"Bordbuch": Frühere Beiträge der AUTO ZEITUNG-Kolumne Weitere Kolumnen-Beiträge 19.05.2022 Teilen Bordbuch-Kolumne: Vertrauen ins Auto "Es passiert immer wieder, so ziemlich an jeder roten Ampel: Ich blicke konzentriert auf den Drehzahlmesser, sehe ich ein Zucken? Versuche, meine Sinne voll auf die rythmische Vibration des Vierzylinders zu reduzieren, höre ich da ein Tuckern? Immer auf der Suche nach dem leisesten Aussetzer, der kleinsten Ungereimtheit. Ich horche, ich fühle, ich gucke... doch das Einzige, das sich ändert, ist die Farbe des Ampelsignals. Nochmal Glück gehabt. Oder übertreibe ich? Zugegeben: Ich habe Vertrauensprobleme. Mit meinem Auto. Massive. Trotz regelmäßiger Werkstattbesuche hat es mich innerhalb von wenigen Monaten zweimal im Stich gelassen. Wenn der Motor mitten im Stadtverkehr ohne Vorwarnung abstirbt und man zum Hindernis wird, ist das nicht nur nervig, sondern geradezu demütigend. Jede Warteminute auf den Abschleppdienst fühlt sich wie eine Stunde an, bis tatsächlich Stunden vergangen sind. Gleichzeitig durchläuft der Kopf Horrorszenarien von meterlangen Werkstattrechnungen. Und wenn das gleich mehrfach passiert, möchte man einfach nur noch gehen und den Wagen seinem Schicksal überlassen. Klar, ich könnte jetzt einfach mein Gefährt abgeben und somit dem Spuk ein Ende bereiten, doch so einfach ist es nicht. Der Wagen passt perfekt in meine aktuelle Lebenssituation und ich könnte ihn auf keinen Fall guten Gewissens verkaufen. Deshalb arbeite ich an unserer Beziehung. Tag für Tag, an jeder Ampel." Tim Neumann Foto: AUTO ZEITUNG/Imago Bordbuch-Kolumne: Triumph Spitfire "Schon mal über den Begriff "Fahrzeug" nachgedacht? Einfach betrachtet handelt es sich um Zeug zum Fahren, logisch. Was aber, wenn es nicht gefahren wird, sondern seit Jahren herumsteht? Solch ein Fall ist der Triumph Spitfire meines Vaters. Der kleine Roadster war so etwas wie der Mazda MX-5 der 70er-Jahre und diente ihm in Studienzeiten als spaßiges Gefährt zum Sparpreis. Nach etwa zehn Jahren kündigte sich der Ernst des Lebens an, sodass mein Vater den "Spiti" in der Garage abstellte und ihn vergaß. Als sich das Garagentor 20 Jahre später wieder öffnete, war das Auto ein Fall für eine Komplettrestaurierung, die dann folgen sollte. Schon die erste Fahrt mit dem Triumph im Neuwagen-Zustand offenbarte aber ein großes Problem: Nicht nur das Auto war jetzt ein Oldtimer, sondern auch mein Vater. Der Spitfire ist bretthart, unnachgiebig, mit knochentrockener Schaltung und widerspenstigen Pedalen. Und mein Vater war mittlerweile den Komfort von modernen Cabrios gewöhnt, die in der Zwischenzeit zur Familie hinzugestoßen waren. So landete der Spiti gleich wieder in der Versenkung, kleine Probleme mit den schwer einstellbaren Vergasern gaben ihm den Rest. Weil Werkstatt-Aufenthalte immer wieder vertagt werden, steht er dort bis heute. Ein Stehzeug, neuwertig und tragisch. Aber irgendwann ... irgendwann hole ich ihn da raus." Tim Neumann Foto: AUTO ZEITUNG/Wim Woeber