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Tucker Torpedo - das sicherste Auto der Welt Das Ende der Zukunft

Der Tucker Torpedo sollte die Autowelt revolutionieren. Doch die Karriere seines Schöpfers endete in einem spektakulären Gerichtsprozess

Hollywood hat ein Gespür für tragische Helden. Unter den tapferen Kriegern und missverstandenen Monstern erwartet allerdings niemand einen Autokonstrukteur. Und doch gibt es ihn: Preston Tucker, dessen Scheitern Starregisseur Francis Ford Coppola in Szene setzte. Sein Film von 1988 greift das klassische Motiv David gegen Goliath auf. Tucker ist der unterschätzte Herausforderer, der das beste Auto der Welt bauen will und sich dabei mit den Großen der Branche anlegt.

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Der echte Preston Tucker war ein Autoverrückter, ein Car Guy, wie die Amerikaner sagen. Geboren am 21. September 1903 auf einer Pfefferminz- Farm, lernte er bereits mit elf Jahren das Autofahren. Später ging Tucker zur Polizei – dort konnte er ganz offiziell schnelle Autos und Motorräder bewegen. Kein Temposünder war vor ihm sicher. Die Begeisterung seiner Vorgesetzen schwand jedoch, als er eines Wintertages seinen Streifenwagen verbesserte: Mit einem Schweißbrenner entfernte Tucker die Trennwand zum Motor, um den Innenraum aufzuheizen. Nach der Kündigung versuchte er sich ohne Erfolg als Rennwagenkonstrukteur.

MIT EINEM TÜRMCHEN ZUM ERFOLG
Erst mit Beginn des Zweiten Weltkriegs schien die Zeit für den Tüftler gekommen zu sein: In der zur Werkstatt umfunktionierten Scheune seines Hauses entwickelte Tucker einen Panzerwagen, der Tempo 185 erreichen konnte. Die Generäle der Armee winkten jedoch ab – ihnen war das Fahrzeug zu schnell. Der gläserne Geschützturm des Wagens erregte aber die Aufmerksamkeit der Air Force. Das so genannte „Tucker Türmchen“ (engl. Tucker Turret) wurde zu tausenden in Bombern wie der Boeing B-17 verbaut – Tucker gelang der Durchbruch als Konstrukteur und Geschäftsmann.

Nach Kriegsende waren Geschütztürme out, neue Autos jedoch wieder in. Ideale Zeiten für Preston Tucker. Während Ford, GM und Chrysler ihre alten Vorkriegsmodelle wieder auflegten, versprach Tucker den Amerikanern in großformatigen Anzeigen „Das Auto der Zukunft schon heute“. Der Newcomer hasste Kompromisse, er wollte seinen Traum in Eigenregie entwerfen und produzieren. So entstand der Tucker 48, in der Werbung als Torpedo bezeichnet. Und dieser zielte direkt auf die mächtige Konkurrenz aus Detroit. Groß, mit viel Chrom und fließenden Linien – die von Chefdesigner Alex Tremulis in nur sechs Tagen entworfene Karosserie traf genau den Geschmack der Amerikaner. Besonders der mittig vor der Motorhaube angebrachte dritte Scheinwerfer fiel ins Auge. Dieser schwenkte synchron zur Lenkung mit und leuchtete die Kurven aus. Es sollte 19 Jahre dauern, bis Citroën mit der DS auf die gleiche Idee kam.

DAS SICHERSTE AUTO DER WELT
Doch das Zyklopenauge war nicht die einzige revolutionäre Neuerung des Torpedo. Tucker erkannte als einer der ersten, dass die damaligen Autos lebensgefährlich waren. Da sich die Fahrer oft an den scharfkantigen Armaturenbrettern verletzten, ließ Tucker diese einfach weg. Der Torpedo bekam zudem eine Windschutzscheibe aus splitterfreiem Glas, die bei einer Kollision aus dem Rahmen sprang. In den ersten Entwürfen waren sogar Sicherheitsgurte und Scheibenbremsen vorgesehen. Um die Komfort-Bedürfnisse der Amerikaner zu erfüllen, setzte Tucker auf Einzelradaufhängungen vorn und hinten – Ford und Co. hatten nur Starrachsen und Blattfedern zu bieten.

Das geschickte Design von Tremulis täuschte darüber hinweg, dass der Motor des Torpedo im Heck saß. Tucker experimentierte zuerst mit einem selbst konstruierten, 9,7 Liter großen Sechszylinder. Dieser war jedoch zu schwer. Da ihm die Konkurrenten keine Triebwerke liefern wollten, entschied er sich für einen 5,5 Liter großen Boxermotor, der ursprünglich für Hubschrauber entwickelt worden war. Kurzerhand kaufte er die kleine Herstellerfirma, rüstete den Motor von Luft- auf Wasserkühlung um und versah ihn mit einer Benzineinspritzung. Auch das wieder eine Weltpremiere. Schließlich leistete das Triebwerk 168 PS und beschleunigte den Torpedo auf 180 km/h.

Die Öffentlichkeit war von dem Ergebnis begeistert, der Torpedo stand für die automobile Zukunft. Obwohl es zuerst nur ein paar Zeichnungen und Skizzen zu sehen gab, konnte Tucker Aktien im Wert von 20 Millionen Dollar an den Mann bringen. 1947 begann die Vorserienproduktion in einem ehemaligen Flugzeugmotorenwerk in Chicago. Der Preis für den Torpedo sollte 2450 Dollar betragen.

DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK
Doch die Goliaths aus Detroit sahen dem Treiben des kleinen David nicht tatenlos zu: Bei einem Erfolg des Torpedo hätten Ford, GM und Chrysler ihre technisch schlichten Modelle für viel Geld aufrüsten müssen. Stattdessen überzogen sie Tucker mit Verleumdungen und Kampagnen: So könne ein Auto, das Sicherheitsgurte nötig habe, nicht sicher sein. Gleichzeitig ließen sie Tucker ihren politischen Einfluss spüren – die Börsenaufsichtsbehörde leitete ein Betrugsverfahren ein. Der Vorwurf: Tucker habe niemals ein Auto produzieren wollen, er hätte es nur auf das Geld der Aktionäre abgesehen. Das Gericht übergab die Kontrolle über Tuckers Fabrik an zwei Verwalter, die sofort die Tore schlossen. Um ihren Chef zu entlasten, überwanden seine Arbeiter die Absperrungen und montierten die letzten Torpedos, bis ihnen das Material ausging. Insgesamt bauten sie 51 Tucker, 47 überlebten bis heute. 2010 wechselte ein Torpedo bei RM Auctions für rund 1,1 Millionen US-Dollar den Besitzer.

In einem spektakulären Prozess wurde Tucker schließlich freigesprochen, doch mit dem Vertrauen waren auch seine Händler und Investoren verschwunden. Tucker versuchte später in Brasilien erfolglos, erneut ein Auto zu bauen. 1956 starb er an Lungenkrebs. Das Ende der Zukunft kam schneller als gedacht – und hinterließ genug Stoff für ein Hollywood-Stars und Formel-1-Fahrer mit Mercedes-Drama.
Markus Bach

AUTO ZEITUNG

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