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Geht auch ganz einfach:

Ferrari F12 Berlinetta: Faszination Auto 100 Kilometer Herzrasen

Zwischen Nürburgring und dem Circuit de Spa-Francorchamps verdichten sich die Mythen des Rennsports zu einem gespannten Epizentrum. Es braucht einen Ferrari F12, um die alten Geister hervorzulocken

Dunkelheit. Nur eine Ahnung von samtigem Dunkelblau sickert aus dem westlichen Horizont. Ein Ferrari F12 Berlinetta fliegt mit tief summendem Hornissen-Ton über die Autobahn 1 bei Köln. Ganz klar, wer im Ferrari von hier zum Nürburgring fährt, muss bei Frechen hinüber auf die A4 in Richtung Kerpen: Fünf Formel-1-Weltmeister-Titel hat der wohl berühmteste Kerpener für Ferrari geholt – und jetzt liegt Michael Schumacher, beim Skilaufen tragisch verunglückt, in einem Krankenhaus in Grenoble.

Trübe Gedanken füllen für einen Moment das Cockpit, selbst der eben noch kraftvoll voranstürmende V12 des Ferrari wirkt sonderbar matt und belegt. Kein Wunder – auch wenn er mittlerweile nicht mehr zur Belegschaft der Scuderia Ferrari gehört, ist Schumacher unauflösbar ein ewiges Mitglied der Ferrari-Familie geworden, ein Bestandteil des stetig wachsenden Mythos. Genau wie ein zweiter Sohn der kleinen Stadt Kerpen: Innerhalb von nur drei Formel-1-Jahren schaffte  es Wolfgang Graf Berghe von Trips, seinen Namen auf den Sockel des Ferrari-Denkmals zu gravieren.

Seine fahrerische Leidenschaft soll Enzo Ferrari so beeindruckt haben, dass er den deutschen Adeligen zwischen 1957 und 1961 immer wieder ins Werksteam holte – und das, obwohl „Count Crash“ wiederholt für haarsträubende Unfälle verantwortlich zeichnete. Mit einem mehr als überlegenen Ferrari 156 nur noch einen Sieg vom Gewinn der WM 1961 entfernt, verunglückte Berghe von Trips in Monza tödlich. Mit seinem Tod erlosch auch die Linie der Adelsfamilie von Trips.

 

Need for Speed – der Ferrari F12 ist überirdisch schnell

Für einen Abstecher zum ehemaligen Trips’schen Familiensitz, der Burg Hemmersbach in Kerpen-Horrem, haben wir heute aber keine Zeit. Mit den ersten  Sonnenstrahlen wollen wir am Nürburgring sein, dem Startpunkt einer magischen Reise. Der F12 zielt nun auf der A61 in Richtung Süden, für ein paar Kilometer ist freie Fahrt angesagt: Kurzer Doppelzug an der linken Schaltwippe, das Doppelkupplungsgetriebe schaltet ohne jede fühlbare Verzögerung zurück.

Der 6262 cm3 große Zwölfzylinder schnappt sofort bestialisch zu, dreht mit irrwitziger Gier hoch und peitscht den etwas über 1600 Kilogramm schweren Supersportwagen dabei regelrecht nebensächlich nach vorn. 

Hektisch aufblitzende Warn-LEDs oben am Lenkrad kündigen das Ende der Drehzahl-Leiter an, im selben Moment nagelt dieser fast boshaft drehende Ausnahme-Motor schon stotternd in den Begrenzer. Hochschalten – der nächste Gang hält aber auch wieder nur für ein paar Sekunden, dann giert der Zwölfzylinder bereits nach der nächsthöheren Gangstufe.

Die Klangkulisse zu diesem Up-Tempo-Drag-Run ist infernalisch: Eben noch war der Ferrari mit muskulösem Knurren ruhig dahingleitend unterwegs, und jetzt tobt eine rotglühende Dezibel-Hölle. Heiseres Sägen mischt sich mit hochfrequentem Fräsen, dazu kommt das gutturale Schlürfen des Ansaugtrakts. Selbst jenseits der 300-km/h-Grenze beschleunigt der Ferrari noch mit absurder Gewalt.

Gut, dass der F12 Berlinetta aber nicht nur motorisch ein Ausnahmeathlet ist, sondern auch  aerodynamisch. Die bei Ferrari wissen eben schon seit Anfang der 70er, dass ein F1-Rennen nicht nur mit perfektem Chassis und Motorleistung zu gewinnen ist, sondern vor allem durch ausgeklügelte Aerodynamik. Bis auf die vertrackten Luftdurchlässe hinter und oberhalb der vorderen Radhäuser spielt sich die gesamte Show beim F12 dabei am flachen Ground-Effect-Unterboden ab.

Lediglich der martialische Diffusor am Heck erzählt die Geschichte vom „negativen“ Bodeneffekt. Und eben der überirdische Geradeauslauf im Knocking-on-Heavens-Door-Modus: Wie mit dem Staubsauger festgesaugt pfeilt der F12 über die Bahn, atemberaubend, exzessiv, anderweltig. Gerade dieser Ground-Effekt war allerdings das Formel-1-Ende der beiden großen mitteleuropäischen Rennstrecken: Sowohl der Nürburgring als auch der alte Kurs von Spa wurden durch die brutal schnellen Aero-Renner ab 1968 viel zu gefährlich und tückisch.

Beide Strecken sind heute mit topfebener Fahrbahn und TV-tauglicher Streckenlänge domestiziert worden. Wie wild und gefährlich diese legendären Pisten einmal waren, lässt sich allerdings immer noch auf der alten Nürburgring-Nordschleife erleben.

Zwischen Eifel und Ardennen schlägt ein Motorsport-Herz

Um Punkt acht Uhr stehen wir im Fahrerlager, der F12 mischt sich ins Feld eines Klassiker-Trainings. Noch ein paar Minuten, dann werden wir über die grünen Sprunghügel hechten, durch die Betonplatten-Steilkurven hämmern und mit zwei g Anpressdruck in der infamen Fuchsröhre hängen. Gerade als wir in Richtung Streckeneinfahrt drängeln, pfeift uns ein grinsender Funktionär zurück: „Netter Versuch …“  – Na gut, die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten wollen natürlich keine Konkurrenz durch eine moderne 740-PS-Boden-Boden-Rakete haben, hier wird noch ohne F1-Traktionskontrolle und adaptive Dämpfer gefightet, da wollen wir den Jungs natürlich nicht die Party verderben.

Wir streben eh rüber nach Spa, einmal durchs Herzland des Motorsports. Was einmal als das Sibirien Deutschlands bezeichnet wurde, ist nun eine mit Motorsportlegenden regelrecht durchtränkte Ecke. Runter nach Quiddelbach, rüber nach Adenau und dann immer an der Grenze zwischen Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen entlang. Der Ferrari schmiegt sich mit vollkommener Hingabe in die Kurven, stromert ganz leichtfüßig über die schmalen Eifelsträßchen.

Man reibt sich die Augen, so vollkommen ist die Wandlung vom außerirdischen Speed-Tier zur selbstvergessen dahinflippenden Kurvenfeile. Dieses V12-Supercar fühlt  sich da draußen an wie ein federleichter Roadster. Man fährt versunken und entspannt – wie furchterregend dieses Auto anschiebt, geht im begnadeten Handling regelrecht unter. Eine unprätentiöse Legende – sehr sympathisch.

Irgendwann meinen wir, weit genug in das grüne Labyrinth zwischen Deutschland und Belgien, Eifel und Ardennen vorgedrungen zu sein, ein anderes Auto ist uns schon seit einer Ewigkeit nicht mehr entgegengekommen. Kurzer Dreh am „Manettino“, dem roten Fahrprogramm-Schalter am Lenkrad, und der F12 tobt im „Race“-Set-up dahin: Haarsträubende Aggressivität, meterlange Drifts beim Beschleunigen, bizarre Sprints – leicht verschwitzt landen wir ein paar Minuten später wieder im „Sport“-Modus.

Und vor dem verschlossenen Fahrerlager des Circuit de Spa-Francorchamps. Drinnen prügelt sich der 2CV-Club mit maximalem Sachschaden um einen Secondhand-Pokal. Der Ferrari bekommt beinahe Zündaussetzer. Nichts wie weg. 

FERRARI F12 BERLINETTA
Antrieb
V12-Zylinder, 4-Ventiler, Direkteinspr.; Bohrung x Hub: 94,0 x 75,2 mm; Verdichtung: 13,5:1; Hubraum: 6262 cm3; Leistung: 545 kw/740 PS bei 8250/min;  max. Drehmoment: 690 nm bei 6000/min; 7-gang-Doppelkupplungsgetriebe; Hinterradantrieb
Aufbau und Fahrwerk
Sportwagen mit Alu-Spaceframe; v.: Doppelquerl., adapt. Federbeine, Stabi.; h.: Mehrfachlenkerachse, Federn, adapt. Dämpfer; ESC (ESP), F1-Trac, E-Diff 3; Bremsen: Karbon-Keramik-Scheiben; ABS, Bremsassistent; Reifen vorn: 255/35 ZR 20; hinten: 315/35 ZR 20
Eckdaten
L/B/H: 4618/1942/1273 mm; Radstand: 2720 mm; Leergewicht: 1630 kg; Grundpreis: 268.400 Euro
Fahrleistungen
Beschleunigung: 0 auf 100 km/h in 3,1 s;  Höchstgeschw.: 340 km/h; Verbrauch: 15 l S/100 km

Johannes Riegsinger

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