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Alle Infos zum Fiat 500

Fiat/Glas/Isar/Heinkel/RAF/Tempo: Classic Cars Kultwagen der 1950er

AUTO ZEITUNG
Inhalt
  1. Champion 400H, Tempo Hanseat 400, Glas Isar T600, Fiat 500C Belvedere & Heinkel Kabine im Classic Cars-Vergleich
  2. RAF Champion war ein Flop
  3. Glas Isar T600 orientierte sich am Nierentisch
  4. Heinkel Kabine ohne Chance gegen Isetta
  5. Fiat 500C Belvedere wurde auch in Heilbronn gefertigt
  6. Tempo Hanseat ist ein Lieferwagen alter Schule

Mitte der 1950er schlossen pfiffige Minimalisten die Marktlücke zwischen Motorrad und VW Käfer. Rückblick auf die Zeit, als wir mit 600 Kubik schon vollwertig motorisiert waren. Dabei: Die Classic Cars Fiat 500 C, Glas Isar T600, Heinkel Kabine, R.A.F. Champion 400H und Tempo Hanseat 400.

Die Hauptdarsteller dieser Geschichte sind die Gartenzwerge der Oldtimer-Szene: Fiat 500 C Belvedere, Glas Isar T600, Heinkel Kabine, R.A.F. Champion 400H und Tempo Hanseat 400. Sie haben putzige Spielzeugmotörchen mit maximal 600 Kubik und sehen aus wie Puppenwagen mit ihren kariert gepolsterten Sitzen und ihren Faltdächern in der Größe eines Fensterleders. Klar, sie haben (meistens) an jeder Ecke ein Rad und bewegen sich aus eigener Kraft fort, insofern gehören sie schon zur Gattung der Automobile. Doch sie sind so klein und so schwach, dass manche sie nicht recht ernst nehmen und bei den Spielzeugautos einsortieren wollen. Was soll man mit 10 bis 20 PS (7 bis 15 kW) auch schon anfangen? Eine ganze Menge!

Außerdem sind die rollenden Gartenzwerge mittlerweile nämlich wertvoller als manches Technikdenkmal vom Schlage eines Audi V8 oder BMW 735i. Und das, obwohl sie damals nicht nach individuellem Käuferwunsch gefertigt und lackiert wurden, sondern weitgehend in Einheitsausführung vom Fließband purzelten, damit möglichst viele Haushalte sich so einen Gnom leisten konnten. Dank dieser Wägelchen schafften hunderttausende westdeutsche Familien Mitte der Fünfzigerjahre den Umstieg vom Motorrad mit Beiwagen auf ein "richtiges" Automobil, das ihnen etwas bot, was keine Horex, keine Adler und keine Triumph zu bieten hatte: trockene Füße und ein Dach über dem Kopf. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon

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Champion 400H, Tempo Hanseat 400, Glas Isar T600, Fiat 500C Belvedere & Heinkel Kabine im Classic Cars-Vergleich

Der frühe Vogel fängt den Wurm: Carl Borgward stieß 1950 mit dem 300er Lloyd als einer der ersten in die Marktlücke zwischen Zweirad und Volks
wagen. In Ermangelung großartiger Konkurrenz etablierte sich Lloyd schnell als Marktführer in der Klasse unter 700 Kubik. Zu den ersten ernsthaften Rivalen gehörte der Champion, ein hübscher Zweisitzer mit Zweizylinder-Heckmotor, der ab 1951 in Paderborn gebaut und von 1953 an bei der Rheinischen Automobil-Fabrik R.A.F. in Ludwigshafen gefertigt wurde.

Im Gegensatz zum kunstlederbespannten Lloyd hatte der Champion eine propere Stahlkarosserie, die bei Drauz in Heilbronn hergestellt wurde. Der Champion war zwar klein, aber weder einfach noch billig konstruiert – angefangen vom Zentralrohrrahmen über die im Vergleich zum Standard-Käfer adrett und luxuriös wirkende Innenausstattung bis zum Antriebsblock im Heck, bei dem das ZF-Dreigang-Getriebe eine tragende Rolle für Motor und Hinterachse übernimmt. Der 15-PS-Zweitakter (11 kW) wird über einen Solex-Flachstromvergaser mit Gemisch versorgt.

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RAF Champion war ein Flop

Ein Styling-Gag auf Oberklasse-Niveau sind die halbkreisförmigen, per Handkurbel in den Türen versenkbaren Seitenfenster. Nicht alle technischen Besonderheiten des Champion entpuppten sich in der Praxis als vorteilhaft: Das Fahrwerk mit Gummi-Torsionsfedern produzierte in der ersten Version ohne Stoßdämpfer gefährliche Nickschwingungen, und auch die Nachrüstung von Teleskopdämpfern an der Vorderachse änderte nichts daran, dass der hecklastige Champion in Kurven ein gewöhnungsbedürftiges Eigenlenkverhalten an den Tag legte.

Das bremste die Nachfrage allerdings bei weitem nicht so stark wie der Preis, denn mit rund 4000 Mark kostete der Champion praktisch genauso viel wie ein VW, bot aber weniger Platz und hatte einen wesentlich kleineren Motor. So kam er nie über eine Randrolle hinaus und erreichte auch in seiner dritten, ab 1956 bei Maico produzierten Auflage nur niedrige Stückzahlen. Seine Rarität und sein Aussehen bescheren ihm heute dennoch eine Ausnahmestellung als Oldtimer: Der Champion gehört neben Messerschmitt Tiger und BMW Isetta zu den wertvollsten "Wirtschaftswunderlingen".

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Glas Isar T600 orientierte sich am Nierentisch

Von Individualität konnte zumindest optisch keine Rede sein, als die Maschinenfabrik von Hans Glas den Sprung nach oben wagte und dem sehr erfolgreichen Goggomobil von 1957/58 an in Gestalt des Isar T600 einen großen Bruder zur Seite stellte. Damals vertraute Glas noch auf die Zeichenkünste seines Chefkonstrukteurs Dompert, und der ahmte in Ermangelung eigener Kreativität ein real existierendes Vorbild nach: den 1956er Austin A40 Cambridge. Zwei Jahre später hätten die Dingolfinger:innen im Austin-Programm einen revolutionären neuen Kleinwagen vorgefunden und womöglich mit einer Lizenzfertigung des Ur-Mini den Coup des Jahrzehnts landen können. Doch da waren die Würfel längst gefallen. Der "große Goggo" kam wie eine Miniaturausgabe von Tante Adelheids Traumwagen daher: Mit Stufenheck und richtigem Kofferraum, neumodischer Panoramafrontscheibe, verchromtem Kühlergrill und seitlichen Zierleisten, die der pummeligen Flanke den Schwung eines Nierentischchens verleihen sollten, traf der T600 offenbar den Geschmack der aufstiegshungrigen Kleinbürger:innen.

Auf der IAA 1957 zählte der T600 jedenfalls zu den Hauptattraktionen. Sein Zweizylinder-Viertakt-Boxer mit Drehschiebervergaser sollte ursprünglich die Vorderräder antreiben, doch weil Prototypen bei Testfahrten im Winter Traktionsprobleme offenbarten, entschied Glas sich kurzfristig doch für Hinterradantrieb. Der T600 war keine Rakete, aber ein konkurrenzfähiges Auto. Den durchschlagenden Erfolg verhinderten äußere Umstände: Preissenkungen bei Volkswagen und zwei neue Wettbewerber, der NSU Prinz und der BMW 700, sorgten für gewaltigen Druck, dem Glas nichts entgegenzusetzen hatte als die Flucht nach oben. Doch auch in der Mittelklasse zog Glas im direkten Duell mit BMW den Kürzeren. Der Ausgang ist bekannt: Am 10. November 1966 übernahm BMW den bayerischen Rivalen. Heute werden in Dingolfing rund 232.000 Autos pro Tag gebaut – vom 4er bis zur 7er-Reihe.

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Heinkel Kabine ohne Chance gegen Isetta

Ein anderer BMW-Rivale hatte da schon längst die Segel gestrichen: Heinkel hatte gegenüber der Isetta das Nachsehen, obwohl der Kabinenroller aus Stuttgart-Zuffenhausen technisch raffinierter war als der von BMW aufgelegte Lizenzbau der Iso-Erfindung. Zum Beispiel bietet die Heinkel Kabine wesentlich mehr Platz als eine Isetta und taugt sogar als 2+2-Sitzer. Die Lenksäule schwenkt nicht mit der Fronttür nach außen, sondern bleibt fest an ihrem Platz. Die zwei runden Uhren im Instrumentenblock sehen aus, als stammten sie direkt aus einem Flugzeug-Cockpit, die gebogenen Plexiglasscheiben erinnern an die Kanzel eines Bell-Hubschraubers, und auch was Leichtbau angeht, ließ Heinkel seine Expertise in puncto Aviation aufblitzen: Mit 243 kg Lebendgewicht unterbietet die 1956 lancierte Version mit Einzylinder-Viertakter und Pallas-Nadelvergaser eine Isetta um fast 30 Prozent.

Daraus resultierte ein exzellent niedriger Benzinverbrauch, der auch in den 50er-Jahren schon aufhorchen ließ: Das Dreirad kam bei moderater Fahrweise mit drei Litern Benzin 100 km weit. Ähnlich wie heute reichte das jedoch nicht, um den auf Konsum und Wachstum gepolten Westdeutschen das Sparen schmackhaft zu machen. Die Kund:innen zogen die Isetta vor, weil sie solider wirkte, hinten doppelt bereift war und einen 250-Kubik-Motor mit größeren Kraftreserven ins Feld führte. Heinkel verkaufte 1956 weniger als 3000 "Kabinen", BMW zehnmal so viele Exemplare der Isetta – ohne damit reich zu werden. Aber das ist schließlich eine ganz andere Geschichte.

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Fiat 500C Belvedere wurde auch in Heilbronn gefertigt

Um zu überprüfen, ob die heimischen Kleinwagenhersteller mit der internationalen Konkurrenz Schritt halten konnten, bietet sich der Vergleich mit Europas führendem Kleinwagen-Produzenten jener Jahre an. Am Fiat-Stammsitz in Turin lief seit 1936 der Fiat 500 vom Band. Der "Topolino" (Mäuschen) genannte Kleine war so alt wie der VW Käfer und hatte ähnlich wie dieser in den 1950er-Jahren noch nichts von seiner Attraktivität verloren. Die Kombi-Version "Belvedere" des 1948 zum Typ 500C modifizierten Fiat gehört zu den ansehnlichsten und optisch wie technisch überzeugendsten Kleinwagen überhaupt.

Anstatt größere Limousinen zu imitieren, besitzt der Fiat einen starken eigenen Charakter. Antrieb und Fahrwerk waren voll auf der Höhe der Zeit. Schließlich packte Fiat einen ordentlichen Vierzylinder-Viertakter unter die vordere Haube. Zwar hat er nur 570 Kubik, aber Fiat-Konstruktionschef Dante Giacosa wusste, worauf es ankam. Zeitgenöss:innen lobten den laufruhigen, elastischen Motor, das hervorragend schaltbare Viergang-Getriebe, die vorzügliche Straßenlage und die sehr hohe Transportkapazität. Seit 1952 produzierte Fiat den 500C auch in seinem deutschen Zweigwerk Heilbronn, das ehemals von NSU errichtet worden war.

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Tempo Hanseat ist ein Lieferwagen alter Schule

Ehe VW mit dem T1 Bulli und Ford mit dem Transit FK1000 moderne Lieferwagen ins Programm aufnahmen, griffen Einzelhandel und Transportunternehmen auf dreirädrige Lastkarren zurück, die ihren Zünften schon in den Dreißigerjahren gute Dienste geleistet hatten. Solch ein Muli war auch der von den Vidal-Werken in Hamburg gebaute Tempo Hanseat. Den Tempo treibt der gleiche Zweizylinder-Zweitakter von Ilo an, der auch die ersten  Exemplare des Champion auf Trab brachte. Die Antriebseinheit des maximal 50 km/h schnellen Transporters sitzt samt Wasserkühler direkt über dem Vorderrad, dahinter folgt die gänzlich komfort-befreite Fahrerkabine mit minimaler Instrumentierung und primitiver Krückstockschaltung. Die zweite Hälfte des Tempo Dreirads besteht nur aus Laderaum in Form einer offenen Pritsche oder eines Kofferkastens.

Diese Aufbauten ließ Vidal vom Karosseriebauer Hebmüller in Wuppertal herstellen. Der hier gezeigte "Woody" ist vermutlich der letzte seiner Art in Deutschland. Er wurde 1950 an ein Hamburger Bettengeschäft ausgeliefert und kutschierte mehr als zwei Jahrzehnte lang Kissen und Matratzen  durch die Hansestadt. Auf Umwegen gelangte er schließlich vor einigen Jahren in den Besitz des Dortmunder Architekten Arnold Berke. Dessen Vater betrieb in Dortmund in den Dreißigern eine Tempo-Vertretung. Berke präsentierte den penibel restaurierten Tempo im Rahmen der Kleinstwagen-Ausstellung bei der Classic Gala Schwetzingen. Die Redaktion bedankt sich bei allen Fahrzeugbesitzern und den Organisatoren der Classic Gala, namentlich Johannes Hübner und Hans Hedtke, für Ihre freundliche Unterstützung bei der Produktion dieser Story über die "Wirtschaftswunderlinge".

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