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Geht auch ganz einfach:

Kultige Kleinwagen Klein, aber Oho!

1998 wurde der Smart einem verblüfften Publikum vorgestellt. Zum zehnjährigen Jubiläum trifft die aktuelle Ausgabe auf zwei putzmuntere Vorfahren: Goggomobil und BMW Isetta.

Eigentlich ein wirklich verblüffendes Phänomen: Gerade eben sind das Goggomobil Coupé und die BMW Isetta vom Transporter gefallen (ja, gefallen, denn zumindest bei der Isetta mit ihrer zweifachen Spurweite weiß man gar nicht so recht, wo denn nun die Planken an den Hänger angelegt werden sollen ...) und werden nun von den Mechaniker-Helden der BMW-Klassikabteilung auf einen sonnigen Tag voll harter Fotoarbeit vorbereitet. Schon wachsen wie aus dem Nichts ältere Herrschaften aus dem Boden, die mit leuchtenden Augen um die beiden Oldie-Schätzchen kreisen. Nur Minuten vorher war in dieser Herrgottsfrühe unter weiß-blauem Bayern-Himmel weit und breit niemand zu sehen – Isetta raus, Goggo raus, und schon wimmelt es von Erichs, Werners und Helmuts, die allesamt entweder „mal eine Isetta hatten“ oder „ein Goggomobil, jaja, damals 1962“.

Selbstverständlich wird das weiße Smart Cabrio ebenso ignoriert, wie man den jungen Redakteur der AUTO ZEITUNG schneidet. Dem wird vielleicht noch der Umgang mit modernem Teufelszeug (Computermaus, Mobiltelefon) zugetraut, nicht aber virtuoses Schlüsseln an Vergasern und Wirtschaftswunderzeit-Elektrik. Wen wundert es da, dass die in Nostalgie-Seligkeit taumelnde Herren-Riege etwas ausgebremst reagiert, als sich der Jungspund plötzlich zu Wort meldet. Und dabei habe ich ja gar nichts Schlimmes gesagt. Nur das: „Na Jungs, ihr werdet sehen, wenn ich mal so alt bin wie Ihr, dann ist der Smart genauso ein toller Oldie wie die Isetta und das Goggo heute.“

Ein Sturm der Entrüstung treibt mit dunklen Regenwolken über den von der Morgensonne beschienenen Parkplatz des Klosters Andechs. „Nee, Bursche!“, donnert Walter aus dem Wohnmobil nebenan mit unverkennbar singendem Pfälzer Zungenschlag los: „Der Smart ist ja eine neumodische Randerscheinung, die Isetta und das Goggomobil waren dagegen zu ihrer Zeit echte Errungenschaften. So was bleibt!“

Ich bin da ja anderer Meinung. Zumindest was den Randerscheinungscharakter des Smart betrifft. Wer hätte denn schon geglaubt, dass sich diese recht albern anmutende Idee so lange durchsetzen würde? Und die – nachdem Smart den Daimler-Mutterkonzern vermutlich zig Millionen gekostet hat – im Rückenwind der immer schärfer werdenden Öko- und Verbrauchs-Diskussionen anscheinend doch noch von der Zeit eingeholt wird, der sie über Jahre hinweg unangenehm weit voraus war? Der Smart mag nicht unbedingt ein Geniestreich in letzter Konsequenz sein, aber er hat sich doch immerhin eine treue Fangemeinde aufgebaut. Und die ist definitiv nicht nur im urbanen Yuppie- und Dink-Milieu (Double Income No Kids) beheimatet.

Zum zehnjährigen Jubiläum möchte ich in aller Seelenruhe behaupten: Der Smart ist ein verdammt kompetentes Automobilchen geworden. Er segelt mit seinen ewig zähneknirschend klingenden Dreizylinder-Motörchen inzwischen hart am strammen Wind der automobilen Leistungsgesellschaft, kommt also hervorragend selbst auf Lang- und Autobahnstrecken mit, er fällt nicht mehr um, er federt recht manierlich, die vielgescholtenen Schaltrucke des sequenziellen Getriebes sind eher psychologischer denn faktischer Natur (wer selbst schaltet, weiß einfach, wann der Kopfnicker kommt, im Smart ist das immer etwas überraschend), ja, das „schwäbische Autole“ ist überhaupt und im Großen und Ganzen ein wirklich überlegenswertes Auto geworden.

Und obendrein schiebt Mama Daimler etwas nach, das vor einem Jahrzehnt noch zur Scheidung von Papa Nicolas Hayek – dem Swatch-Gründer und Smart-Ideengeber – geführt hat: Elektromotoren! Die wollte Hayek schon damals, Daimler setzte ausschließlich auf die Herren Otto und Diesel. Mittlerweile ist allerdings eine Menge Erdöl durch die Einspritzdüsen dieser Welt geflossen, und bei Smart ist man nun doch im Elektromotoren-Zeitalter angekommen. 2010 geht der E-Smart mit Lithium-Ionen-Batterie in Serie, bis dahin wird in Zusammenarbeit mit dem Stromversorger RWE fleißig getestet.

Was das alles mit Isetta und Goggomobil zu tun hat? – Nun, irgendwie scheint sich doch der Kreis zu schließen! Zuerst einmal waren Isetta und Goggomobil für ihre Hersteller ein größerer Geschäftserfolg als der Smart für Daimler. Hans Glas in Dingolfing konnte allerdings auch das Goggomobil nicht vor der Übernahme durch BMW retten, für BMW selbst war die zwischen 1955 und 1962 in Stückzahlen bis zu 161.728 Exemplaren gefertigte Isetta – ein mit Gebläsekühlung und BMW-Einzylinder-Viertaktmotor runderneuerter Nachbau der italienischen Iso Rivolta Isetta – kaum mehr als ein probates Mittel, um kostbare Zeit zu schinden: Auf der letzten Rille aus der zerbombten Kesselflickerei der Nachkriegsjahre hinüber zum ernstzunehmenden Automobilbau. Das „missing link“? – Die Isetta! In den ausgehenden 50er und pulsierenden 60er Jahren waren die kaum dem Roller- und Motorrad-Proletariat entsprungenen Konstruktionen ein entscheidender Motor für die boomende Individual-Motorisierung, man scherte sich keinen Deut um Fußgänger- und Insassen-Schutz, um Komfort, Leistung, Straßenlage – alles kein wirkliches Kriterium. Was zählte waren Preiswürdigkeit und Funktionalität. Und Italien!

Die vielgerühmte Alpenfahrt mag dem Handelsreisenden von heute recht albern vorkommen, wenn er mit Tempomat 130 und dauertelefonierend über den Brennerpass dieselt. In einer 12 PS starken Isetta oder dem kaum kräftigeren Goggomobil ist das Land der Orangen, Zitronen und Nudelgerichte allerdings nahezu das Ende der Welt. Und trotzdem war das Auto-Deutschland der Sechziger emsig unterwegs gen Süden.

Wie sich das auszugsweise anfühlt, kann ich an diesem wunderbaren Morgen wenig später ausprobieren: Ich fädele unter den misstrauischen Blicken des in Ehren ergrauten Publikums meine 185 Zentimeter auf die knallroten und butterweichen Kunstledersitze des Goggomobil-Coupés, schiebe den Sitz ganz nach hinten – und muss feststellen, dass ich immer noch wie der berühmte Affe auf dem Schleifstein dicht hinter dem riesengroßen und spindeldürren Lenkrad kauere. Mit leicht schiefgelegtem Kopf passe ich gerade so unters Dach.

Schlüsseldreh, unterstützender Gasstoß und schon springt der 250 Kubikzentimeter große Zweizylinder-Zweitaktmotor mit energischem Räng-Däng-Däng willig an. Das Getriebe will nach 50 Jahren etwas zärtlicher angefasst werden, aber das bekomme ich schon irgendwie hin. Jetzt mutig ans Gas (bei einem Drehmoment-Maximum von gefühlt Null geht eben alles über Drehzahl) und entschlossen die Kupplung kommen lassen. Und was soll ich sagen: Es geht – gemessen am Alter der kleinen Maschine – alles butterweich. Das geringe Gewicht des Goggo fällt dem kleinen Zweitakter kaum zur Last, und schon schnurrt das Winz-Coupé O-beinig über die kleinen Sträßchen am Ammersee. Beim Gangwechsel immer schön Zwischengas geben, den kleinen Schalthebel sanft mit den Fingerspitzen führen und vor allem dem begeisterten Publikum höflich zuwinken. Kaum zu glauben, welche Sympathie dieses liebliche Wägelchen auszustrahlen scheint.

Übertroffen wird das nur noch von den strahlenden Gesichtern, die wenig später die Isetta begleiten. Während ich die winzige „Knutschkugel“ mit dosiert-rudernden Ausgleichsbewegungen am scheinbar völlig überdimensionierten Lenkrad über die Landstraße führe – der gebläsegekühlte Motorrad-Einzylinder im Heck poltert dazu in energischem Trab – komme ich kaum noch aus dem würdevollen Kopfnicken, fröhlichen Winken und Grüßen heraus. Wozu man bei Reise-Geschwindigkeiten zwischen 40 und knapp 70 km/h (das ist dann schon schiere Raserei ...) auch eine Menge Zeit hat.

In diesem munteren Schweinsgalopp unternahmen die Auto-Zwerge zu ihrer Zeit eine noch viel längere Reise: Bis in die USA wurden Goggomobil und Isetta exportiert und konnten sich dort achtbar schlagen. Genau dieselbe Reise tritt nun auch der Smart an. Vom Erfolg auf dem US-Markt hängt vermutlich auch das Wohl oder Wehe der Marke Smart ab – und ob der ökologisch sensible Urban-Amerikaner nicht doch lieber den konzeptionell ähnlichen, aber dreisitzigen Toyota iQ kauft. Dass Menschen nämlich nicht Marktforschungs-kategorisierbar sind, sondern einfach unkalkulierbar drauflosleben, das scheint man früher ernster genommen zu haben: Das Goggomobil gibt es immerhin mit zwei Kindersitzen im Fond, auf die Isetta-Bank passen ebenfalls zwei Erwachsene und ein Kind. Dass durchschnittsdeutsche Autos derzeit immer nur mit statistischen 1,3 Mann belegt im Stau stehen, könnte bei der Konstruktion des zweisitzigen Smart also der falsche Indikator gewesen sein. Denn bei aller Smartheit will man beim Autokaufen eben eines nicht: An der falschen Stelle sparen. Und irgendwie kennt doch jeder von uns den Moment, an dem die anderen 1,7 oder 2,7 Leute eben auch noch gerne mitfahren würden. Einmal im Halbjahr reicht da schon. Nichtsdestotrotz sage ich es den skeptischen Herrn am Kloster-Parkplatz gleich nochmal: „Der Smart wird in 50 Jahren ein vergnüglicher Klassiker werden, wollen wir wetten?“
Johannes Riegsinger

Fazit


Technische Daten
Motor 
ZylinderR3 / 4
Hubraum999
Leistung
kW/PS
1/Min

62/84
5250 U/min
Max. Drehmom. (Nm)
bei 1/Min
120
3250 U/min
Kraftübertragung 
Getriebe5 Gang sequentiell
AntriebHinterrad
Fahrwerk 
Bremsenv: Scheiben
h: Trommel
Bereifungv: 175/55 R 15
h: 195/50 R 15
Messwerte
Gewichte (kg) 
Leergewicht (Werk)885
Beschleunigung/Zwischenspurt 
0-100 km/h (s)10.9
Höchstgeschwindigkeit (km/h)145
Verbrauch 
Testverbrauch7.2l/100km (Normal)
EU-Verbrauch4.9l/100km (Normal)
Reichweitek.A.
Abgas-Emissionen 
Kohlendioxid CO2 (g/km)k.A.

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