AUTO ZEITUNG 14/2025: Das sind die Themen!
Liebe Leserinnen und Leser,
schon früh hat die Psychologie gemutmaßt, dass der Mensch wohl ein Gewohnheitstier sei. Diese Einordnung lässt zweierlei Deutungen zu. Erstens: Der Mensch gewöhnt sich an alles. Das ist sehr praktisch, denn wer so biegsam ist, dass er nicht brechen kann, den haut auch nichts um. Zweitens: Der Begriff gibt auch einen deutlichen Hinweis auf unser erstaunliches Beharrungsvermögen. Wir mögen keine Veränderungen. Veränderungen bedeuten Unruhe, Unsicherheit und am Ende womöglich Gefahr. Wie viel bequemer ist es doch, wenn alles so bleibt, wie es ist. Das gilt auch für die Autoindustrie.
Gewesene und gewohnte Erfolge können blind machen vor den Herausforderungen der Zukunft. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich Auto-Manager nach den Risiken der Teileversorgung und der Abhängigkeit vom chinesischen Markt gefragt habe. Deutschland ist ein rohstoffarmes und dabei exportabhängiges Land, das Unmengen Material von außerhalb heranschafft, verarbeitet und danach als zumeist hochwertiges Produkt in die ganze Welt verschifft. Was, wenn die Versorgung stockt oder niemand unsere Waren haben will?
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Spannende Themen in der AUTO ZEITUNG 14/2025
Die Antworten glichen oft Beschwichtigungen: "Haben wir alles im Griff." "Unsere Fachabteilungen sind weltweit vernetzt. Wir scannen den Markt pausenlos." "Wir agieren vor der Welle." "Chinas Wachstumspotenzial ist enorm und wir wachsen mit." Und so weiter. Und jetzt das: Ein Grummeln aus Peking hat genügt, um der weltweiten Autoindustrie einen Schock zu versetzen. China hat den Export sogenannter Seltener Erden erschwert, teilweise sogar gestoppt. Sie sind für die Herstellung zahlloser Produkte unerlässlich. Ob Scheibenwischer, Lichtmaschine oder Fensterheber: Überall dort, wo Stellmotoren im Einsatz sind, werden Seltene Erden gebraucht. Mehr noch: Besonders E-Fahrzeuge sind von dem künstlich erzeugten Engpass betroffen.
Von der AUTO ZEITUNG getestet und empfohlen:
Ihre Maschinen benötigen spezielle Magnete, die ohne Seltene Erden nicht herstellbar sind. Berichten zufolge sind erste Fertigungslinien bei Ford (USA) und Suzuki von Produktionsstopps betroffen. Experten schätzen, dass die Vorräte im Juli aufgebraucht sein dürften. China sitzt am langen Hebel. Rund 61 Prozent der weltweiten Produktion von Seltenen Erden wie Neodym stammen aus Fernost. Mehr noch: Gut 92 Prozent der raffinierten Materialien kommen von dort. Selbst das nach seinem ersten Fundort benannte Germanium, das als Halbleiter in der Elektronik gebraucht wird, kommt – obgleich weltweit verbreitet – aus China. Grund: Es ist billiger.
Chinas Führung will mit der Mangelversorgung Druck auf die USA ausüben, um die aus dem Ruder gelaufene Zollpolitik zu kontern. Und auch Europa kriegt sein Fett weg, die rigide Besteuerung chinesischer Auto-Exporte durch die EU ist in Peking nicht vergessen. Was wird passieren? Im besten Fall wird das Thema wegverhandelt, und alles ist wieder so wie früher. Das ist jedoch riskant. Deutschland und Europa müssen ihre China-Abhängigkeit reduzieren. Der stereotype Hinweis der Industrie, die Lieferketten seien nun mal global verflochten, ist bequem, denn es macht einen großen Unterschied, wer an der Kette zieht. Uns kann es leicht aus den Fundamenten reißen.
Ihr Stefan Miete