close
Schön, dass du auf unserer Seite bist! Wir wollen dir auch weiterhin beste Unterhaltung und tollen Service bieten.
Danke, dass du uns dabei unterstützt. Dafür musst du nur für www.autozeitung.de deinen Ad-Blocker deaktivieren.
Geht auch ganz einfach:
Alle Tests zum VW Bus

VW Transporter T1: Zeitreise durchs Berliner Wirtschaftswunder

Christian Steiger Freier Mitarbeiter

Keine zehn Jahre dauerte es, bis sich West-Berlin von der Trümmerwüste ins Schaufenster der freien Welt verwandelte. Vielleicht war das wirklich ein Wunder. Hinter dem Lenkrad eines 75 Jahre alten VW Transporters ist es auch heute noch begreifbar.

Hinweise zu den Affiliate-Links
Die genannten Produkte wurden von unserer Redaktion persönlich und unabhängig ausgewählt. Beim Kauf in einem der verlinkten Shops (Affiliate Link) erhalten wir eine geringfügige Provision, die redaktionelle Selektion und Beschreibung der Produkte wird dadurch nicht beeinflusst.
Inhalt
  1. Unterwegs im VW Transporter T1 durchs Berlin der 50er
  2. Große Stille zwischen Nazi-Pomp und Nachkriegs-Eleganz
  3. Die Stadt der Zukunft: Jedes Haus im Hansaviertel ist eine Diva
  4. Natürlich ist es kein Zufall, dass die Kongresshalle direkt an der Sektorengrenze steht
  5. Der Bauhaus-Entwurf unter den Transportern heißt VW T1
  6. Vor dem Zoo-Palast sieht der Bulli wie ein Lieferant für Afri-Cola aus
  7. Ein Stück Amerika, das mitten in Berlin-Dahlem liegt
  8. Technische Daten des VW Transporter T1
  9. Fazit

Edmund Iden ist der König unter den Berliner Kleintransporteuren, er sitzt in Steglitz und hat "ständig 100 Wagen fahrbereit". Unter der Rufnummer 72 58 59 könnte er Auskunft darüber geben, wie viele davon Volkswagen Transporter sind, doch das Telefon bleibt natürlich stumm, weil das Berliner Adressbuch von 1955 stammt. Das Blättern im 744-Seiten-Wälzer hilft heute trotzdem, um den Erfolg des VW Transporters zu verstehen. Das westliche Berlin ist in den Fünfzigern zwar nur halb so groß wie Hamburg, aber doppelt so dicht besiedelt.

Passendes Zubehör für den Klassiker:

Und natürlich muss ständig irgendwas transportiert werden; es ist mehr und es muss schneller gehen als im Rest der Republik. Das beginnt schon bei der Morgenmilch der Berliner:innen, die jeden Tag mit Tankwagen über die Transit-Autobahn geliefert und dann auf die kleinen Lebensmittelläden verteilt wird, die im Adressbuch noch Dutzende von Seiten füllen. Und es endet bei den vielen Baustellen, denn die Berliner Neubauten fallen größer und mondäner aus als anderswo in der jungen Bundesrepublik.
Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon

Der VW ID. Buzz GTX (2024) im Video:

 
 

Unterwegs im VW Transporter T1 durchs Berlin der 50er

Noch wachsen die Birken aus den Ruinen am Potsdamer Platz, doch die Völker der Welt schauen schon wieder "auf diese neu erstandene Mustercity mit Stadtautobahn, Superhotels und kühner Architektur", wie der "Spiegel" damals schreibt. Der polnische Dichter Witold Gombrowicz kriegt sich zu Beginn der Sechziger gar nicht mehr ein vor lauter Bewunderung über "dieses Glitzerding West-Berlin, den pulsierenden und blendenden Neon, Schwärme von Autos und elektrischen Feuerschein am Horizont".

Es ist ein Wunder – so sehen es viele, die 1945 auf den ausgebrannten Trümmern der Stadt gestanden haben. Dass in den Fünfzigern nicht wenige von ihnen am Lenkrad eines VW T1 (im Vergleich mit T2 und T3) am Wiederaufbau teilnehmen, liefert uns heute einen sachlichen Teil der Erklärung. Die Stimmen der meisten Zeitzeug:innen sind zwar verstummt, doch der älteste bekannte Bulli-Kastenwagen mit der Fahrgestellnummer 20-01880 existiert noch. Und die Neubauten von damals reiften im Stadtbild von Berlin zu Kulturdenkmälern, was eine Zeitreise zum 75-jährigen Jubiläum des VW Transporters möglich macht.

 

Große Stille zwischen Nazi-Pomp und Nachkriegs-Eleganz

Die größte Zeitkapsel der Hauptstadt steht heute in Tempelhof, wo der frühere Zentralflughafen in gespenstischer Stille auf neues Leben wartet. Als ausgemacht gilt nur, dass hier nie wieder ein Flugzeug starten wird, weil das Flugfeld schon seit 2010 mit Spazierwegen und Radrouten durchzogen ist. Doch da ist ja noch das riesige Gebäude mit der halbrunden Flugsteighalle, der honigfarbenen Travertin-Fassade und der eleganten Aluminium-Front in der Abfertigungshalle, die erst in den frühen Sechzigern fertig wird. Unten, im Keller, sind die Luftschutzräume aus dem Zweiten Weltkrieg erhalten, während im ersten Obergeschoss die frühere Baseball- und Bowling-Halle der US Army auf ihre Wiederentdeckung wartet. Und draußen, unter dem weit auskragenden Vordach, könnte der VW Bulli jetzt mal eben die ledernen Koffer der Reisenden zur Super Constellation der Pan Am fahren, der legendären Super Connie.

Das Cockpit des VW Transporter T1
Foto: Thomas Starck

Nicht nur der neue Wohlstand der West-Berliner:innen spiegelt sich hier draußen, wo Billy Wilder 1961 die berühmte Schlussszene seines Filmklassikers "Eins, zwei, drei" dreht. Auch das Überleben der Inselstadt entscheidet sich in Tempelhof, als Russland im Juni 1948 alle Landverbindungen nach West-Berlin dichtmacht. Nur die Luftbrücke können sie nicht verhindern, die es den Amis bis zum Mai 1949 ermöglicht, die Bevölkerung mit über zwei Millionen Tonnen Kohlen und Lebensmitteln zu versorgen.

 

Die Stadt der Zukunft: Jedes Haus im Hansaviertel ist eine Diva

Mit dem frühen Bulli hat der Zentralflughafen Tempelhof im übrigen gemeinsam, dass er von den geradezu grotesken Fehlplanungen des NS-Regimes berichten kann. Der Volkswagen Typ 2 stammt bekanntlich vom KdF-Wagen ab, an dessen Unterhalt die deutschen Arbeiter:innen erstickt wären, wenn sie für ihre volle Sparkarte einen bekommen hätte. Und der Monumental-Flughafen Tempelhof entpuppt sich schon während des Baus als Fehlplanung, weil er der neuen Nord-Süd-Straßenachse der Nazis in die Quere kommt. Sie denken deshalb schon vor dem Zweiten Weltkrieg an einen Neubau auf der grünen Wiese – und einen riesigen Vergnügungspark auf dem früheren Tempelhofer Flugfeld, betrieben von der Deutschen Arbeitsfront.

Auch interessant:

Für die verrutschten Maßstäbe ist im Berlin der Fünfziger vor allem der kommunistische Ostteil der Stadt verantwortlich. Wie man sich die Stadt der Zukunft vorstellt, zeigt ab 1951 der sowjetische Prunkstil der Stalinallee, mit dem das "Arbeiterparadies" seine Überlegenheit zur Schau stellen will. Die Antwort des Westens lässt bis zum Erstbezug zwar etwas länger auf sich warten, fällt aber umso beeindruckender aus: Denn anders als die DDR kopieren die westlichen Stadtplanenden nicht den Zuckerbäcker-Stil aus Moskau, sondern holen sich die besten Leute aus dem Architektengewerbe der westlichen Welt in ihre Stadt.

 

Natürlich ist es kein Zufall, dass die Kongresshalle direkt an der Sektorengrenze steht

Es ist ein ganzes Stadtviertel, das ab 1955 im Bezirk Tiergarten aus der Erde wächst. "Jedes Haus eine Diva", wirbt der Senat, und noch bevor die ersten Menschen einziehen, kommt während der internationalen Bauausstellung Interbau im Sommer 1957 das große Publikum. Mehr als 1,3 Mio Besucher:innen drängeln sich durchs neue Hansaviertel, wo 1300 Wohnungen, eine Bücherei, zwei Kirchen, ein Kino und ein Einkaufszentrum entstanden sind. Dazu kommen noch die Kongresshalle mit dem futuristischen Schwung ihres Betondachs, das sich in Sichtweite des östlichen Berlins erhebt, und das 17-geschossige Hochhaus, das Le Corbusier als vertikale Stadt mit Läden, Gemeinschaftsflächen und 527 Wohnungen entworfen hat. Selbst fürs luftig geplante Hansaviertel fällt es zu groß aus, doch neben dem Olympiastadion ist Platz genug für die 135 Meter lange Wohnmaschine.

Der VW Transporter T1 stehend vor der Kongresshalle
Foto: Thomas Starck

Für den frühen Bulli ist es von Tempelhof bis zum Hansaviertel ein anstrengender Ritt durch die halbe Stadt. Allzu oft kommen solche Fahrten nicht vor, wie Tobias Twele erzählt, der die Oldtimer-Sammlung von Volkswagen Nutzfahrzeuge in Hannover betreut, das Risiko ist einfach zu groß. Doch selbst in der Kurzatmigkeit des Berliner Stadtverkehrs zeigt sich noch, warum so ein T1 im Jahr 1950 ein Erfolg werden muss. Natürlich ist er ein frugales Auto mit 25 PS (18 kW) und unsynchronisiertem Getriebe, einer blechernen Kabine und stumpfen Trommelbremsen (Diese Bremssysteme gibt es). Aber es ist eben auch ein großer, nützlicher Käfer, der sich leicht lenken und auf kurzen Wegen schalten lässt und immer noch schnell genug ist, um zwischen Platz der Luftbrücke und Straße des 17. Juni nicht völlig verloren zu sein.

 

Der Bauhaus-Entwurf unter den Transportern heißt VW T1

Es gibt noch alte Schwarz-Weiß-Fotos von den Baustellen des Hansaviertels, da stehen matte Dreirad-Lieferwagen von Tempo und Goliath neben dem Rohbau des elegant geschwungenen Gropius-Hauses und dem aufgeständerten Wohnquader von Oscar Niemeyer. Wer im Bulli sitzt, nimmt an dieser Zeit teil und zeigt das mit dem Stromlinien-Design des Transporters, dessen Bug mehr nach amerikanischer Diesellok aussieht als nach einem Gipser-Lieferwagen. Hätte der große Walter Gropius nicht nur Häuser und große Limousinen für die Frankfurter Adler-Werke entworfen, sondern auch Kleintransporter, dann wären sie dem Bulli aus Wolfsburg vermutlich nicht unähnlich.

Ein Kulturdenkmal ist der Bulli heute ja auch. Viele Bewohnende des Le Corbusier-Hauses wissen Typen wie ihn zu schätzen, das zeigt die Ansammlung von Klassikern, die auf einem geschützten Parkplatz zwischen den großen Betonträgern stehen. Sogar der originale Autowaschplatz ist noch erhalten und lässt einmal mehr die Grenzen zwischen Damals und Heute verschwimmen (Das sind unsere Tipps und Produktempfehlungen für eine saubere Handwäsche).

 

Vor dem Zoo-Palast sieht der Bulli wie ein Lieferant für Afri-Cola aus

Wer durchs Berlin der Aufbau-Ära reist, gewöhnt sich schnell daran. Im Hansaviertel steht noch das avantgardistische Haus Ruegenberg mit dem schrägen Balkon, auf dem sich in den Sechzigern der junge Skandalrocker Drafi Deutscher vor seinen minderjährigen Fans entblößt. Und ein paar Meter weiter trägt die Appartement-Anlage des Architekten Paul Baumgarten noch immer den feuerroten Schriftzug der Eternit AG, obwohl deren Schauraum im Erdgeschoss schon seit 68 Jahren geschlossen ist. Marmor, Stein und Eisen bricht, doch die markante Stahlstütze des Drafi-Deutscher-Balkons erweist sich als ebenso haltbar wie der zwitschernde Heckmotor des VW Bulli und die Asbestzement-Fassade des Eternit-Hauses.

Der VW Transporter T1 stehend vor dem Zoo-Palast
Foto: Thomas Starck

Die Fünfziger sind im Hansaviertel also noch lange nicht vorbei. Und selbst in der Berliner Mitte finden sich noch Baudenkmäler, die einem Auto der Wirtschaftswunder-Jahre ziemlich vertraut vorkommen dürften. Direkt vor dem Zoo-Palast etwa wirkt ein blauer Bulli nicht wie ein Falschparker, sondern wie ein Transporter von Edmund Iden aus Steglitz, der Afri-Cola und Mampe Lufthansa-Cocktail ins prachtvollste Premierenkino der Stadt bringt. Nach einer missglückten Modernisierung in den Neunzigern und einer Restaurierung vor etwas mehr als zehn Jahren sieht der Filmpalast jetzt wieder so aus, als würden während der Berlinale gleich Romy Schneider und Curd Jürgens über den Terrazzo-Boden schreiten. Und auch das ehemalige Berlin Hilton lässt mit seiner Schachbrett-Fassade noch ahnen, dass es 1958 das größte und exklusivste Hotel der Stadt ist.

 

Ein Stück Amerika, das mitten in Berlin-Dahlem liegt

Selbst das lässt sich noch steigern, denn im Berliner Südwesten reicht ein einziger Abbiegevorgang, um die junge Bundesrepublik in Richtung Übersee zu verlassen. Die Dreipfuhl-Siedlung im Stadtteil Dahlem sieht mit ihren pastellfarbigen Flachdach-Bungalows, den papierdünn auskragenden Vordächern und fragilen V-Stützen nicht mehr nach deutschem Wiederaufbau aus, sondern wie ein Vorort von Seattle oder San Francisco. Anders als jedes Berliner Eiltransporteursunternehmen stehen die Bewohner:innen des Viertels in keinem Berliner Adressbuch der Fünfziger, weil sie zu den Geheimnisträgern der US-Botschaft in der nahen Clayallee gehören. Wenn sie sich einen VW Bulli unter ihren Carport stellen, dann ist es nicht der Kastenwagen, sondern ein Samba mit großem Faltdach oder gleich ein Campingbus von Westfalia, mit dem die Epoche des Fernwehs und der Sinnsuche beginnt. Kaum zu glauben – doch es gibt Dinge in der Geschichte des VW T1, die noch größer sind als das Berlin der Fünfziger.

Auch interessant:

 

Technische Daten des VW Transporter T1

Classic Cars 04/2025VW Transporter T1
Zylinder/Ventile pro Zylin.4/2
Hubraum1131 cm³
Leistung18 kW/25 PS bei 3300 /min
Max. Gesamtdrehmoment bei67 Nm bei 2000 /min
Getriebe/Antrieb4-Gang-Getriebe/Hinterrad
L/B/H4100 / 1700 / 1900 mm
Leergewicht990 kg
Bauzeit1950 – 1952
Stückzahlk.A.
Beschleunigung
null auf 100 km/h
k.A.
Höchstgeschwindigkeit90 km/h
Verbrauch auf 100 kmk.A.
Grundpreis (Jahr)5850 Mark (1950)

 
Christian Steiger Christian Steiger
Unser Fazit

Der VW T1 prägte das Straßenbild der Fünfziger nicht weniger als die kühnen Entwürfe der Architekt:innen. Vor allem aber arbeitete er wie kein anderer Transporter am Wirtschaftswunder mit. Die Zeitreise durch Berlin zeigt, warum der Bulli zum Marktführer wurde: Es lag nicht nur an Preis und Haltbarkeit, sondern auch daran, dass er Freude am Fahren vermittelt – auch heute noch, mit 25 PS, mitten in Berlin.

Tags:
Copyright 2025 autozeitung.de. All rights reserved.