Testfahrt im Lucid Air Sapphire (2025): Supersportler im Limo-Kleid
Lucid Air Sapphire bewegt sich zwischen Luxusyacht und Rennsemmel
Tausende Explosionen pro Minute samt dazugehörigem Röhren und hochfrequenten Vibrationen lassen das Herz höher schlagen, wenn man die Drehzahl mit kurzen Schaltpausen knapp unter dem roten Bereich hält – so oder so ähnlich sieht für viele das einzig wahre Rennstreckenerlebnis aus. Ob dabei ein Reihensechszylinder die Vorderachse beschwert oder ein V10 den Rücken wärmt, erscheint eher nebensächlich. Aber geht es auch mit Hochspannung statt Umdrehungen pro Minute? Wir haben es bei einer ersten Testfahrt mit dem neuen Lucid Air Sapphire (2025) probiert.
Ähnlich wie der direkte Konkurrent Porsche Taycan bewegt sich der Air in einem lange unentdeckten Universum zwischen Luxusyacht und Rennsemmel. Dem kalifornischen Tech-Epizentrum Silicon Valley entsprungen, produziert Lucid seit 2021 das erste eigene Auto, doch erst im dritten Quartal 2025 kommt die Sapphire-Variante nach Deutschland. Die Vertriebsstrategie des Edelsteins weist dabei eine erstaunliche Eigenheit auf: Der Gleiter soll ausschließlich mit Vollausstattung für exakt 250.000 Euro vom Händler-Hof rollen – sogar die dunkelblaue Lackierung ist dabei gesetzt.
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Der Porsche Taycan Turbo GT (2024) im Fahrbericht (Video):
Technik der Superlative
Für diesen stolzen Preis bietet der neue Lucid Air Sapphire (2025) jedoch einiges: Zwei Motoren an der Hinterachse und einer an der Vorderachse pressen unglaubliche 920 kW (1251 PS) und 1940 Nm auf die Straße. Die Batterie soll 118 kWh zur Verfügung stellen und wird über ein 900-V-System geladen. Optimalerweise sollen den Air 300 kW Ladeleistung in nur 16 min für 400 weitere Kilometer frisch machen. Um das fünf Meter lange 2420-kg-Geschoss von bis zu 330 km/h zu stoppen, kommen 420-mm-Carbon-Keramik-Bremsscheiben samt Zehn-Kolben-Sätteln zum Einsatz. Und das wohl Spektakulärste: Den Sprint von 0 auf 100 will der Lucid in glatten zwei Sekunden hinlegen.
Die Konkurrenten:
Interieur-Eindruck des Lucid Air Sapphire (2025)
Schon beim Einstieg zur ersten Testfahrt wird klar, dass der neue Lucid Air Sapphire (2025) versucht, dem Familienalltag ebenso gerecht zu werden wie dem Track Day: Einstellbare Sitzflanken decken entspanntes Cruisen ebenso ab wie launiges Kurvenräubern, das Lenkrad wirkt mit Alcantara-Bezug sportlich, ist aber trotzdem beheizbar, der Knieraum im Fond scheint nahezu unendlich. Der Kofferraum fasst mit 627 l zwar ein ordentliches Volumen, fällt jedoch der flachen Silhouette zum Opfer und ist eher mittelmäßig belad- und nutzbar. Dafür gestellt sich ein mit 283 l sehr geräumiger Frunk dazu, der durch einen doppelten Ladeboden zusätzlich an Praktikabilität gewinnt.
Armaturenbrett und Mittelkonsole wirken durch eiserne Knopf-Askese angenehm unaufgeregt und überzeugen zudem mit Leder und Holzapplikationen. Für einige Funktionen vermissen wir jedoch physische Tasten, beispielsweise die Lenkradeinstellung oder das Öffnen des Handschuhfachs, die jeweils über den in der Mittelkonsole angebrachten Touchscreen bedient werden. Immerhin sind der Lautstärkeregelung und Klimabedienung Regler und Tasten vergönnt. Auf der Haben-Seite stehen zudem ein einfach ablesbares und übersichtlich aufgebautes User Interface und ein allgemein schnell arbeitendes System. Hier gibts unser Pro & Contra zu Touchscreens.
Nützliches Zubehör rund ums Elektroauto:
Erste Testfahrt auf dem Circuito Ascari
Für unsere erste Testfahrt auf dem südspanischen Circuito Ascari wird der Elektriker im "Endurace"-Submodus zur Verfügung gestellt. Neben der effizienten "Smooth"-, der mittleren "Swift"- und der "Sapphire"-Konfiguration steht beim neuen Lucid Air Sapphire (2025) ein "Track"-Mode zur Wahl, der unterteilt ist in die Submodi "Drag Strip", "Hot Lap" und "Endurance". Bedeutetet für uns konkret: Der letztgenannte Modus setzt maximal 571 kW (777 PS) frei. Auch wenn hier fast 40 Prozent der Spitzenleistung fehlen, können wir uns – wenig überraschend – an keinem Punkt über Leistungsmangel beschweren. Der Lucid begeistert mit dem Elektroauto-typisch hemmungslosen Antritt, die stromlinienförmige Silhouette sorgt in Verbindung mit dem leisen Antrieb und einer wirkungsvollen Schalldämmung für einen ruhigen Innenraum – was die Drehmomentexplosionen fast noch brutaler erscheinen lässt.
Die XXL-Stopper packen jederzeit kräftig zu, liefern aber gleichzeitig den nötigen Gegendruck für dosierte und gefühlsechte Bremsmanöver. Hier dürfte es hilfreich sein, dass die bis zu 250 kW Rekuperationsleistung ausschließlich beim Lupfen des Gaspedals einsetzen und unabhängig vom Tritt aufs Bremspedal. Passend dazu fühlt sich die Lenkung knackig an und kommt in einer Übersetzung, die auch engere Kurven ohne Umgreifen am Lenkrad ermöglicht. Auch dass der Lucid Air Sapphire im Vergleich zu den anderen Varianten mit härteren Federn und modifizierter Fahrwerks-Software aufwartet, macht sich bezahlt: In Kombination mit den Pirelli P Zero Trofeo RS-Semislicks (Serienmodell mit Michelin Pilot Sport 4S) schafften wir es kaum, die querdynamischen Grenzen zu erreichen.
Technische Daten des Lucid Air Sapphire (2025)
AUTO ZEITUNG 14/2025 | Lucid Air Sapphire |
Technische Daten | |
Motor | 3 permanenterregte Synchronmaschinen (2 hinten, eine vorne) |
Antrieb | Konstantübersetzung; Allrad |
Systemleistung | 922 kW/1251 PS |
Max. Drehmoment | 940 Nm |
Kapazität/Spannung | 118 kWh/900 V |
Karosserie | |
Außenmaße (L/B/H) | 5005/1990 (2196)*/1409 mm |
Leergewicht | 2420 kg |
Kofferraumvolumen/Frunk-Volumen | 627/283 l |
Fahrleistungen | |
Beschleunigung (0-100 km/h) | 2,0 s |
Höchstgeschwindigkeit | 330 km/h |
Verbrauch auf 100 km (nicht homologiert) | 19,1 kWh |
Reichweite (nicht homologiert) | 694 km |
Kaufinformationen | |
Preis (ausschließlich voll ausgestattet) | 250.000 € |
Marktstart | Q3 2025 |
Alle Daten Werksangaben; *Breite mit Außenspiegel |
Wer dem neuen Lucid Air Sapphire eine Chance gibt, kann nicht nur eine erstaunlich direkte Verbindung zur Rundstrecke aufbauen, sondern dabei auch reichlich Spaß haben – mit unauffälligem Surren statt infernalischem Röhren.