Drei deutsche Top-Cabriolets im Vergleichstest Audi R8 Spyder, Mercedes SL 63 AMG, Porsche 911 Turbo Cabrio
Mal mondän, mal stürmisch: Diese deutschen Top-Cabrios gehören alle dem 300-km/h-Club an. Der Neuling Audi R8 Spyder trifft auf Sylt die Rivalen von Mercedes und Porsche
So klappt es auch mit dem Parkplatz vor dem „Gogärtchen“. Die drei Top-Cabrios von Audi, Mercedes und Porsche sind vor dem klassischen Promitreff in Kampen auf Sylt gern gesehen. Klarer Star des Trios: der Erster Fahrbericht Audi R8 Spyder. Bei ihm gehört der Promifaktor praktisch zur Serienausstattung. Den offenen R8 mit Stoffmütze gibt es nur mit dem 525 PS starken V10. Immerhin kann der Kunde zwischen einem manuellen Getriebe und der automatisierten Schaltung (R-Tronic, 7400 Euro) wählen. In dieser letzten Konfi guration trifft der Spyder auf seine Konkurrenten – nicht nur in Kampen.
Mercedes bringt bis zum Erscheinen des SLS Roadsters den SL 63 AMG an den Start. Wie der SLS wird das Klappdach-Cabrio von dem 6,2-Liter-V8 angetrieben, im SL allerdings mit „nur“ 525 PS. Der zierlich wirkende Porsche 911 Turbo vertraut auf seinen Biturbo- Sechszylinder-Boxer mit 500 PS. Die Kombination mit dem Doppelkupplungs-Getriebe PDK (3915 Euro) macht den Zuffenhausener zu einem starken Gegner.
Karosserie
Wer die drei Superstars in Ruhe betrachten will, braucht Abgeschiedenheit – auf Sylt kein Problem. Der Hafen von Rantum bietet sich an. Audi und Mercedes verwöhnen mit einem breiten Innenraum. Ihre Kopffreiheit ist identisch, liegt aber unter der des schmaleren 911, der auch mit Stoffdach die kuppelartige Architektur des Coupés übernimmt. Die nur 42 kg leichte Konstruktion öffnet sich elektrisch bei bis zu 50 km/h.
Identische Werte gibt Audi für den R8 Spyder an. Das Metallklappdach des Mercedes SL faltet sich zwar nur im Stand in den Kofferraum, bietet aber größere Fensterfl ächen – der Mercedes ist damit übersichtlicher. Auch beim Kofferraumvolumen hat er die Nase vorn, die kleinen Gepäckabteile in den Nasen von Audi und Porsche sind schon mit kleinem Wochenendgepäck komplett ausgelastet.
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Die Lehnen der hinteren Notsitze im 911 lassen sich jedoch umklappen und stellen eine weitere, gut nutzbare Ladefläche zur Verfügung. Das geringe Leergewicht des Porsche (1662 kg ) erlaubt die höchste Zuladung im Test. Den Mercedes schränkt hier wiederum seine große Masse von 1976 Kilogramm ein. Die bescheidene Zuladung (249 kg) liegt auf einem Niveau mit der des Audi (1774 kg Leergewicht).
Die übersichtliche Bedienung im Mercedes überzeugt, auch bei der Verarbeitung leistet er sich keine Schwäche. Gleiches gilt für die Rivalen. Auf einem Punkteniveau liegt das Trio bei der Sicherheitsausstattung. Bi-Xenon-Scheinwerfer sind Serie, der Audi wartet gar mit Voll-LED-Scheinwerfern auf. Nur auf ein Kurvenlicht muss der R8-Pilot in diesem Zusammenhang verzichten. Der SL offeriert als einziger Abstandsradar (Distronic) und adaptives Bremslicht.
Karosserie | Max. Punkte | Porsche 911 Turbo Cabrio | Mercedes SL 63 AMG | Audi R8 Spyder 5.2 FSI quattro |
---|---|---|---|---|
Raumangebot vorn | 100 | 60 | 68 | 65 |
Raumangebot hinten | 100 | 15 | 0 | 0 |
Übersichtlichkeit | 70 | 35 | 45 | 25 |
Bedienung/ Funktion | 100 | 85 | 89 | 88 |
Kofferraumvolumen | 100 | 0 | 22 | 0 |
Variabilität | 100 | 2 | 10 | 0 |
Zuladung/ Anhängelast | 80 | 15 | 7 | 7 |
Sicherheit | 150 | 89 | 92 | 91 |
Qualität/ Verarbeitung | 200 | 194 | 194 | 193 |
Kapitelbewertung | 1000 | 495 | 527 | 469 |
Fahrkomfort
Sylt besitzt nicht nur sorgsam asphaltierte Prachtboulevards. Ein Ausflug in den Norden auf die Mautstraße am „Ellenbogen“ gibt Aufschluss über den Komfortcharakter der Konkurrenten. Der Porsche mit serienmäßigem PASM-Fahrwerk ist insgesamt deutlich straffer abgestimmt und wirkt steifer als Audi und Mercedes – beide ebenfalls mit adaptiven Dämpfersystemen ausgestattet. Zudem dringen laute Reifenabrollgeräusche in den Elfer-Innenraum.
Während die Audi-Vorderachse Unebenheiten gekonnt absorbiert, reagiert die Hinterachse auf Querrillen leicht bockig. Dem komfortablen Mercedes unterliegen beide Sportwagen. Daran ändert auch das im SL installierte Performance Package (11 305 Euro) nichts. Es beinhaltet neben einem strafferen Fahrwerk unter anderem Schmiederäder und ein unten abgefl achtes Lenkrad. Zudem überzeugt der Mercedes AMG mit den niedrigsten Innengeräuschwerten. Weiterer Pluspunkt: die optionale und wirkungsvolle Nackenheizung Airscarf (595 Euro) in den Kopfstützen.
Im R8 Spyder gefallen die zugleich bequemen und sportlich eng geschnittenen Sitze. Die nochmals schmaleren, adaptiven Sportsitze (1011 Euro) im 911 Turbo sind dagegen etwas härter gepolstert.
Fahrkomfort | Max. Punkte | Porsche 911 Turbo Cabrio | Mercedes SL 63 AMG | Audi R8 Spyder 5.2 FSI quattro |
---|---|---|---|---|
Sitzkomfort vorn | 150 | 138 | 138 | 140 |
Sitzkomfort hinten | 100 | 10 | 0 | 0 |
Ergonomie | 150 | 128 | 130 | 130 |
Innengeräusche | 50 | 13 | 25 | 13 |
Geräuscheindruck | 100 | 80 | 84 | 81 |
Klimatisierung | 50 | 40 | 43 | 38 |
Federung leer | 200 | 103 | 132 | 116 |
Federung beladen | 200 | 103 | 132 | 116 |
Kapitelbewertung | 1000 | 615 | 684 | 634 |
Motor und Getriebe
Zurück von Sylt geht es direkt auf die Teststrecke. Wer einmal die Launch-Control des Siebengang- PDK-Getriebes im 911 Turbo erlebt hat, ist mehr als erstaunt. Das Allrad-Cabrio stürmt nahezu selbstständig in 3,3 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Audi (Allrad, 4,1 s) und Mercedes (Hinterradantrieb, 4,5 s) kommen da nicht mit – obwohl auch sie Schnellstartfunktionen an Bord haben. Der 500-PS-Biturbo-Boxer mit Benzin-Direkteinspritzung ist gleichzeitig der genügsamste beim Verbrauch, nur das geringe Tankvolumen schränkt die Reichweite ein. Kraftentfaltung (650 Nm ab 1950 /min) und Getriebequalitäten des 911 sind unangefochten spitze.
Mit Direkteinspritzung geht auch der 5,2-Liter-V10-Sauger im R8 an den Start. Mit weniger Drehmoment ausgestattet, giert der Motor nach hohen Drehzahlen – Leistungsmaximum bei 8000 Touren. Seine lineare Kraftentfaltung gefällt, das teilweise ruckartige Wechseln der Gänge durch das automatisierte Getriebe aber weniger.
Mächtigen Punch über den gesamten Drehzahlbereich, aber auch einen kräftigen Durst zeichnen den Mercedes-V8-Saugmotor aus. Bereits ab 2000 Touren stehen 500 Nm bereit. Das leichtfüßig hochdrehende 6,2-Liter-Aggregat verkraftet 7200 /min. Die serienmäßige Siebenstufenautomatik setzt auf eine Anfahrkupplung im Ölbad, die den Drehmomentwandler ersetzt. Ergebnis: Schaltvorgänge ohne Zugkraftunterbrechung ähnlich denen des PDK-Getriebes von Porsche. Im automatischen Sport-Plus-Modus beider Getriebe überzeugt vor allem das passgenaue Zurückschalten.
Motor und Getriebe | Max. Punkte | Porsche 911 Turbo Cabrio | Mercedes SL 63 AMG | Audi R8 Spyder 5.2 FSI quattro |
---|---|---|---|---|
Beschleunigung | 150 | 150 | 143 | 146 |
Elastizität | 100 | |||
Höchstgeschwindigkeit | 150 | 137 | 128 | 137 |
Getriebeabstufung | 100 | 100 | 95 | 94 |
Kraftentfaltung | 50 | 50 | 48 | 47 |
Laufkultur | 100 | 90 | 92 | 91 |
Verbrauch | 325 | 106 | 66 | 87 |
Reichweite | 25 | 7 | 7 | 8 |
Kapitelbewertung | 1000 | 640 | 579 | 610 |
Fahrdynamik
Der 911 trumpft bei der Antriebstechnik auf. Dynamische Motorlager als Bestandteil des Sport-Chrono-Pakets (4034 Euro) reduzieren die Einfl üsse des Allradantriebstrangs auf die Karosserie, die Antriebsmomenten-Verteilung PTV inklusive Sperrdifferenzial an der Hinterachse (1309 Euro) katapultiert den 911 ohne Untersteuern aus jeder Kurve heraus.
Auf dem Handlingkurs wirkt er agil, bleibt aber jederzeit berechenbar – auch dank präziser Lenkung und gut dosierbarer Karbon-Keramikbremse. Nur sein unruhiger Geradeauslauf nervt auf langen Strecken.
Auch der R8 Spyder setzt auf Allrad, sein Vortrieb ist beeindruckend, die möglichen Kurvengeschwindigkeiten leiden aber unter der Neigung zum Untersteuern. Hartes Anbremsen bei abgeschaltetem ESP quittiert er dafür mit einem schlagartig unruhigen Heck. Die extrem bissig ansprechende Keramikbremse verlangt Gewöhnung.
Das Active-Body-Control-Fahrwerk (aktiver Wank- und Nickausgleich) des SL senkt die Karosserie bei höherem Tempo um 15 mm ab. Der knapp zwei Tonnen schwere AMG lässt sich gut kalkulierbar und neutral über den Kurs wuchten. Ein übersteuerndes Heck ist kein Problem, kurzer Gaspedaldruck genügt. Die Differenzialsperre (Performance Package) lässt aber auch dann ein präzises Handling zu. Wichtige Punkte verliert der SL beim Bremsen.
Trotz größerer Scheiben vorn (Performance Package) bleibt er mit Bremswegen von 36,0 (kalt) und 35,5 Metern (warm) hinter den Erwartungen zurück. Der Audi realisiert aus Tempo 100 bis zum Stand 34,6 und 33,6 Meter, der Porsche sogar 33,9 und 32,2 Meter.
Fahrdynamik | Max. Punkte | Porsche 911 Turbo Cabrio | Mercedes SL 63 AMG | Audi R8 Spyder 5.2 FSI quattro |
---|---|---|---|---|
Handling | 150 | 121 | 103 | 116 |
Slalom | 100 | 86 | 80 | 87 |
Lenkung | 100 | 100 | 89 | 95 |
Geradeauslauf | 50 | 38 | 45 | 44 |
Bremsdosierung | 30 | 24 | 18 | 20 |
Bremsweg kalt | 150 | 111 | 90 | 104 |
Bremsweg warm | 150 | 128 | 95 | 114 |
Traktion | 100 | 85 | 53 | 78 |
Fahrsicherheit | 150 | 137 | 130 | 119 |
Wendekreis | 20 | 14 | 13 | 9 |
Kapitelbewertung | 1000 | 844 | 716 | 786 |
Umwelt und Kosten
In diesen Preisregionen von einem günstigeren Kaufpreis zu sprechen, ist ein Balanceakt. Fakt ist: Der Mercedes SL liegt mit rund 150 000 Euro etwa 12 000 Euro unter den beiden Konkurrenten. Selbst ohne die Getriebeoptionen sind Audi und Porsche immer noch deutlich teurer. Wertverluste von 95 000 Euro und mehr nach vier Jahren bei Audi und Mercedes haben Rekordpotenzial. Und auch der 911 Turbo bekommt hier nur einen Zähler zugesprochen.
Der SL punktet mit niedrigen Versicherungseinstufungen (Haftpflicht/Vollkasko) und – wie der Audi – mit weitreichenden Garantien. Der Porsche kann in diesem Kapitel nur mit den besten Emissionswerten und den niedrigsten Kraftstoffkosten überzeugen.
Kosten/Umwelt | Max. Punkte | Porsche 911 Turbo Cabrio | Mercedes SL 63 AMG | Audi R8 Spyder 5.2 FSI quattro |
---|---|---|---|---|
Bewerteter Preis | 675 | 4 | 10 | 4 |
Wertverlust | 50 | 1 | 0 | 0 |
Ausstattung | 25 | 25 | 25 | 25 |
Multimedia | 50 | |||
Garantie/Gewährleistung | 50 | 19 | 27 | 28 |
Werkstattkosten | 20 | 9 | 10 | 13 |
Steuer | 10 | 6 | 5 | 5 |
Versicherung | 40 | 3 | 17 | 8 |
Kraftstoff | 55 | 17 | 10 | 14 |
Emissionswerte | 25 | 82 | 79 | 78 |
Kapitelbewertung | 1000 | 166 | 183 | 175 |
Fazit
Das Schwergewicht Mercedes SL 63 AMG gewinnt drei von fünf Wertungskapiteln und beweist sein großes Talent als Allrounder. Es kann den wenig komfortablen Porsche 911 Turbo aber nicht bezwingen. Dessen herausragende Fahrdynamik, der ebenso effiziente wie leistungsstarke Motor, gepaart mit dem PDK-Getriebe lässt der Konkurrenz keine Chance. Der Audi R8 Spyder verkörpert hier das extremste und faszinierendste Konzept. Kompromisse findet man nicht – Platz drei.
Gesamtbewertung
Max. Punkte | Porsche 911 Turbo Cabrio | Mercedes SL 63 AMG | Audi R8 Spyder 5.2 FSI quattro | |
---|---|---|---|---|
Summe | 5000 | 2760 | 2689 | 2674 |
Platzierung | 1 | 2 | 3 |