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Auto-Geschichten: Autobianchi Auf Schleuderkurs

Sieben Modelle stellte Autobianchi von 1955 an auf die Räder. Immer unter Fiat-Regie, aber durchaus eigenständig und mit innovativen Details

Autobianchi – dieser Markenname ist untrennbar verbunden mit dem Modell A112. Das ist jener italienische „Mini-Verschnitt“, der von 1969 bis 1985 mit bis zu 70 PS in der Abarth-Version auch durch engste Gassen röhrte und manch sportlichem Mittelklassewagen auf der Autobahn mächtig im Genick saß, bis bei 157 km/h der Vorwärtsdrang des 700-Kilogramm-Flohs nachließ.

Doch Autobianchi nur auf diesen über 1,2 Millionen Mal gebauten Kleinwagenerfolg zu reduzieren, wäre zu kurz gegriffen. Schließlich beginnt die Geschichte der Autos von Bianchi schon ganz früh – noch vor dem ersten Weltkrieg. In Mailand beschloss 1885 der damals 20-jährige Eduardo Bianchi, eine kleine Werkstatt für Fahrräder und Präzisionsinstrumente zu eröffnen. Als erster Hersteller in Italien rüstete er Fahrräder mit luftgefüllten Reifen aus, was ihnen bei Rennen einen großen Vorteil einbrachte. Radrennfahrer schwören übrigens bis heute auf Bianchi-Räder. Die Marke ist mittlerweile in schwedischer Hand und lackiert die Rahmen noch immer in dem Türkis (ital.: Celeste), das Eduardo Bianchi damals für seine Produkte ausgewählt hatte.

Im Gegensatz zu den Fahrrädern von Weltruf sind die Autos (und auch die Motorräder) von Bianchi heute praktisch vergessen. Dabei bot Bianchi schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts leichte Einzylinderautos und schwerere Wagen für die High Society mit vier Zylindern sowie fortschrittlichem „Bienenwabenkühler“ an, der die thermischen Probleme der ersten Benzinmotoren drastisch minimierte. Nach Krieg und Krise versuchte Bianchi in den Goldenen 20ern, amerikanische Größe in seine Auto-Kreationen einfließen zu lassen – mit mäßigem Erfolg. Auch im Rennsport konnte die kleine Firma nicht punkten. Alfa, Fiat, Lancia und andere schwangen hier das Zepter. Der letzte Bianchi war der große und schwere S9 von 1935, der aber im hart umkämpften Segment der gehobenen Mittelklasse gegen die überlegene Konkurrenz kaum etwas ausrichten konnte. Der geplante Nachfolger wurde wegen des Zweiten Weltkrieges nicht mehr realisiert. Bianchi wurde mit Rüstungsaufträgen eingedeckt, verdiente gut und fand sich nach 1945 in Trümmern wieder.

Es dauerte bis 1955 – erst dann war wieder an eine Automobilproduktion in Bianchis Namen zu denken. Der Firmengründer selbst war 1946 bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Am 11. Januar 1955 gründeten sein Sohn Giuseppe Bianchi sowie die Firmen Fiat und Pirelli als gleichberechtigte Partner mit je einem Drittel der Anteile die Firma Autobianchi mit Sitz in Mailand (später Turin). Autobianchi baute ein neues, modernes Werk in Desio. Die Kosten dafür waren hoch.

 

Bella Bianchina!

Erstes Modell wurde der Kleinwagen Bianchina, ein knuffiges Mobil mit zwei Türen in vielen Varianten – vom Cabrio über ein Rolldach- Coupé bis hin zum „Berlina“ genannten Viersitzer sowie einem kleinen Kombi (Panoramica) mit großer Heckklappe und Unterflurmotor. Technik und Bodengruppe lieferte der Fiat 500 mit seinem luftgekühlten Zweizylinder-Viertakter mit liegenden Zylindern im Heck, die Karosserien waren Autobianchi-Schöpfungen. Daneben versuchten sich auch viele kleine Betriebe an Umbauten der Bianchina. Bis 1970 fertigte Autobianchi mit großem Erfolg den kleinen Zwerg, bevor dann der A112 kam.

Der bot ein modernes Frontmotor-Konzept, eine große Heckklappe, einigermaßen annehmbare Platzverhältnisse für vier Personen, ein gelungenes Styling und Motoren von 40 bis 70 PS aus dem bereits bekannten Fiat 850 – leider aber auch viele Verarbeitungsmängel und Rost überall. Deshalb sind Autobianchi A112 heute kaum noch zu finden. Das Gros der Fahrzeuge wurde ohnehin in Italien verkauft – am Ende übrigens als Lancia, denn die Marke Autobianchi landete infolge von Finanzproblemen nach dem Werksneubau in Desio schon 1958 ganz bei Fiat und wurde der Lancia-Division zugeordnet.

Aber die Ingenieure und Techniker der Marke Autobianchi verstanden es, sich ihre Freiräume zu schaffen. 1964 brachte die kleine, aber feine Marke den Primula heraus. Der war komplett von Autobianchi entwickelt worden und übernahm nur den Motor von einem Fiat, der im Priumla vorn quer eingebaut wurde. Der Primula hatte schon Scheibenbremsen und einen großzügigen Innenraum – dank der „Touring“-Karosserie mit langem, geradem Dach und kurzer Schräge am Heck.

Der Primula wurde von 1964 bis 1970 aber auch als Stufenheck und sogar als Coupé gebaut. Die Motoren, zwischen 1,2 und 1,5 Liter groß, machten ihn zu einem recht agilen Vertreter in einer Klasse der erwachsenen Kleinwagen, die man heute als B-Segment bezeichnet. Er wurde knapp 75.000 Mal gebaut und ist in Deutschland so gut wie unbekannt. Ebenso unbekannt blieben hierzulande der Stellina und der A111. Dabei war gerade der Stellina ein höchst bemerkenswertes Auto. Das kleine, zweisitzige Cabrio basierte auf der Plattform des Fiat 600 und hatte auch dessen Motor im Heck. Allerdings verstärkte man das Chassis und entwarf eine Fiberglas-Kunststoffkarosserie – die erste in der Automobilgeschichte Italiens! 1963 präsentierte man den kleinen Spider auf der Motorshow in Turin, doch schon 1965 stellte man die Produktion ein – nach nur 502 Exemplaren. Der Stellina war zu teuer. Zudem nahmen ihn die Kunden nicht an, die das Design als plump empfanden.

 

ende Als lAnciA-Version

Ebenfalls ein gewöhnungsbedürftiges Design kennzeichnete den A111, einen viertürigen Wagen der unteren Mittelklasse, der 1969 dem Primula nachfolgen sollte. Optisch und technisch lehnte er sich stark an den Fiat 124 an – ohne an dessen Erfolg anzuknüpfen. Schon 1972 stellte man die Produktion ein, knapp 57.000 Autos verließen die Fertigungslinie im Werk Desio. Fiat beließ es künftig bei den Autobianchi-Typen A112 und später beim Y10, der baugleich mit dem Lancia Y10 war.

In der Rückschau glänzt der A112 hell in der Ruhmeshalle des Autobaus: 17 Jahre Bauzeit, viele und auch starke Versionen, sogar eigene Rennserien, Rennfahrer, die auf ihm ihre ersten Lorbeeren einfuhren – eine würdige Antwort Italiens auf den britischen Mini. 1992 schloss Fiat das Autobianchi-Werk in Desio, 1996 verschwand die Marke Autobianchi vom italienischen Markt. Im Rest der Welt hatte man schon 1982 keine Autos mehr unter diesem Namen verkauft. Geblieben sind einige gehegte kleine Kostbarkeiten in den Händen von Enthusiasten – und die Erinnerung an eine kleine, feine Automarke aus Bella Italia.
Thorsten Elbrigmann

AUTO ZEITUNG

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