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Geht auch ganz einfach:

Porsche 919 Hybrid: Tracktest So fährt sich der dreifache Le-Mans-Sieger 919

Paul Englert
Inhalt
  1. Der Porsche 919 Hybrid im Tracktest
  2. "Mit alltäglicher Elektromobilität hat der 919 nichts zu tun"
  3. Brems- und Einlenkpunkte im Porsche richtig setzen
  4. Tracktest geht an die körperlichen Grenzen
  5. Technische Daten Porsche 919 Hybrid 
  6. Fazit

Ein Tag als Testfahrer im über 900 PS starken, dreifachen Le Mans-Sieger Porsche 919 Hybrid – er ist der extremste, technisch anspruchvollste und erfolgreichste Rennwagen der letzten Jahre. Ein Tracktest.

Der Tracktest mit dem Porsche 919 Hybrid wirft seine Schatten voraus und braucht ganz besondere Vorbereitung. Der Tag beginnt um fünf Uhr morgens mit einem Müsliriegel, der zu dieser Uhrzeit einfach scheußlich schmeckt. Doch die klebrige Masse hat Energie, die ich heute besonders dringend brauche. Also einen Schluck Wasser drauf und runter damit. Vier Stunden später stecke ich im Rennoverall und beobachte, wie Porsche-Werksfahrer Neel Jani den 919 Hybrid auf dem Motorland Aragon warm fährt, den Bremspunkt auf der Start-Ziel-Geraden immer weiter gen Kurveneingang verlegt und schließlich eine Referenzzeit setzt. 1:23,503 Minute. Fünf Ziffern, die mich den ganzen Tag begleiten werden. Denn nach der Vorbereitung im Simulator, einer ausführlichen Sicherheitseinweisung und einer noch ausführlicheren Unterrichtsstunde in Cockpit-Kunde darf ich für einen Tag Porsche-Testfahrer spielen – Werksvertrag inklusive. Jani kommt an die Box, sein Job ist erledigt. Der Vierzylinder-Turbo verstummt, die E-Maschine dreht im Stand langsam aus, Auto aufbocken, in die Box rollen. Ruhe. Noch vorhin, beim Spaziergang über die 4933 Meter lange Strecke, hatte ich einige feuchte Stellen gesehen. Und nun gibt der Schweizer Rennprofi ganz cool zu Protokoll: "Alles trocken, geht ganz easy." Ich bleibe skeptisch. Zeit für Zweifel bleibt aber nicht, denn Chef-Ingenieur Olivier Champenois gibt mir das Zeichen zum Einzusteigen. Also Helm auf, Handschuhe überstreifen und langsam ins ultraenge Karbon-Monocoque Cockpit einfädeln. Obwohl ich bei der Vorbereitung auf diesen Tag ein paar Kilo abgespeckt und ab und an im Gokart trainiert habe, komme ich mir vor wie der Korken im Flaschenhals. Zum Glück verlangt niemand, das Cockpit in nur sieben Sekunden wieder verlassen zu können, so, wie es bei den Profis zur Sicherheitsübung gehört. Gurte festziehen, Funk-Check, dann klacken die zerbrechlich wirkenden Drei-Kilo-Türen ins Schloss.

Die Fahrt im Simulator im Video (Youtube-Videokanal: Paul Englert Onboard):

 
 

Der Porsche 919 Hybrid im Tracktest

Mein Puls ist längst dreistellig, als die Mechaniker Heizdecken von vier frischen Michelin-Reifen ziehen und vier Magnesium-Räder in die Radkästen stecken. Während ich aus der Box geschoben werde, schaltet mein Gehirn ins Panikprogramm, Puls auf Anschlag, schwerer Atem. Wie war das noch mit dem Motorstart? Welcher Knopf zuerst? Wann die Kupplung? Und dann schreit mein Gehirn: "Gleichstrom mit bis zu 520 Ampere Stärke und 800 Volt Spannung im Auto. Bist du wahnsinnig?" Schon nestelt mein linker Daumen am Knopf für die Funkverbindung – da meldet sich Olivier in der Leitung und gibt in aller Seelenruhe seine Anweisungen. "Ignition on, Hybrid on. Pull clutch and keep it pulled. Second gear." Gleichzeitig schalten meine Synapsen in den Überlebensmodus, in dem du einfach nur noch funktionierst. "Engine start!" Der V4-Turbo heult auf. "Push throttle, you can go!" Rein elektrisch zieht mich die Vorderachse durch die Boxengasse, Kupplung kommen lassen, jetzt übernimmt der Verbrenner das Kommando. Ausgang Boxengasse, weiße Linie, endlich allein, das Herz klopft langsamer, der Kopf ist frei. Kein Platz für Gedanken über Referenzzeiten oder dass ich gerade in der Chassisnummer Sieb-zehn-Null-Fünf sitze, dem Weltmeisterauto aus 2017. Und als ob der V4-Turbo sagen wollte "Hey, du Lusche, wir sind hier nicht in der Spielstraße", schüttelt er mich am Boxenausgang einmal durch. Denn: Weniger als 3000 Touren mag er nicht, sein Betriebs-Wohlfühl-Fenster liegt heute zwischen 6500 und 7400 Umdrehungen. Also Drehzahl steigern, einmal alle sieben Gänge durchschalten, ein Gefühl für die hydraulische, servounterstützte Lenkung bekommen, die vorgeheizten Reifen auf Temperatur halten. Was setzt die Bremse von dem um, was ich mit dem linken Fuß ins Pedal gebe? Jani hat nicht übertrieben, die Strecke ist komplett trocken. Mein Puls sinkt weiter. Auf geht’s.

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"Mit alltäglicher Elektromobilität hat der 919 nichts zu tun"

Vollgas auf die Start-Ziel-Gerade, der Vierzylinder-Turbo drückt gewaltig, die E-Maschine reißt an der Vorderachse, saugt in wenigen Sekunden maximal 1,5 Kilowattstunden Energie aus dem neben mir untergebrachten Lithium-Ionen-Speicher. Eins, zwei: Zack, ist der Akku leer. 200 Meter bis Kurve eins. Vollgas. 150 Meter. Vollbremsung. Viel zu früh. Neue Runde, neuer Versuch. Irgendwo zwischen 150er- und 100er-Markierung trete ich mit aller Kraft aufs Bremspedal, gleichzeitig dreimal runterschalten, sofort meldet das Display wieder vollgeladene Batterien. Mit alltäglicher Elektromobilität hat das hier nichts zu tun, denn die Zellen vom Hersteller A123 haben eine extrem hohe Leistungsdichte, um Kraft ultraschnell abgeben und wieder aufnehmen zu können. Die Energiedichte dagegen ist eher gering, da der 919 Hybrid seine Akkus beim Bremsen und auch beim Gasgeben auflädt. Verzögert man, fungiert der Elektromotor an der Vorderachse als Generator. Gibt der Fahrer Gas, treiben die Abgase eine Turbine an, die mit einem zweiten Generator verbunden ist, der sich bis zu 120.000 Mal pro Minute dreht. Von alldem bekomme ich im Cockpit nichts mit, vielmehr bin ich mit den Hochgeschwindigkeits-Kurven beschäftigt.

Die Fahrt im Porsche 919 Hybrid als Onboard-Video:

 
 

Brems- und Einlenkpunkte im Porsche richtig setzen

Im Simulator gingen die mit Vollgas, in der Realität rät der gesunde Menschenverstand dringend davon ab. "Box, Box", funkt Olivier Champenios. Kurze Pause, Blick in die Daten: 1:30,43 Minute. "Die Kurvenausgänge passen gut, auf der Bremse verschenkst du aber Zeit, und in den schnellen Kurven bist du noch unter den Möglichkeiten." Ähm, des Autos – genau! Wieder krieche ich ins Cockpit, Motor an, raus auf die Piste. Jetzt setzte ich die Bremspunkte bewusst später, hier und da blockiert das kurveninnere Vorderrad leicht, einmal verpasse ich den Einlenkpunkt um mehrere Meter. Nur die Ruhe, locker bleiben, noch aufmerksamer fühlen, was die mittelweich gummierten Michelins machen. Auch beim Bremsen spielt die Aerodynamik eine große Rolle: Aus hohen Geschwindigkeiten kannst du, was das Zeug hält, ins Pedal treten, mit abnehmendem Tempo aber musst du Kraft rausnehmen, weil der Anpressdruck nachlässt und die Räder blockieren können. ABS oder andere Helferlein gibt es im LMP1-Boliden nicht. "Box. Box." Zweiter Stint: 1:27,766 Minute. "Auf der Bremse ist immer noch Luft", analysiert Olivier.

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Tracktest geht an die körperlichen Grenzen

Neel Jani ist dazugekommen, nickt zufrieden: "Genau richtig, langsam gesteigert. Jetzt versuch’ die schnellen Passagen mal voll. Wirst sehen, geht schon." Stint drei, nochmal frische Reifen. Tempo 260 Ende Start-Ziel, auf der Bremse bis zum Scheitelpunkt, 2,7 g Verzögerung, dritter Gang und Boost. Kurve zwei: voll. Drei: auch, einlenken bei 220 km/h. Der Kopf sagt: Das kann nicht gehen, der 919 Hybrid meldet genau das Gegenteil, er liegt noch ruhiger, saugt sich regelrecht an der Fahrbahn fest. Kurve vier, 235 km/h, komplett über den Kerb, der Unterboden kratzt am Asphalt. Bremse, dreimal linke Schaltwippe, einlenken und sofort wieder die Akkus entleeren. Dann die langsamste Kurve, wieder zu früh auf der Bremse. Macht nichts. Und gleich wieder ans Gas und aus der Kurve tragen lassen. Mit dem Schalten komme ich kaum nach, so bestialisch boostet die E-Maschine. 1,7 g Beschleunigung, der Helm wie festgetackert am Kopfpolster, schon geht’s mit Volllast in Kurve zehn. Bevor meine Nackenmuskulatur kapituliert, lehne ich den Kopf einfach an. 3,7 g. Und das machen die Profis stundenlang? Irre! Bis knapp 270 km/h zieht die E-Maschine, dann ist der 500-PS-Verbrenner auf sich allein gestellt, und mehr als Tempo 290 sind mit den steil gestellten Flügeln nicht möglich. Ich stehe noch voll auf dem Gas, da nimmt der 919 automatisch Leistung raus, rekuperiert vor dem Bremspunkt für den nächsten Kurvenausgang. Letzte Kurve, später Scheitelpunkt, Boost, Ziellinie. 1:25,399 Minute meldet das Display mit weißen Lettern. Ich bin erledigt.

 

Technische Daten Porsche 919 Hybrid 

 
Paul Englert Paul Englert
Unser Fazit

Die Fahrt im Porsche 919 Hybrid fühlt sich an, als habe jemand die Vorspultaste gedrückt: ein Auto der Extreme, ein Formel 1 mit Dach, ein Meisterwerk. Hier ist der Mensch das Limit, nicht das Auto. Mein geilster Job.

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