luft bereits mit 200 km/h. Wer denkt, ab da ginge es nur noch zäh voran, täuscht sich gewaltig.

Dort, wo gewöhnliche Alltagsautos an ihre Leistungsgrenzen geraten und vor dem Luftwiderstand kapitulieren, dreht der Lamborghini erst richtig auf. Er macht in jeder Drehzahllage genug Druck und beschleunigt mit einem Leistungsgewicht von 2,6 Kilogramm pro PS bis auf 350 km/h. Dabei hebt sich der Heckflügel bei Tempo 80 leicht an und fährt ab 130 km/h noch eine Stufe weiter aus, um Stabilität ins Heck zu bringen. Genauso extrem wie der Aventador Roadster sprintet, so verzögert er auch. Sind die gelochten Karbon-Keramik-Scheiben (Serie) kalt, steht das ohne Fahrer 1840 Kilogramm schwere Geschoss bereits nach 32,2 Metern – mit warmen Stoppern sogar nach nur 31 Metern.

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Doch dieser Lambo ist kein nervöser Sportwagen, der permanent nach Vollgas giert, er kann’s auch ganz gelassen. Die fünfte Stufe des ISR (Independent Shifting Rod) genannten automatisierten Schaltgetriebes liegt an, und der Roadster rollt im harmlosen „Strada“-Modus mit 50 km/h bei 1500 Umdrehungen. Tempo 130 im siebten Gang pariert der V12 mit zurückhaltendem Schnurren und 2800 Touren. Allerdings wählt man besser den manuellen Getriebe-Modus, denn die Automatik schaltet nicht sofort in den nächsthöheren Gang.

Überhaupt ist das ISR nicht mehr zeitgemäß und stört mit langen Pausen zwischen den Schaltvorgängen, die an die Fahrt in einem Smart oder einem alten BMW M5 mit SMG-Getriebe erinnern. Erst in der „Sport“- und der „Corsa“-Einstellung passieren die Gangwechsel schneller. Dann aber werden die Stufen so brutal nachgeschossen, dass die 4,78 Meter lange automobile Skulptur bei flotter Kurvenfahrt etwas nervös wird. Doch wahrscheinlich bleibt es den meisten Aventador Roadster ein Leben lang verwehrt, auf abgesperrter Strecke und am Limit bewegt zu werden. Schade, denn der extrovertierte Italiener hat auch querdynamische Qualitäten.

Dafür haben die Entwickler rundum adaptive Dämpfer von Fahrwerks-Spezialist Öhlins in Pushrod-Bauweise installiert. Das heißt, sie sind innenliegend angeordnet und werden über Schubstangen (Pushrods) und Hebel betätigt. Auch die hydraulisch unterstützte Zahnstangen-Lenkung trägt dazu bei, dass sich der 2,03 Meter breite Aventador sehr agil und exakt dirigieren lässt. Sind die P Zero Corsa von Pirelli kalt, neigt er zum Untersteuern, mit zunehmender Reifentemperatur wird aber auch die Verbindung zwischen Gummi und Asphalt immer besser, sodass man dem Aventador sogar ein leichtes Übersteuern abringen kann.

Dass ein Lamborghini alltagstauglich ist, wird wohl niemals jemand erwarten. Und so verzeiht man dem 1136 Millimeter flachen Sportler auch, dass zwischen Schweller und Dach nur wenig Platz zum eleganten Einstieg bleibt. Hat man die enge Cockpit-Höhle jedoch einmal geentert, bleibt selbst Großgewachsenen genügend Luft überm Scheitel. Das vertikal und axial einstellbare Lenkrad sitzt direkt vor der Brust – perfekt für sportlich ambitionierte Fahrer. Ablagen gibt es keine, bloß ein kleines Fach in der Mittelkonsole mit Zwölf-Volt-Stecker und Platz für Kreditkarten, Handy oder ein Bündel Bargeld.

Die digitalen Instrumente sind einwandfrei ablesbar, und die Bedienung ist einfach, denn für Klima, Radio sowie Navigation hat sich Lamborghini bei Audi bedient. Das schadet dem Aventador nicht, doch die Menge an Schaltern und Knöpfen erfordert eine gewisse Gewöhnungszeit. Der Schlüssel kommt ebenfalls aus Ingolstadt und könnte auch zu einem A3 passen, prangte darauf nicht ein kleiner, goldener Stier. In diesem Fall hätten wir uns ein bisschen mehr Exklusivität gewünscht, immerhin kostet der 700-PS-Roadster mindestens 357.000 Euro. Die von innen unverkleidete Kofferraumhaube trübt den Qualitätseindruck ebenfalls, außerdem läuft nach einem Regenschauer beim Öffnen Wasser in das 150 Liter fassende Gepäckabteil.
Freude bereitet hingegen das Guckloch zwischen Motor und Innenraum, das man elektrisch öffnen kann, um auch bei geschlossenem Dach der V12-Symphonie ungefiltert lauschen zu können – und die ist wirklich einmalig.

Paul Englert

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