BMW i7/Nio ET7: Vergleichstest
Nio ET7 fordert BMW i7 heraus
- BMW i7 & Nio ET7 im Vergleichstest
- BMW & Nio überzeugen durch Innenraum
- Fahrkomfort: BMW i7 trumpft auf
- Motor/Getriebe: BMW & Nio mit unterschiedlichen Stärken
- Fahrdynamik: Nicht das Steckenpferd von i7 & ET7
- Umwelt/Kosten: Nio ET7 spielt preislich in anderer Liga
- Technische Daten & Messwerte von BMW i7 xDrive60 & Nio ET7 100 kWh
- Ergebnis in Punkten
- Fazit
In der automobilen First-Class waren bislang nur wenige Hersteller akzeptiert. Doch im Zuge der Elektrifizierung drängen neue Wettbewerber ins Licht – wie der Nio ET7 100 kWh, der sich in diesem Vergleichstest mit dem BMW i7 xDrive60 misst.
BMW i7 & Nio ET7 im Vergleichstest
BMW ist seit 1977 mit der 7er-Reihe in der Luxusklasse vertreten – also bereits 46 Jahre vor diesem Vergleichstest gegen den Nio ET7. Die aktuelle Baureihe (G70) markiert bereits die siebte Generation der Limousine, die es in Form des BMW i7 nun erstmals auch mit vollelektrischem Antrieb gibt. Und was für einem: Zwei Motoren leisten zusammen 400 kW (544 PS) und bieten mächtige 745 Newtonmeter Drehmoment. Doch das sind Daten, die den Herausforderer aus Fernost nicht schrecken. Denn der Nio ET7 leistet seinerseits sogar 480 kW (653 PS) und bringt es auf maximal 850 Newtonmeter. Hat der Newcomer der erst 2014 gegründeten chinesischen Marke damit das Zeug, einem arrivierten Repräsentanten des Luxussegments wie dem BMW i7 im Vergleichstest die Stirn zu bieten? Auch interessant: Unsere Produkttipps bei Amazon
Der Nio ET7 (2022) im Fahrbericht (Video):
BMW & Nio überzeugen durch Innenraum
Mit einer Länge von 5,40 Metern und einem Radstand von 3215 Millimetern ist der aktuelle 7er eine kolossale Erscheinung, deren imposante Front dem Luxusliner mit gigantischer, illuminierter Niere nicht nur im Vergleichstest eine monumentale Präsenz verleiht. Was das Format vermuten lässt, bestätigt sich beim Blick ins Innere: verschwenderische Platzverhältnisse und noble Materialien in allen Winkeln unterstreichen den Führungsanspruch des BMW i7 mit Nachdruck. Der Nio ET7 nimmt sich daneben regelrecht zurückhaltend und dezent aus. Doch der erste Eindruck täuscht, denn auch der Chinse zählt mit 5,10 Metern Außenlänge und über drei Metern Radstand zu den wirklich großen Limousinen. Das Styling des Nio ET7 setzt mit den markant aus dem oberen Rahmen der Frontscheibe herausragenden Buckeln der Kamera- und LiDAR-Systeme (Light Detecting and Range) seinerseits unkonventionelle Akzente.
An Bord genießt man im Nio ET7 vorne links und rechts zudem genauso viel Freiraum wie im BMW i7, doch das helle Interieur und das serienmäßige Panorama-Glasdach sorgen für ein noch luftigeres Raumgefühl. Auch die Ellenbogenbreite von 1,60 Metern ist sensationell. Im Fond bietet der Nio ebenfalls üppige Platzverhältnisse und eine enorme Breite. Hier sitzt man sogar zu dritt noch gut, einzig die lichte Höhe fällt wegen der abfallenden Dachlinie geringer aus. Der Zustieg auf die Rücksitze gelingt mühelos, fällt aber wegen der extrem großen Pforten im BMW i7 noch leichter. Dass der Bayer rund 30 Zentimeter länger ist, zeigt sich im Vergleichstest nicht zuletzt durch den erheblich größeren Kofferraum.
Teilautonomes Fahren im i7 und ET7
Als erstes Serienauto überhaupt tritt der Nio mit einem wegweisenden LiDAR-System an, das per Laser die Umgebung beziehungsweise den Bereich vor dem Fahrzeug vermisst. Dazu kommen unter anderem elf Außenkameras, fünf Mikrowellenradar- sowie zwölf Ultraschallsensoren. Insgesamt bietet der Nio ET7 also 33 Sensoren, die seine Assistenzsysteme mit Informationen füttern. Das wiederum ermöglicht dem Herausforderer des Vergleichstests eine Vielzahl an (teil-)autonomen Fahrfunktionen und etliche Sicherheitsassistenten.
Doch der BMW i7 meistert teilautonomes Fahren noch souveräner und offeriert tatsächlich noch mehr Assistenz-Features als der Nio ET7, weshalb er in dieser Disziplin des Vergleichstests aktuell nicht zu schlagen ist. Ein ähnliches Bild ergibt die Überprüfung der Verarbeitungsqualität: Der Nio wirkt wie aus einem Block. Nichts quietscht, rappelt oder knistert, alles fügt sich sauber an- und ineinander. Aber der BMW ist einfach noch solider, noch penibler gefertigt, und seine Oberflächen schmeicheln mit Glas, Leder sowie griffsympathisch geschäumten Kunststoffen. Bei Nio verwendet man hingegen „Karuun“ – ein aus Rattan gefertigtes, individuell strukturiertes Öko-Material, das Mittelkonsole und Armaturentafel prägt. Es verleiht dem Cockpit einen eigenständigen und frischen Charakter, besitzt aber nicht die wertige Anmutung der klassischen Materialien des BMW i7. Billig wirkt der Nio ET7 jedoch an keiner Stelle!
Fahrkomfort: BMW i7 trumpft auf
Gestandene Limousinen wie aus diesem Vergleichstest sollten nicht nur genug Platz bieten, sondern auch gehobene Ansprüche hinsichtlich des Fahrkomforts erfüllen. Und das kann der sänftengleich dahingleitende BMW i7 mit Bravour. Seine Sitze unterstützen in nahezu perfekter Manier und glänzen mit kuscheliger Polsterung, Heizung, Kühlung sowie Massagefunktion. Das adaptive Luftfederfahrwerk absorbiert den Großteil aller Fahrbahn-Unebenheiten und lässt das Dickschiff gelassen dahinrollen. Der Geräuschpegel ist dank E-Antrieb und aufwendiger Isolierung ohnehin niedrig und überdies angenehm unaufdringlich. Das beherrscht der Nio ET7 naturgemäß ähnlich gut – trotz rahmenloser Seitenscheiben. Jedoch rauscht der Fahrtwind auf der Autobahn hörbar um die A-Säulen, und das Fahrwerk gibt sich etwas poltriger. Auch beim Federungskomfort fällt der Herausforderer im Vergleichstest ab, obwohl der Chinese ebenfalls mit adaptiven Dämpfern und Luftfederelementen aufwartet. Sein Set-up spricht bei langsamer Fahrt jedoch weniger sensibel an und offenbart bei höherem Tempo größere Vertikalbewegungen auf welligen Passagen. Der Komfort des Nio ET7 ist sehr gut, aber der des BMW i7 einfach noch besser.
Motor/Getriebe: BMW & Nio mit unterschiedlichen Stärken
Beim Antrieb indes gilt: Der BMW i7 ist stark, der Nio ET7 noch stärker! Überdies wiegt das Exemplar aus dem Vergleichstest exakt 202 Kilogramm weniger. Daher sprintet der Asiate noch vehementer los als die ebenfalls sehr dynamische 7er-Limousine aus deutscher Produktion. Ab Tempo 160 gewinnt jedoch der i7 allmählich die Oberhand und zieht dem ET7 davon, zumal dieser auf 200 km/h begrenzt ist. Auch in puncto Effizienz schneidet der Münchener Antrieb günstiger ab. Weil der BMW i7 zudem noch einen größeren Akku besitzt, ermöglicht er mehr Reichweite – und lädt mit bis zu 195 kW schneller auf, während der Nio ET7 maximal 130 kW Ladeleistung aufbringt. Der Clou: Nio baut als einziger Hersteller ein eigenes Netz aus Wechselstationen auf, an denen der leere Akku binnen weniger Minuten – und zweimal pro Monat kostenlos – gegen einen geladenen Akku ausgetauscht werden kann. Derzeit gibt es drei dieser Stationen (München, Berlin, Düsseldorf), sieben weitere sind in Planung. Smart!
Fahrdynamik: Nicht das Steckenpferd von i7 & ET7
So antrittsstark beide Liner im Vergleichstest auch loslegen, als Kurvenräuber taugen sie nur bedingt. Doch sie zeigen ein problemloses Fahrverhalten selbst in Extremsituationen und erfreuen trotz hoher Gewichte mit fadingstabilen Bremsen. Dank Allradlenkung und optionalem Wankausgleich legt der BMW i7 zwar ein verblüffend agiles Einlenken an den Tag, vermittelt aber ein etwas synthetisches Feedback. Der Nio ET7 gibt bei forcierter Gangart ebenfalls zu wenig Rückmeldung und erreicht früher sein Limit, was zu sturem Untersteuern führt. Schnelle Autobahnbögen liegen den zwei Limousinen eher.
Umwelt/Kosten: Nio ET7 spielt preislich in anderer Liga
Der Grundpreis des BMW i7 beträgt 139.900 Euro, den Nio ET7 gibt es schon ab 69.900 – zuzüglich 21.000 Euro für den Kauf des 100-kWh-Akkus oder 289 Euro monatlich im Abo. Inklusive aller für den Vergleichstest relevanten Optionen ist der Chinese somit um fast 64.000 Euro günstiger! Das relativiert vieles. Sehr vieles.
Technische Daten & Messwerte von BMW i7 xDrive60 & Nio ET7 100 kWh
AUTO ZEITUNG 09/2023 | BMW i7 xDrive60 | Nio ET7 100 kWh |
Technik | ||
E-Motor | zwei fremderregte Synchronmaschinen; v.: 190 kW (258 PS), 365 Nm, h.: 230 kW (313 PS), 380 Nm | zwei permanenterregte Synchronmaschinen; v.: 180 kW (245 PS), 350 Nm, h.: 300 kW (408 PS), 500 Nm |
Systemleistung (Boost) | 400 kW/544 PS | 480 kW/653 PS |
Systemdrehmoment | 745 Nm | 850 Nm |
Batterie | Lithium-Ionen | Lithium-Ionen |
Spannung/Kapazität netto (brutto) | 376,4 V/101,7 (105,7) kWh | 400 V/91 (100) kWh |
Max. Ladeleistung DC/AC | 195/22 kW | 130/11 kW |
Getriebe/Antrieb | Konstantübersetzung / Allrad | Konstantübersetzung / Allrad |
Messwerte | ||
Leergewicht (Werk/Test) | 2640/2692 kg | 2379/2490 kg |
Beschleunigung 0-100 km/h (Test) | 4,4 s | 3,7 s |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | 240 km/h | 200 km/h |
Bremsweg aus 100 km/h kalt/warm (Test) | 35,6/34,9 m | 35,6/35,0 m |
Verbrauch auf 100 km (Test/WLTP) | 26,4/18,4 kWh | 27,9/19,0 kWh |
CO2-Ausstoß (Test/WLTP)¹ | 111/0 g/km | 117/0 g/km |
Reichweite (Test/maximal) | 385/405 km | 323/341 km |
Preise | ||
Grundpreis | 140.300 € | 90.900 €² |
Testwagenpreis | 152.570 € | 88.615 € |
¹ Äquivalent gemäß deutschem Strommix (420 g CO2/kWh)
² inkl. Kaufpreis für 100-kWh-Akku (21.000 €)
Ergebnis in Punkten
Gesamtbewertung (max. Punkte) | BMW i7 xDrive60 | Porsche Taycan GTS Gran Turismo |
Karosserie (1000) | 748 | 680 |
Fahrkomfort (1000) | 916 | 804 |
Motor/Getriebe (1000) | 797 | 754 |
Fahrdynamik (1000) | 733 | 691 |
Eigenschaftswertung (4000) | 3194 | 2929 |
Kosten/Umwelt (1000) | 197 | 243 |
Gesamtwertung (5000) | 3391 | 3172 |
Platzierung | 1 | 2 |
Schon im Einzeltest (AUTO ZEITUNG 03/2023) hat uns der chinesische Nio ET7 100 kWh in vielen Punkten überzeugt: Sprachassistenz und Batteriewechsel sind originell und clever. Er bietet ein enormes Raumangebot, eine topmoderne Sicherheitstechnik sowie beachtliche Reise- und Komfortqualitäten zu einem sensationell günstigen Preis – zumindest im Vergleich zur etablierten Konkurrenz der Luxusklasse. Doch der Vergleichstest zeigt, wie schwer es selbst ambitionierte Wettbewerber haben, sich aktuell gegen den BMW i7 xDrive60 zu behaupten. Der Elektro-Bayer ist derzeit die Referenz, an der sich alle Rivalen messen lassen müssen.