Audi RS2 Avant: Oldtimer kaufen Der Porsche-Schreck
Mit dem Avant RS 2 wagte Audi den Schritt in das Segment der Hochleistungs-Kombis – der brave Familientransporter mutierte zum starken Sportler. Darauf beim Oldtimerkauf achten!
Der Audi Avant RS2 war gemein – vor allem, wenn man in einem Porsche saß und sich als unangreifbarer König der Autobahn fühlte. Doch dann tauchte plötzlich dieser Audi-Kombi im Rückspiegel auf, zog vorbei und machte dem Herrscher über die linke Spur sein Reich streitig. Augerechnet Audi, damals trotz aller Quattro-Sporterfolge der Französin Michèle Mouton und der deutschen Rallye-Ikone Walter Röhrl noch immer die Marke mit dem Wackel-Dackel-Image, stieß mit dem 80 Avant in das bereits vom BMW M5 Touring abgesteckte Revier sportlicher Kombis vor. Den Porsche-Fahrer tröstete es nur wenig, dass der RS2 in Zusammenarbeit mit seiner Marke entstanden, also eine Art entfernter Verwandter der Zuffenhausener Sportwagenschmiede war. Basis für den ersten Vertreter der Marke im Segment „Hochleistungs-Kombi“ (Audi-Presseabteilung) war der biedere 80 Avant, der nach einem intensiven Trainingslager bei Porsche in Stuttgart zu einem Kraftpaket mutierte, das problemlos in 5,6 Sekunden von null auf 100 km/h und weiter bis 262 km/h beschleunigte. Wobei sich – und das war das eigentlich Gemeine – die Leistungs-Kosmetik fast ausschließlich auf die inneren Werte unter dem Blech beschränkte.
Audi-Modellpalette (Sport) im Video:
Audi RS2 Avant als Oldtimer kaufen
Verantwortlich für diesen Leistungszuwachs waren ein überarbeiteter Ansaugtrakt, Modifikationen an der Einspritzung und dem Motormanagement sowie ein vergrößerter Ladeluftkühler. Der Fünfzylinder-Turbomotor mit seinen 2226 Kubikzentimetern (sechsfach gelagerte Kurbelwelle, Vierventil-Technik, elektronische Einspritzung) kam so auf 232 kW/315 PS bei 6500 Umdrehungen. Der mit 9,0:1 verdichtete Antrieb war auf Super Plus ausgelegt, konnte aber dank einer zylinderselektiven Klopfregelung auch mit Eurosuper gefahren werden. Der damit verbundene geringe Leistungsrückgang machte sich nicht weiter bemerkbar. Als Verbrauch gab Audi höchst theoretische 9,2 Liter auf 100 Kilometer an – ein Wert, der bei sportlicher Fahrweise nicht annähernd erreicht wurde. Tankwarte liebten den RS2. Unter der Haube weist ein Porsche-Schriftzug auf dem Zylinderkopf auf die Kraftkur hin. Um die Leistung bändigen zu können, spendierten die Stuttgarter dem Audi RS2 Avant zudem die Bremsanlage aus dem 968, sodass der Audi unter der bewusst dezent gehaltenen Karosserie am Ende eine ausführliche Leistungsschau der schwäbischen Vollgasspezialisten bot. Das ABS-System war so eingestellt, dass es erst bei deutlichem Pedaldruck nahe an der Blockiergrenze in Aktion trat. Die rot lackierten Bremssättel trugen einen weißen Porsche-Schriftzug. Die Bremsscheiben mit 304 Millimetern Durchmesser wurden schon bald nach dem Produktionsstart durch Exemplare mit 322 Millimetern ersetzt. Der Audi RS2 rollte serienmäßig auf 245/40er Reifen.
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Hinterachs-Differenzialsperre im RS2 zuschaltbar
Auch das Fahrwerk wurde dem deutlichen Leistungszuwachs angepasst: Andere Stoßdämpfer und eine Tieferlegung trugen dem sportlichen Anspruch ebenso Rechnung wie Gussquerlenker, welche die Blechlenker ersetzten und so für zusätzliche Stabilität sorgten. So aufgerüstet, ließ sich der Avant RS2 außerordentlich präzise lenken, benahm sich stets dezent und verzichtete vollkommen auf Krawall. Zu dem soliden Fahrverhalten trug auch der permanente Allradantrieb samt Torsen-Zwischendifferenzial bei, der die hohe Motorleistung sicher auf den Asphalt brachte. Damit verfügte der RS2 über eine herausragende Traktion, ein neutrales Eigenlenkverhalten und eine souveräne Kurvenstabilität. Bei Anfahrproblemen ließ sich manuell eine Hinterachs-Differenzialsperre zuschalten. Für die Kraftübertragung wählten die Porsche-Entwickler ein damals noch ungewöhnliches Sechsgang-Getriebe, das sich exakt schalten ließ. Wenn jemals das Klischee vom Wolf im Schafspelz gepasst hat – der Audi entsprach ihm voll und ganz. Nur Spezialisten erkannten die dezent sichtbaren Zeichen an der Karosserie. Dazu gehörten die vom Cup-Porsche übernommenen 17-Zoll-Leichtmetallräder, die 911-Außenspiegel sowie Blinker und Nebelleuchten aus dem Porsche-Regal. Auch die wie beim 911 (993) Carrera 4S / Turbo drei-geteilten Lufteinlässe im vorderen Stoßfänger (um den Ladeluftküh-ler und die Bremsen mit Frischluft zu versorgen) weisen den Audi RS2 als Sport-Kombi aus. Das Ergebnis konnte auch vor Rallye-Weltmeister Walter Röhrl bestehen: „Der RS2 ist eine echte Sportwagen-Alternative mit viel Platz für Personen und Gepäck. Motorleistung, Fahrverhalten, Bremse – das ist ein homogenes Ganzes, da passt alles zusammen.“
Insgesamt 2892 RS2 gebaut
Röhrl lag mit seiner Einschätzung richtig, denn der RS2 ließ sich in der Tat im Alltag problemlos und gemütlich wie ein Familienkombi bewegen. Doch wenn man die zusätzliche Leistung abrief, mutierte er zu einem Hochleistungssportler, der sich dabei jedoch stets gut beherrschen ließ. Allerdings wurde dem Sportler wegen seines unauffälligen Auftritts nicht immer direkt der Weg freigemacht, weil niemand einem Audi 80 Avant diese Fahrleistungen zutraute. Es dauerte einige Zeit, bis die Platzhirsche ihre Chancenlosigkeit erkannten und auf die rechte Spur wechselten. Wenn man die (gegen Aufpreis lieferbare) Klimaautomatik gewählt hatte, stimmte auch der Komfort. Ein empfehlenswertes Extra war zudem das Trennnetz zum Gepäckraum, das bei einem plötzlichen Bremsmanöver vor ?iegenden Gepäckstücken schützte. Der Audi Avant RS2 kostete, als er im März 1994 auf den Markt kam, stolze 98.900 Mark. Die Produktion war ursprünglich auf 2200 Exemplare begrenzt. Als die Fertigung zwei Jahre später endete, waren dann doch 2891 Exemplare entstanden.
Technische Daten Audi RS2 Avant |
Antrieb R5-Zylinder, vorn längs eingebaut; 4-Ventiler; zwei obenliegende Nockenwellen, Antrieb über Zahnriemen; Abgasturbolader mit Ladeluftkühlung; Gemischbildung: elektronisch geregelte Multipoint-Benzineinspritzung; Bohrung x Hub: 81,0 x 86,4 mm; Hubraum: 2226 cm3 ; Verdichtung: 9,0:1; Leistung: 232 kW/315 PS bei 6500/min; maximales Drehmoment: 410 Nm bei 3000/min; Sechsgang-Getriebe; permanenter Allradantrieb |
Aufbau und Fahrwerk Selbsttragende Ganzstahlkarosserie mit fünf Türen; Radaufhängung vorn: McPherson-Federbeine; hinten: Doppelquerlenker, Federbeine; v./h. Stabilisator; Zahnstangenlenkung mit Servo; Bremsen: v./h. innenbelüftete Scheiben; Reifen: v./h. 245/40 ZR 17, Räder: 7 x 17 |
Fahrleistungen¹ Beschleunigung: 0 auf 100 km/h in 5,6 s; Höchstgeschw.: 262 km/h; Verbrauch: 15,4 l/100 km |
Eckdaten L/B/H: 4164/1803/ 1345 mm; Radstand: 2225 mm; Leer-/Gesamtgewicht: 1595/2100 kg; Tankinhalt: 64 l; Bauzeit: 1994 bis 1996; Stückzahl: 2891; Preis (1994): 98.900 Mark |
Das Konzept, nachdem der Avant RS2 entwickelt wurde, war 1994, als der als Kombi getarnte Sportwagen auf den Markt rollte, revolutionär für die Ingolstädter. Audi versuchte damals mit allen Mitteln (aber noch vergeblich), den Glanz der Rallye-Erfolge von Michèle Mouton und Walter Röhrl auf die Serienmodelle zu übertragen, um Anschluss an die beiden anderen deutschen Premiumhersteller zu finden. Die hatten sich den Markt in sportlich (BMW) und luxuriös (Mercedes) aufgeteilt. BMW hatte beispielsweise mit seinem M5-Modell des E34 Touring einen beachtlichen ersten Versuch unternommen, einen sportlichen Oberklasse-Kombi auf die Räder zu stellen. Der RS2 legte nach – und war für die Einkaufsfahrt ebenso gut wie für die schnelle Autobahnetappe. Abseits jeglicher politisch korrekter Überlegungen machen diese Sportler heute genauso viel Spaß wie damals, als sich der RS2 aufmachte, Porsche-Fahrer zunächst zu verwirren und dann zu ärgern – wenn ein vermeintlich spießiger Audi an ihnen vorbeizog.